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Harmjan Dam: Evangelische Kirchengeschichtsdidaktik (Leseprobe)

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Kirchengeschichte ein Element im evangelischen Religionsunterricht. Durch eine historische Analyse von über 350 Schulbüchern und konzeptionellen didaktischen Entwürfen wird die Entwicklung der Kirchengeschichtsdidaktik von 1770 bis 2020 dargelegt und in drei Typen zusammengefasst. Dies wirft ein neues Licht auf die Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts. Im zweiten Teil der Studie wird die Geltung der drei Typen systematisch überprüft und eine an Kompetenzen orientierte, praxistaugliche Didaktik (Ziele und Intentionen, Inhalte, Methoden) vorgelegt.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Kirchengeschichte ein Element im evangelischen Religionsunterricht. Durch eine historische Analyse von über 350 Schulbüchern und konzeptionellen didaktischen Entwürfen wird die Entwicklung der Kirchengeschichtsdidaktik von 1770 bis 2020 dargelegt und in drei Typen zusammengefasst. Dies wirft ein neues Licht auf die Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts. Im zweiten Teil der Studie wird die Geltung der drei Typen systematisch überprüft und eine an Kompetenzen orientierte, praxistaugliche Didaktik (Ziele und Intentionen, Inhalte, Methoden) vorgelegt.

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3. Kirchengeschichte in Schulbüchern von 1870 bis<br />

1918<br />

3.1 Ein Anstieg der Zahl der Kirchengeschichtsschulbüchern ab 1870<br />

Politisch gab es einen klaren Umbruch, als am 18. Januar 1871 König Wilhelm<br />

von Preußen zum Deutschen Kaiser Wilhelm I proklamiert wurde. Bismarck,<br />

der seit 1862 eine aggressive Außenpolitik betrieben hatte, realisierte nun<br />

die Einheit von 25 deutschen Territorien unter Preußischer Führung. Ab 1890<br />

erhob das zweite deutsche Kaiserreich weltweite imperiale und militärische<br />

Machtansprüche. In der schulischen Bildung sollte der nationale Moment in<br />

den Vordergrund gestellt werden. So proklamierte Wilhelm II in der »Dezemberkonferenz«<br />

von 1890: »Deutsche soll man erziehen, keine Griechen und<br />

Römer.« 202 Die evangelischen Kirchen stützten diese nationalen Entwicklungen.<br />

203 Die politischen und günstigen ökonomischen Entwicklungen schlugen<br />

sich nieder in einem starken Wachstum des universitären Betriebes und einem<br />

Höhenflug der deutschen Wissenschaft. Der gestiegene Wohlstand hatte auch<br />

Folgen für die Investitionen in die Schulen: neue Schulgebäude, größere Räume,<br />

mehr Lehrkräfte, bessere Ausbildung und mehr Geld für Lehrmittel. In den<br />

Schulen wurden die naturwissenschaftliche Ausrichtung und die Realienkunde,<br />

die die industrielle Entwicklung stützen sollten, immer wichtiger. In den<br />

höheren Schulen wurden die klassischen Sprachen nach und nach von den modernen<br />

Sprachen Französisch und Englisch verdrängt. 204 Neben neuer humanistischer<br />

Gymnasien entstanden Realgymnasien (Latein und moderne Sprachen)<br />

und Oberrealschulen (moderne Sprachen, Mathematik und NaWi). Auch gelang<br />

es der Frauenbewegung, dass Mädchen der Zugang zu höheren Schulen ermöglicht<br />

wurde. 205 Die Einheit im Kaiserreich führte zu mehr Vereinheitlichung in<br />

der Bildungspolitik. Die Lehrpläne an allen höheren Schulen wurden identisch,<br />

was auch für das Fach Religion galt, das zwei Stunden pro Woche erteilt wurde.<br />

Ab 1890 wurde in den Gymnasien die Reifeprüfung, das Abitur, von Religion<br />

mit der des Faches Geschichte gleichgestellt, wodurch Religion ein Fach wie alle<br />

202<br />

Antje Roggenkamp, Das (zweite) deutsche Kaiserreich, in: Rainer Lachmann, Bernd<br />

Schröder, Geschichte des <strong>Evangelische</strong>n Religionsunterrichts in Deutschland. Neukirchen<br />

2007, 172.<br />

203<br />

»Der Staatsprotestantismus wurde zum Reichsprotestantismus.« Roggenkamp in<br />

Lachmann/Schröder, a. a. O., 167.<br />

204<br />

Roggenkamp in Lachmann/Schröder, 2007, a. a. O., 172. Helmreich, 1966, a. a. O.,<br />

112.<br />

205<br />

Im Jahr 1908 wurden sie in Preußen zum ersten Mal zum Abitur zugelassen.Roggenkamp<br />

in Lachmann/ Schröder, ebd. Schröder, Religionspädagogik 2012, 105. Auch<br />

führende Wissenschaftler wie Wilhelm Dilthey und Adolf von Harnack engagierten sich<br />

stark in dieser Bewegung. Harnack gehörte der 1893 von Helene Lange gegründeten<br />

»Vereinigung zur Veranstaltung von Gymnasialkursen für Mädchen« an.

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