Die Musiksprache Olivier Messiaens im
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Abgrund der Zeit, scheint aber noch ein kleiner Hoffnungssch<strong>im</strong>mer<br />
in der Gestalt eines Vogels. Für Messiaen<br />
sind Vögel zeitlose Tiere, die es bereits vor Jahrmillionen<br />
gegeben hat. Sie stellen für ihn das „Gegenteil<br />
der Zeit“ dar und deren Gesang die Musik Gottes.<br />
Das Stück kann in drei Abschnitte geteilt werden: A (T.<br />
1 - 13) - B (T. 14 - 29) - A’ (T. 30 - 44). <strong>Die</strong> beiden langsamen<br />
Teile A stehen für die angesprochene Trostlosigket<br />
(„désolé“ 17 ) und <strong>im</strong> lebendigen Mittelteil kontrastiert<br />
der Vogel <strong>im</strong> Gegenzug („ensoleillé, comme un oiseau,<br />
très libre de mouvement“ 18 ). Das Stück besitzt keine<br />
best<strong>im</strong>mte Metrik, die Takte haben keine feste Länge.<br />
<strong>Die</strong> Taktstriche unterteilen hier die einzelnen Melodiephrasen.<br />
Abschnitt A <strong>Die</strong> Melodie beginnt direkt mit der von<br />
Messiaen als „cadence mélodique“ 19 bezeichneten Figur<br />
(Abb. 31). <strong>Die</strong> Extremitäten der Figur bilden den<br />
von Messiaen heiss geliebten Tritonus. Seine Vorliebe<br />
zum Tritonus rührt von der natürlichen Resonanz her:<br />
[...] une oreille très fine perçoit nettement<br />
un fa dièze dans la résonance naturelle<br />
d’un ut grave. [...] Nous voici en présence<br />
du 1er intervalle à choisir: la quarte augmentée<br />
descendante. 20<br />
& 4 3<br />
Sopran ! !<br />
Der Tritonus übern<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> ganzen Stück eine vorherrschende<br />
Rolle.<br />
& # œ œ<br />
3 Quatuor pour la fin du temps<br />
cadence<br />
b œ œ œ ! !<br />
Abbildung 31: „Cadence mélodique“<br />
& ! !<br />
Eine zweite „formule mélodique“, Takt 11, bildet <strong>Messiaens</strong><br />
abgeändertes Thema von „Solveigs Lied“ aus<br />
„Peer Gynt“ von Edvard Grieg21 (siehe Abb. 32).<br />
aus „Solveigs Lied“, E. Grieg Ausschnitt QIII, T11<br />
& ! !<br />
Abbildung 32: „Formule mélodique“ von T. 11 <strong>im</strong><br />
Vergleich zum Ausschnitt von „Solveigs Lied“<br />
19 [3], ex. 76<br />
20 [3], p. 21<br />
21 [3], ex. 80, 83<br />
& ! !<br />
& ! !<br />
Mit den „valeurs ajoutées / retraites“, will Messiaen<br />
bewusst die Metrik, respektive Zeit, verbannen. Häufig<br />
erscheint am Ende einer Figur eine verkürzte Note<br />
(„valeur retraite“, z.B: Abb. 33). Abschnitt A ist in Modus<br />
2,2 geschrieben, der auch in den übrigen Abschnitten<br />
dominiert (vgl. [5]).<br />
+ +<br />
Abbildung 33: +: „valeur retraite“<br />
([2], QIII T2)<br />
Den Übergang von Abschnitt A zum Mittelteil bildet<br />
ein langes und starkes crescendo auf dem einzelnen<br />
Ton E. In einem Tempo von 44 für den Achtel dauert<br />
dies theoretisch 11s, was für einen Bläser sehr anspruchsvoll<br />
ist.<br />
Abschnitt B Der Mittelteil unterscheidet sich charakterlich<br />
stark vom ersten Teil. Be<strong>im</strong> Hören fällt Einem<br />
unmittelbar der Wechsel vom tieferen Register ins höhere,<br />
das erhöhte Tempo und die Verzierungen (Vorschlagsnoten,<br />
Triller) auf - charakteristisch für <strong>Messiaens</strong><br />
„style oiseau“. Harmonisch bewegt sich die Melodie<br />
hauptsächlich in Modus 2 und dessen Transpositionen,<br />
zudem kommt aber noch Modus 4 (T. 14-17, T.<br />
21/22), Modus 1 (T. 23), Modus 3 (T. 27-29) und Modus<br />
7 (Ende T. 17) vor. Da für Messiaen jeder Modus und jede<br />
Transposition eine best<strong>im</strong>mte Farbe bedeuten (vgl.<br />
[6]), ist also der Mittelteil viel farbenfroher.<br />
Ende Takt 17 finden wir ein absteigendes Arpeggio<br />
über einen Dominantvorhaltakkord da X mit anschliessender<br />
Auflösung (Abb. 34) und in Takt 19 eine Mischung<br />
von Resonanzakkord (ar X) mit einem Quartenakkord.<br />
<strong>Die</strong> Verbindung wird ermöglicht indem vom<br />
ursprünglichen Resonanzakkord ar X das G in ein Fis<br />
umgeschrieben wurde. Der Quartenakkord startet von<br />
ebendiesem Fis aus (Abb: 35).<br />
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