25.12.2012 Aufrufe

Ausgabe als PDF - Metall

Ausgabe als PDF - Metall

Ausgabe als PDF - Metall

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Innung<br />

Interview<br />

„Wir tappen in die Akademikerfalle“<br />

Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, Brigitte Jank, im Gespräch mit dem Wirtschaftsverlag über<br />

die Wirtschaftslage im Allgemeinen und die Ausbildungssituation im Besonderen.<br />

METALL: Frau Präsidentin, wie geht es der Wiener Wirtschaft?<br />

Brigitte Jank: Bis zur Jahresmitte waren die Aussichten<br />

durchaus okay. Leider haben die Wirtschaftsforscher die<br />

Erwartungen für das restliche Jahr zurückgenommen.<br />

Wie geht es den klein- und mittelständischen Unternehmen?<br />

Die Anpassungsfähigkeit dieser Unternehmen ist enorm<br />

hoch. Ich orte dort keine negative Grundstimmung. Wir<br />

arbeiten derzeit mit der Stadtregierung an weiteren bürokratischen<br />

Vereinfachungen, denn gerade bei kleineren Betrieben<br />

bleiben diese Dinge beim Unternehmer selbst hängen.<br />

Wir sind auf einem guten Weg.<br />

54 11 | 2012<br />

Was möchten Sie heuer noch erreichen?<br />

Rücknahmen und Verbesserungen<br />

in der Gebührenfrage. Hier muss es<br />

Nachjustierungen geben, denn die<br />

derzeitige Gebührenlawine ist ohne<br />

jede Diskussion mit der Wirtschaft<br />

im Gemeinderat durchgesetzt worden.<br />

Jene Gebühren, die noch nicht<br />

beschlossen wurden, aber noch ins<br />

Haus stehen, müssen fair, verträglich,<br />

leistbar und verständlich gestaltet werden.<br />

Nachjustierungen dürfen sich im<br />

Wesentlichen nur an der Indexanpassung<br />

orientieren. Eine Gebühr darf<br />

keine getarnte Steuererhöhung sein.<br />

Sie haben vor Kurzem in einer Aussendung<br />

geschrieben: „Das Schulsystem krankt an allen<br />

Ecken und Enden: Jetzt hilft nur noch eine Radikalkur.“<br />

Wie soll die denn aussehen?<br />

Jeder, der es nur irgendwie schafft, bleibt im schulischen<br />

System. Immer weniger gehen in eine berufliche Ausbildung,<br />

dabei leistet diese enorm viel. Im Gegensatz zur Pisa-<br />

Studie erzielen wir bei Berufsweltmeisterschaften regelmäßig<br />

Spitzenplätze. Die Berufsausbildung funktioniert bei<br />

denen, die die Voraussetzungen mitbringen, ausgezeichnet.<br />

Sie verlangt den jungen Menschen viel mehr ab <strong>als</strong> eine<br />

AHS-Matura und ist entsprechend anspruchsvoll.<br />

Schön und gut, aber die wenigsten Eltern streben für<br />

ihre Kinder einen Lehrberuf an. Alle wollen ins Gymnasium.<br />

Genau hier liegt das Problem. Wir tappen in die Akademikerfalle.<br />

Es heißt immer, Österreich hätte zu wenige Akademiker,<br />

es kommt aber darauf an, wie man das zählt. Wenn<br />

Sie heute in Frankreich eine Baumeisterprüfung haben, können<br />

Sie über wenige Zusatzkurse einen akademischen Grad<br />

erwerben. In Deutschland ist das ähnlich. Warum bewegt<br />

sich Österreich nicht in diese Richtung? Dann würden Eltern<br />

die Berufsausbildung ganz anders sehen, denn gemessen<br />

am vermittelten Wissen und Können sowie an den sich bietenden<br />

Chancen ist das Duale System spitze.<br />

Ist jungen Menschen der Karrierepfad von der Lehre über<br />

den Meister zum selbstständigen Unternehmer klar genug?<br />

Ich fürchte, es ist ihnen deshalb zu wenig klar, weil es innerhalb<br />

der Familien zu wenig Bereitschaft gibt, sich damit<br />

auseinanderzusetzen. Wir haben deshalb in den Schulen<br />

gemeinsam mit dem Stadtschulrat seit heuer ein neues<br />

Werkzeug angeboten, das es jungen Menschen ermöglicht,<br />

die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen.<br />

Oftm<strong>als</strong> wissen die Schüler gar nicht, welche Berufe<br />

es überhaupt gibt. Fast immer orientieren sie sich an den<br />

aus der Familie bekannten Rollenbildern. Bei den Mädchen<br />

ist das besonders schlimm. Da bremsen die Väter durch ein<br />

f<strong>als</strong>ches, veraltetes Frauenbild die Entwicklung. Wir hoffen,<br />

dass unsere Bemühungen in einigen Jahren zu sichtbaren<br />

Veränderungen führen.<br />

Manche Vorzeigebetriebe können sich vor Lehrstellenbewerbern<br />

kaum retten, andere tun sich schwer, gute junge<br />

Leute zu bekommen. Was tun Sie, um diesen Betrieben<br />

zu helfen?<br />

Große Betriebe sind oftm<strong>als</strong> aus den Medien bekannt. Für<br />

KMU ist es viel schwieriger, sich an interessierte Jugendliche<br />

zu wenden. Wir haben begonnen, Unternehmen und Schulen<br />

in Form von Schnuppertagen stärker zusammenzuführen. Es<br />

ist auch für die Lehrenden enorm wichtig, zu sehen, wie ein<br />

Unternehmen eigentlich funktioniert. Wer das nie erlebt hat,<br />

kann es auch nicht vermitteln. Wir arbeiten mit den Pädagogischen<br />

Hochschulen zusammen, um insgesamt mehr Wirtschaftsinformation<br />

in die Lehrpläne zu bekommen.<br />

Warum dauert es so lange, bis ein neuer Beruf definiert<br />

ist? Bremsen da die Innungen?<br />

Dort, wo es um die dualen Ausbildungsbereiche geht, wirken<br />

Schule und Berufsvertretung zusammen. Es gibt viele<br />

Beispiele, wo diese Zusammenarbeit hervorragend klappt.<br />

Leider gibt es da und dort manchmal Schwierigkeiten.<br />

Den Lehrplan selbst kann die Wirtschaft nicht unmittelbar<br />

beeinflussen. Da braucht es auf der politischen Ebene mehr<br />

Beweglichkeit und Geschwindigkeit.<br />

Ist die derzeitige Zuwanderungspolitik ausreichend, um<br />

dem Fachkräftemangel zu begegnen?<br />

Mit der Rot-Weiß-Rot-Card wurden die richtigen Weichen<br />

gestellt, um qualifizierte Menschen nach Österreich holen zu<br />

können. Es ist aber schade, dass wir pro Jahr 40.000 Zuwanderer<br />

bei gleichzeitig 30.000 Abwanderern haben. Während<br />

vorwiegend Bestausgebildete abwandern, haben wir noch<br />

nicht die hochqualifizierte Zuwanderung, die wir brauchen.<br />

Darauf müssen wir unser Augenmerk legen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!