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Impfung in Zahnarztpraxen

Ausgabe 4/2022

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ZBW_4/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

25_BERUFSPOLITIK<br />

Patienten. Als angestellte Zahnärzt<strong>in</strong><br />

war ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren Praxis, da waren<br />

es auch mal 40 Patienten. Im<br />

Schnitt s<strong>in</strong>d es wohl acht Patienten<br />

vormittags und acht Patienten nachmittags.<br />

Sie haben gesagt, dass es für Sie als<br />

Frau nicht e<strong>in</strong>fach ist, abends oder<br />

nachts den Notfalldienst auszuführen.<br />

Wie lösen Sie dieses Problem?<br />

Ich gebe Ihnen e<strong>in</strong> Beispiel: Dieses Jahr<br />

b<strong>in</strong> ich am Heiligen Abend mit Notfalldienst<br />

dran. Ich b<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>erziehende<br />

Mutter, me<strong>in</strong>e Tochter ist nicht mehr<br />

ganz kle<strong>in</strong>, trotzdem braucht sie noch<br />

ihre Mama. Es ist schwierig, gerade am<br />

Heiligen Abend nachts das K<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong>e<br />

zu lassen. Das muss man gut organisieren.<br />

Manchmal kommt mir die<br />

Notfalldienste<strong>in</strong>teilung wie e<strong>in</strong> Lotteriespiel<br />

vor. Warum könnte man sich<br />

nicht überlegen, welche Zeiten für welche<br />

Kollegen am besten zu besetzen<br />

s<strong>in</strong>d? Für Eltern s<strong>in</strong>d die Schulferien<br />

e<strong>in</strong> Problem. Wir Eltern müssen immer<br />

e<strong>in</strong>en Plan B f<strong>in</strong>den und Kompromisse<br />

treffen. Das geht schon, aber es ist<br />

nicht immer leicht. Ich habe mich nicht<br />

beschwert, dass ich am Heiligen Abend<br />

Notdienst habe. Ich verstehe das, ich<br />

b<strong>in</strong> verpflichtet und ich muss auch mal<br />

dran se<strong>in</strong>. Und nur weil ich alle<strong>in</strong>erziehende<br />

Mutter b<strong>in</strong>, will ich auch ke<strong>in</strong>e<br />

Sonderbehandlung haben. Aber schön<br />

ist es nicht und Sie haben mich gefragt,<br />

wie ich mich als Frau und als Mutter<br />

fühle und dann sag ich Ihnen: Der Spagat<br />

zwischen Familie und Beruf ist hier<br />

besonders schwierig. Trotzdem liebe<br />

ich me<strong>in</strong>en Beruf.<br />

Haben Sie als Frau e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Situation<br />

im Notfalldienst erlebt, die für Sie<br />

bedrohlich war?<br />

Ja, das habe ich. Seitdem ich selbständig<br />

b<strong>in</strong>, gab es e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e etwas gefährliche<br />

Situation, aber da war dann<br />

auch die Polizei dabei. Da kam e<strong>in</strong>er<br />

mit Handschellen aus dem Gefängnis<br />

zu mir <strong>in</strong> die Praxis. Da habe ich mich<br />

nicht wohlgefühlt, weil man ja nicht<br />

weiß, wie die Menschen reagieren. Der<br />

Mann ist gekommen, weil er höllische<br />

Schmerzen hatte, er hatte auch panische<br />

Angst vor Spritzen und wollte den<br />

Mund nicht aufmachen. Die Polizei<br />

wollte, dass ich ihn behandle. Aber ich<br />

kann ja niemanden zw<strong>in</strong>gen. Das war<br />

schon e<strong>in</strong>e Situation, bei der ich dachte:<br />

Oh Gott, am liebsten würde ich jetzt<br />

woanders se<strong>in</strong>. Und als angestellte<br />

Zahnärzt<strong>in</strong> hatte ich auch e<strong>in</strong>en Fall,<br />

da kam e<strong>in</strong> Drogensüchtiger und ich<br />

war unsicher, was ich sagen soll, damit<br />

er nicht überreagiert. Der Mann war<br />

wie <strong>in</strong> Trance und hatte zudem noch<br />

e<strong>in</strong>en großen Hund dabei. Und wir am<br />

Stuhl s<strong>in</strong>d ja alles Frauen – me<strong>in</strong>e Helfer<strong>in</strong>nen<br />

s<strong>in</strong>d alle noch sehr jung. Klar<br />

hat man dann Respekt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />

Situation. Aber sowas passiert auch<br />

tagsüber, zum Beispiel, dass Betrunkene<br />

<strong>in</strong> der Praxis anfangen zu schreien<br />

und zu randalieren, wenn sie kurz warten<br />

müssen. Wir erleben immer wieder<br />

Situationen, die mit Vorsicht zu genießen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Bis jetzt habe ich aber nie e<strong>in</strong>en Patient<br />

abgelehnt. Zu me<strong>in</strong>em Lebensgefährten<br />

habe ich aber gesagt, wenn nachts<br />

jemand anruft und ich <strong>in</strong> die Praxis<br />

muss, dann muss er mitkommen, alle<strong>in</strong>e<br />

gehe ich nicht.<br />

Gibt es beim Notfalldienst auch schöne<br />

Aspekte? Situationen, die Sie positiv<br />

überrascht haben?<br />

Ja, selbstverständlich – und das gilt<br />

nicht nur für den Notdienst! Wenn<br />

man sieht, dass man helfen kann, dass<br />

man jemanden von Schmerzen befreien<br />

kann, dann sieht man die Dankbarkeit<br />

und das Glitzern <strong>in</strong> den Augen der<br />

Patienten. Das s<strong>in</strong>d unbezahlbare Momente.<br />

Das gibt uns Kraft, nach vorne<br />

zu schauen und zu sagen, das ist gut,<br />

was wir hier machen. Das ist immer e<strong>in</strong><br />

sehr schönes Erlebnis. Wir als Zahnärzte,<br />

die wir mit Menschen arbeiten,<br />

s<strong>in</strong>d privilegiert, weil wir immer dieses<br />

positive Feedback bekommen.<br />

Haben Sie e<strong>in</strong>e Idee, ob sich der Notfalldienst<br />

im ländlichen Bereich anders gestaltet<br />

als beispielsweise <strong>in</strong> der Stadt?<br />

Da b<strong>in</strong> ich etwas überfragt, aber ich<br />

denke, dass die Leute auf dem Land<br />

nicht wegen jeder Kle<strong>in</strong>igkeit nachts<br />

anrufen. Die halten mehr aus und gehen<br />

erst am Montag. Das ist me<strong>in</strong>e<br />

Empf<strong>in</strong>dung auf Grundlage der Gespräche<br />

mit Kollegen: Je größer die<br />

Stadt, desto mehr Notfälle.<br />

Und e<strong>in</strong> aktuelles Thema: Hat Corona<br />

den Notfalldienst verändert?<br />

Für uns hat sich gar nichts geändert,<br />

überhaupt nicht. Die Hygienemaßnahmen<br />

s<strong>in</strong>d dieselben, egal ob der Patient<br />

Hepatitis, Aids oder Corona hat. Unsere<br />

Hygienemaßnahmen s<strong>in</strong>d bei allen<br />

Patienten gleich hoch. Es ist auch richtig,<br />

dass wir Zahnärzte nicht zwischen<br />

geimpften und ungeimpften Patienten<br />

unterscheiden. Wir s<strong>in</strong>d Zahnärzte<br />

und ke<strong>in</strong>e Richter!<br />

Was ist, wenn Sie mal den Notfalldienst<br />

nicht übernehmen können? Wie helfen<br />

Sie sich dann weiter? S<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Netzwerk organisiert?<br />

Zuerst schauen wir untere<strong>in</strong>ander, ob<br />

wir e<strong>in</strong>e andere Praxis f<strong>in</strong>den, die für<br />

uns e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen kann. Bei uns im Kreis<br />

Ravensburg wird ständig von anderen<br />

Praxen angerufen, um zu klären, ob jemand<br />

den Notfalldienst übernehmen<br />

oder tauschen kann. Und wenn das<br />

nicht klappt, dann melden wir uns bei<br />

der Bezirksdirektion Tüb<strong>in</strong>gen und fragen,<br />

ob die was wissen. Ich weiß aber<br />

zum Beispiel, dass am Heiligen Abend<br />

niemand tauschen will, da muss ich es<br />

erst gar nicht erst versuchen. Dann machen<br />

me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d und ich dieses Jahr<br />

eben Bescherung <strong>in</strong> der Praxis (lacht).<br />

Halten Sie die Regelung, dass sich Zahnärzt<strong>in</strong>nen<br />

ab der Schwangerschaft bis<br />

zum vollendeten dritten Lebensjahr des<br />

K<strong>in</strong>des vom Notfalldienst befreien lassen<br />

können, für familientauglich? Gäbe<br />

es e<strong>in</strong>e Lösung, die der Vere<strong>in</strong>barkeit<br />

von Familie und Beruf besser entgegenkommen<br />

würde?<br />

Ja, es wäre wirklich e<strong>in</strong>e große Hilfe für<br />

Frauen mit kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern, wenn sie<br />

länger als diese drei Jahre befreit wären.<br />

Wenn es so wäre, dass man zum<strong>in</strong>dest<br />

vom nächtlichen Notfalldienst befreit<br />

wäre, dann wäre das sicherlich schon<br />

e<strong>in</strong>e große Erleichterung. Denn tagsüber<br />

lässt sich gut e<strong>in</strong>e Betreuung organisieren,<br />

tags ist der Notdienst gut<br />

machbar. Aber nachts lasse ich me<strong>in</strong>e<br />

14-jährige Tochter immer noch nicht<br />

gerne alle<strong>in</strong>e.<br />

Haben Sie sich denn, als Sie schwanger<br />

waren und als Ihre Tochter kle<strong>in</strong> war,<br />

vom Notfalldienst befreien lassen?<br />

Ja, das habe ich gemacht. Das war richtig<br />

gut.<br />

Fühlen Sie sich von der KZV BW gut betreut<br />

bei der Durchführung des Notfalldiensts?<br />

Würden Sie sich etwas wünschen?<br />

Ich fühle mich sehr gut betreut. Wenn<br />

wir e<strong>in</strong>e Frage haben, dann ist die Bezirksdirektion<br />

die erste Station, bei der<br />

wir anrufen und nachfragen und da<br />

gibt es immer jemanden, der uns e<strong>in</strong>e<br />

Antwort gibt oder uns hilft, Dienste zu<br />

tauschen. Das ist schon sehr gut.

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