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Die Musiksprache Olivier Messiaens im

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3 Quatuor pour la fin du temps<br />

Das Klavier war, wie die übrigen Instrumente, in einem<br />

schlechten Zustand: einige Tasten konnten sich nicht<br />

von selber wieder erheben, nachdem sie gedrückt wurden.<br />

Wenigstens hatten nun alle vier ihr Instrument<br />

zum Proben.<br />

Von diesem Moment an, war das Musiker-Quartett<br />

sehr beschäftigt. Sie gaben regelmässig Kammermusikkonzerte<br />

und übten für <strong>Messiaens</strong> „Quatuor pour la fin<br />

du Temps“. Sie hatten vier Stunden Übungszeit nach<br />

den Arbeitsstunden. Doch die Umstände waren alles<br />

andere als ideal: <strong>Die</strong> Theaterbaracke war allen Gefangenen<br />

zugängig und es war schwierig, wenn nicht unmöglich,<br />

einen ruhigen Moment zu finden. Ausserdem,<br />

war <strong>Messiaens</strong> Quartett <strong>im</strong> Stil absolut neu zu dieser<br />

Zeit und verlangte den drei Anderen technisch sowie<br />

musikalisch das Letzte ab. Nach einigen Monaten<br />

proben, war es dann schliesslich so weit: <strong>Die</strong> letzten<br />

Anpassungen waren vorgenommen und die Premiere<br />

konnte am 15. Januar 1941 <strong>im</strong> Stalag VIII A stattfinden.<br />

Als sich herumgesprochen hatte, dass eine Premiere<br />

eines bekannten französischen Komponisten <strong>im</strong> Lager<br />

vorgeführt werden soll, haben sich die Billette <strong>im</strong><br />

Handumdrehen verkauft.<br />

<strong>Die</strong> Theaterbaracke, welche <strong>im</strong> Max<strong>im</strong>um 400 Zuschauer<br />

fasste, war voll:<br />

The most diverse classes of society were<br />

mingled : farmers, factory workers, intellectuals,<br />

professional servicemen, doctors,<br />

and priests. 4<br />

Viele unter den Zuschauern hörten Kammermusik<br />

zum ersten Mal und die Ruhe <strong>im</strong> Saal zu erlangen war<br />

schwierig. Aber sie schafften es, und mehr noch:<br />

Everyone listened reverently, with an almost<br />

religious respect. 5<br />

Never before had I been listened to like<br />

that. . . Even if these people knew nothing<br />

about music, they readily understood that<br />

this was something special. 6<br />

3.2 Analyse<br />

Das Thema des Quartetts stammt aus der Offenbarung,<br />

Kapitel 10. Ein gewaltiger Engel, von einer Wolke<br />

bedeckt und mit einem Regenbogen über dem Haupt,<br />

steigt vom H<strong>im</strong>mel herab und verkündet das Ende der<br />

Zeit:<br />

4Messiaen, in [6], p. 63<br />

5Pasquier, in [6], p. 69<br />

6Messiaen, in [6], p. 69<br />

7Préface von [2]<br />

8Messiaen, Préface von [2]<br />

10<br />

„Je vis un ange plein de force, descendant<br />

du ciel, revêtu d’une nuée, ayant un arcen-ciel<br />

sur la tête. Son visage était comme<br />

le soleil, ses pieds comme des colonnes<br />

de feu. Il posa son pied droit sur la<br />

mer, son pied gauche sur la terre, et, se<br />

tenant debout sur la mer et sur la terre, il<br />

leva la main vers le Ciel et jura par Celui<br />

qui vit dans les siècles des siècles, disant:<br />

Il n’y aura plus de Temps; mais au jour de<br />

la trompette du septième ange, le mystère<br />

de <strong>Die</strong>u se consommera.“ (Apocalypse de<br />

Saint Jean, Chapitre X). 7<br />

Hierbei geht es nicht um eine bevorstehende Katastrophe,<br />

sondern um den Stillstand der Zeit <strong>im</strong> positiven<br />

Sinne ewigen Lebens. Um dies zu illustrieren,<br />

verwendet Messiaen eine spezielle, eigens entwickelte,<br />

musikalische Sprache, dessen wichtigste Elemente <strong>im</strong><br />

Folgenden Kapitel, bei einer Auswahl an Sätzen herausgesucht<br />

und schliesslich thematisch zusammengeführt<br />

werden.<br />

3.2.1 Struktur<br />

Ce „Quatuor“ comporte 8 mouvements.<br />

Pourquoi? Sept est le nombre parfait, la<br />

création de 6 jours sanctifiée par le sabbat<br />

divin; le 7 de ce repos se prolonge dans<br />

l’éternité et devient le 8 de la lumière indéfectible,<br />

de l’inaltérable paix. 8<br />

Acht Sätze - der heilige Sabbat wird verlängert und<br />

zu einem achten Tag, der kein Ende mehr n<strong>im</strong>mt - der<br />

Stillstand der Zeit.<br />

Betrachtet man die Instrumentenkonstellation des<br />

Quartetts, finden wir eine interessante symmetrische<br />

Struktur: Abb. 19. Betrachtet man den achten Satz als<br />

Verlängerung des siebten, also wie ein „valeur ajouté“<br />

zu den vorangehenden Sätzen, erkennt man eine Symmetrieachse<br />

um den vierten Satz. <strong>Die</strong>se Struktur ist<br />

wie ein nicht umkehrbarer Rhythmus („rythme nonrétrogradable“):<br />

wenn wir die Konstellation umkehren<br />

ändert sich nichts.

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