BLATTWERK AUSGABE No.16 – September bis Dezember 2022
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Fluss“, „Der Fluss 2“, „Europas Heiliger Krieger“, „71 oder Der Fluch
der Primzahl“ – und jetzt die Oper. Für diese Theaterarbeiten
bekomme ich heuer den Burgenländischen Landeskulturpreis.
Sehr angenehm, weil er auch mit einer Zuwendung von 5.000 Euro
verbunden ist. Das war auch eine kleine Rettung, weil die ganze
Situation durch Corona auch für die Künstler ziemlich blöd war.
Und wie bist du dann nach dem Studium in das Dasein als
Komponist reingekommen? Wie war der Start als Komponist?
Ich war damals verheiratet und hatte dann schon finanzielle Probleme
gehabt, weil ich studiert habe. Deswegen habe ich so kleine
Jobs angenommen als Korrepetitor, habe bei der Freien Bühne
Wien, am Theater an der Wien und beim Jugendtheater gearbeitet,
um mir so ein bisschen was dazuzuverdienen. Die allersten Kompositionen
hatten mit dem, was ich gelernt hab, gar nichts zu tun.
Ich habe mir angehört, welche Stilrichtungen das burgenländische
Radio spielt und habe festgestellt, dass sie alles spielen, aber keinen
Ragtime. Dann habe ich zwei Demo-Kassetten mit Ragtimes
gemacht und dem damaligen ORF-Unterhaltungschef vorgespielt,
und er hat gesagt: „Herr Janoska, aber genau das ist es, so etwas
fehlt uns! Wissen Sie, beim Wetter oder bei den Sportnachrichten
oder beim Straßenverkehr können wir das super im Hintergrund
spielen.“ Und das war mein erster Auftrag: 16 Ragtimes zu komponieren.
Einen Ragtime haben sie sogar als Kennmelodie für die
Quizsendung „Punschkrapferl“ genommen. Und das war meine
Rettung, weil ich für diese Produktionen bezahlt worden bin und
auch großartige Tantiemen bekommen habe. Also war mein Studium
abgesichert.
Glück oder gutes Gespür, dass du dem ORF einfach etwas
hingeschickt hast?
Wie gesagt, ich habe natürlich gewusst, dass kein Mensch mich,
einen jungen unbekannten Komponisten, anrufen wird. Das heißt,
ich musste selbst aktiv sein. Und dann war es so, dass mein Tiroler
Schwager bei einer Plattenfirma gearbeitet hat, die Schlager produziert
und einen Arrangeur gesucht hat. Genau in diesem Jahr
bin ich mit meinem Studium fertig geworden – und kriege einen
Anruf, ob mich volkstümlicher Schlager interessieren würde. Ich
hatte keine Ahnung, was volkstümlicher Schlager ist. Nachdem ich
mir das angeschaut habe, habe ich den Job angenommen, wir sind
alle nach Tirol gezogen und ich war drei Jahre als Arrangeur bei
der Plattenfirma tätig. Und dann habe ich zu meiner Frau gesagt:
„Du, also entweder ich werde Alkoholiker oder ich hänge mich
auf, eines von beiden.“ Es waren alles wirklich nette Menschen.
Aber musikalisch? Weißt du, wenn du vorher fünf oder sechs Jahre
lang Tonsatz studiert hast und das auf allerhöchstem Niveau ...
Naja, ich war drei Jahre dort, als mein Vater verstorben ist. So,
was tun wir? Meine Mutter hat das Haus nicht alleine erhalten
können. Entweder wir verkaufen das Haus und meine Mutter zieht
zu uns nach Tirol, oder wir kommen zurück. Wir haben Letzteres
getan. Ich habe erneut eine Idee gehabt auf etwas, was damals
total in war: Popmusik mit einem Symphonieorchester. Weil das
aber schon viele gemacht haben, habe ich es Koch International
mit volkstümlichem Schlager vorgeschlagen. Ich habe ihnen einen
Titel im sinfonischen Sound arrangiert und produziert, nach
Zusage aufgenommen, und auf Anhieb haben sie 40.000 Tonträger
verkauft, sodass sie mich zehn Jahre unter Exklusivertrag
genommen haben. Nach dem Schlager haben wir auch Welthits
im klassischen orchestralen Sound produziert. Elton John, Michael
Jackson, Beatles, Queen, Eagles – kennst du die Gruppe Eagles?
Wow – das hat mir so viel Spaß gemacht, solche Sachen zu arrangieren.
Dann haben wir Hits des Jahrhunderts gemacht, dann pro
Instrument eine CD, einmal Saxophon, akustische Gitarre, Harfe,
Klavier, Mundharmonik usw., und die haben Tonnen verkauft.
Warum ich das alles erzähle? Weil ich pro CD immer zwei Eigenkompositionen
draufgeben durfte und das waren, ich will dich jetzt
nicht anlügen, so 80 Produktionen. Irre. Ich habe gut verdient, sehr
viel Arbeit gehabt – aber ich war nicht glücklich.
Kommen wir wieder zur Oper und zum Komponieren. Du hast
viel arrangiert und hast auch gesagt, dass du hauptsächlich
Arrangeur bist und warst …
Ah entschuldige, du hast mich auch gefragt, für wen ich sonst
noch alles arrangiert habe. Na, egal, das kann man nachlesen im
Internet. (Beide lachen.)
Jetzt ist es aber ein großer Unterschied, einmal die eigene Idee
und einmal die Idee eines anderen neu zu verpacken. Welche
Differenzen siehst du in den Tätigkeiten? Welche Herausforderung
ist es, wenn man komponiert und nicht „nur“ arrangiert.
Sehr gute Frage ... (Überlegt kurz). Ich glaube, dass das Arrangieren
für mich trotzdem komplizierter ist als das Komponieren. Es sind
nämlich immer so viele Faktoren da, vor allem bei Auftragskompositionen,
die schon vorgegeben sind. „Ferry, schreib pannonisch, oder
wir haben die Besetzung soundso …“ Beim Arrangieren ist es die
Musik von jemandem, der halt die Melodie schreiben oder singen
konnte und das war´s. Und dann komme ich ins Spiel mit dem Rest.
Jetzt muss ich schauen, dass ich seinen Geschmack, sein Niveau
treffe – wie viel musikalische Melodie oder Harmonie verträgt es.
Das ist immer meine größte Schwierigkeit. Denn bei der Eigenkomposition
denk ich gar nicht nach. Die Harmonie ist von mir, aus,
Ende, das ist meine Komposition. Aber als Arrangeur musst du
irgendwie – ich vergleiche das immer mit einem Schneidermeister
–, du musst maßgenau schneidern. Ich kann nicht einfach hergehen
und sagen, da wäre es so besser oder so wäre es schöner. Es muss
auf diesen Körper passen und der- oder diejenige muss sich wohl
fühlen, wenn er oder sie in den Spiegel schaut. „Wow, jetzt schau
ich 20 Jahre jünger aus!“ Und um ganz ehrlich zu sein, oft nervt es
mich wahnsinnig, das Arrangieren. Wirklich wahnsinnig! Es glauben
ja viele, sie haben jetzt den Hit des Jahrhunderts geschrieben und
dann sind sie nicht selber fähig, ihn zu instrumentieren. Der große
Druck lastet letztlich auf mir. Wenn es nicht der große Hit wird, dann
liegt es am Arrangeur ... Dann hätte man es anders arrangieren
müssen und nicht anders komponieren. Das habe ich oft bei der
Schlagerfirma in Tirol erlebt. Und da war ich der Dumme. Es kommt
aber darauf an. Ich habe ja sehr viele Arrangements für klassische
Musiker und Formationen der Wiener Philharmoniker geschrieben.
Das ist eine andere Welt. Wenn die merken, dass ich musikalisch
schreibe, dann ist die Reaktion meistens: „Wow, Ferry, super!“ Die
kannst du mit deiner Musikalität begeistern. Einen Laien, der halt
irgendwie ein Lied zusammengebracht hat, den mit Musikalität zu
begeistern ... der würde sein eigenes Lied nicht mehr erkennen,
wenn ich wirklich was draus mache.
So, die schwierigste Frage zum Schluss: Was bedeutet Musik
für dich?
Oh, das ist ganz einfach zu beantworten: ALLES. Punkt.
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