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Fortbildungen / Formations continues 2012 - IUMSP

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Atemnot und<br />

Erstickungsangst bei<br />

Tumoren<br />

Jürg Ackeret, Klinischer Psychologe, Fachpsychologe für<br />

Psychotherapie FSP/VOPT, Valens und Sargans<br />

Ausgangspunkt<br />

Atembeschwerden werden bezüglich Qualität und Intensität<br />

subjektiv äußerst unterschiedlich empfunden. Das<br />

Erleben der damit verbundenen Ängste reicht von leichten,<br />

vagen Befürchtungen bis zu Todesangst, die Intensität<br />

der Emp�ndung kann kontinuierlich variieren und<br />

innert kurzer Zeit bis zu Panikzuständen und dem Gefühl<br />

akuter Lebensbedrohung ansteigen. Panik wird von<br />

Gedanken im Zusammenhang mit Lebensbedrohung begleitet<br />

und basiert auf einem Mechanismus, der ursprünglich<br />

entstand, um vor einem drohenden Erstickungstod<br />

zu warnen. Diese Erkenntnis stammt von Tierversuchen<br />

amerikanischer Forscher der Universität von Iowa. Äußerliches<br />

Zeichen der Atembeschwerden ist eine �ache und<br />

schnelle Atmung, die im Ruhezustand, aber oft erst über<br />

das Sprechen deutlich und bewusst wahrgenommen wird.<br />

Anlässe, Wahrnehmung und Folgen des Symptoms der<br />

erschwerten Atemtätigkeit, in der Fachsprache auch als<br />

Dyspnoe bezeichnet, können vielfältig sein. Dyspnoe tritt<br />

als Folge vieler Erkrankungen auf, beispielsweise bei kardialer<br />

Insuf�zienz oder Lungenkrankheiten, aber auch bei<br />

neurologisch bedingten Störungen des Atemzentrums.<br />

Atemnot ist eines der von Menschen mit Tumoren am<br />

meisten gefürchteten Symptome. In der Beschreibung von<br />

Patienten fühlt sich Atemnot als existentielle Bedrohung<br />

an, so als ob jeder Atemzug der letzte wäre. Es geht in<br />

wörtlichem Sinn um einen Kampf um Lebenserhaltung.<br />

Diverse Lebensbereiche können davon betroffen sein, wie<br />

beispielsweise die Mobilität, soziale Beziehungen, Schlaf,<br />

Nahrungsaufnahme. Studien zeigten, dass eine von zwei<br />

Personen mit fortgeschrittener Krebserkrankung, unabhängig<br />

von der Art des Tumors, in den letzten Wochen<br />

an Dyspnoe leidet. Trotz supportiver onkologischer und<br />

palliativer Behandlung steigt die Dyspnoe in den letzten<br />

Tagen dramatisch an.<br />

Kausalität<br />

Die Ursachen für Dyspnoe sind multifaktoriell: physiologische,<br />

psychologische, soziale Faktoren können vorliegen.<br />

LUNGENKREBS<br />

Die physiologische Kausalität besteht aus einer Kombination<br />

der vorbestehenden Komorbidität, den direkten Auswirkungen<br />

des Tumors auf das Atemsystem und muskulär<br />

bedingten Ein�üssen wie Kachexie. Bei der letzteren handelt<br />

es sich um eine durch den tumorbedingten Gewichts-<br />

und Muskelverlust hervorgerufene Komplikation. Eine<br />

mögliche vorbestehende Erkrankung wäre die COPD.<br />

«Chronic Obstructive Pulmonary Disease» bezeichnet als<br />

Sammelbegriff eine Gruppe von Krankheiten der Lunge,<br />

die unter anderem auch durch Husten und Atemnot bei<br />

Belastung gekennzeichnet sind. Diese Faktoren stehen in<br />

enger Wechselwirkung. Das Erleben von Atemnot wird<br />

zudem modi�ziert von kognitiven und affektiven Funktionen.<br />

Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigten, dass<br />

die individuelle Interpretation des Symptoms und dessen<br />

Verständnis für die psychotherapeutische Behandlung von<br />

Bedeutung sind. Auch die Interpretation medizinischer<br />

Behandlungsinterventionen von Seiten der Patienten ist<br />

subjektiv eingefärbt. Es überrascht nicht, dass die Dyspnoe<br />

eine Folge von psychischer Anspannung und Angst generieren<br />

kann, ein Ablauf, der sich spiralförmig intensiviert.<br />

Atemnot, Ängste und Schmerz können sich in diesem<br />

Sinn verselbständigen und einen Circulus vitiosus hervorrufen,<br />

der schwer zu unterbrechen ist. Eine sachliche<br />

Beurteilung der Intensität der Atemnot und des damit<br />

zusammenhängenden, subjektiven Leidens sollte durch<br />

Fachleute vorgenommen werden.<br />

Zur Psychotherapie<br />

Aus dem bisher Gesagten geht als selbstverständlich hervor,<br />

dass bei akuter Lebensbedrohung Erstmaßnahmen<br />

von Seiten des medizinischen Betreuungsteams, das in<br />

der Erkennung der entsprechenden Parameter geschult<br />

ist, vorrangige Bedeutung zukommt. Die psychologische<br />

Unterstützung kann jedoch einen entscheidenden Beitrag<br />

zur Linderung der Beschwerden leisten. Es können in dem<br />

zur Verfügung stehenden, begrenzten Rahmen nur einige<br />

Anhaltspunkte gegeben werden.<br />

1. Wichtiger als die Wahl einer bestimmten Psychotherapie-Methode<br />

ist der Aufbau einer vertrauensvollen<br />

Beziehung. Diese Beziehung zum Patienten ist die<br />

Grundlage jeder zielorientierten Intervention. In Bezug<br />

auf die Gestaltung der Beziehungsebene ist die<br />

Empathie die handlungsleitende Dimension. Die empathische<br />

Kommunikation dient dem Aufbau dieser<br />

therapeutischen Beziehung, welche eine dauerhafte<br />

Kooperation ermöglicht.<br />

2. Die Veränderung des Atemmusters kann durch Patienten<br />

im Sinne einer tödlichen Gefahr erlebt und interpretiert<br />

werden. Sie emp�nden sich bei Kontrollverlust<br />

Schweizer Krebsbulletin � Nr. 2/<strong>2012</strong> 115

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