FAMILIENBANDE TEIL 2 UNI MIT ... KIND(ER)LEICHT GEMACHT ...
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TEXT: DIPL.-PäD. JEaNNETTE WINDhEUSEr, Genderlehrauftrag WS 09 / 10<br />
KRITIK ALS PROGRAMM<br />
Einführung in<br />
dekonstruktive / queere<br />
Pädagogik<br />
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Lust darauf hat, mit so einem<br />
Menschen zu schlafen [gemeint ist eine unoperierte, aber hormonell behandelte,<br />
transsexuelle Person, Anm. JW]« – so eine Studentin, die im Blockseminar<br />
zu dekonstruktiver/queerer Pädagogik, über eine Fernsehdokumentation<br />
berichtete. Aber warum können sich viele nicht vorstellen, dass es Lüste quer<br />
zu medial und gesellschaftlich vermittelter Vorstellungen von (Hetero-)Sexualität<br />
gibt? L Das Zitat und die provokante Fragestellung zeigen bereits, dass<br />
es im Seminar genug Anlass für intensive Diskussionen gab. Pädagogik steht<br />
vor der Aufgabe, Menschen bei der Auseinandersetzung mit Identität, Erwachsenwerden<br />
und Handlungsmöglichkeiten zu unterstützen. Zugleich müssen<br />
sich PädagogInnen zu Differenzen und den zugehörigen Herausforderungen<br />
sozialer Ungleichheiten und Diskriminierungen positionieren. L Dekonstruktive<br />
Pädagogik ist eine (aber nicht einheitliche) erziehungswissenschaftliche<br />
Perspektive und pädagogische Haltung, die sich stark aus poststrukturalistischen<br />
Theorien speist1 . Anfangs waren die zögerlichen Rezeptionen von Skepsis<br />
gegenüber Autorinnen wie beispielsweise Michel Foucault gekennzeichnet2<br />
. Foucault hatte mit »Die Ordnung der Dinge« (1974) und »Überwachen<br />
und Strafen« (1976) nicht nur das humanistische Subjekt infrage gestellt, sondern<br />
auch in wohlgemeinten pädagogischen Ansprüchen auf Autonomie und<br />
Mündigkeit disziplinierende und machtvolle Subjektivierungen ausgemacht.<br />
Bei Versuchen, produktiv mit poststrukturalistischer Kritik an Subjekt- und<br />
Identitätsvorstellungen umzugehen, zeigen sich vor allem die Impulse für<br />
reflektierende Erziehungswissenschaft und Pädagogik. L Um das nachzuvollziehen,<br />
sollte in dem Seminar zunächst eine theoretische, politische und<br />
kulturelle Annäherung an die Begriffe Dekonstruktion und Queer Theory erfolgen.<br />
Um genug Raum für Verstehensprozesse und Diskussionen zu lassen,<br />
bearbeiteten wir gemeinsam in umfangreichen Sitzungen Texte bzw. Text-<br />
1 Vgl. Fritzsche, Bettina/ Hartmann, Jutta/ Schmidt, Andrea/<br />
Tervooren, Anja (Hrsg.) (2001): Dekonstruktive Pädagogik.<br />
Erziehungswissenschaftliche Debatten unter poststrukturalistischen<br />
Perspektiven. (Leske+Budrich) Opladen<br />
2 Vgl. Balzer, Nicole (2004): Von den Schwierigkeiten, nicht<br />
oppositional zu denken. Linien der Foucault-Rezeption in<br />
der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft. in: Ricken,<br />
Norbert/ Rieder-Ladich, Markus (Hrsg.): Michel Foucault:<br />
Pädagogische Lektüren. (VS Verlag) Wiesbaden, S. 15–35<br />
3 Derrida, Jacques (2004): Die différance. in: Derrida, Jacques /<br />
Engelmann, Peter (Hrsg.): Die différance: Ausgewählte Texte.<br />
(Reclam) Stuttgart, S. 110–149<br />
Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. (Suhrkamp)<br />
Frankfurt am Main<br />
Hark, Sabine (2005): Dissidente Partizipation. Eine Diskursgeschichte<br />
des Feminismus. (Suhrkamp) Frankfurt am Main<br />
4 Vgl. Hieber, Lutz/ Villa, Paula-Irene (2007): Images von<br />
Gewicht. Soziale Bewegungen, Queer Theory und Kunst in den<br />
USA. (Transcript) Bielefeld<br />
passagen von Jacques Derrida, Judith Butler und<br />
Sabine Hark3 . Zunächst war den Studierenden der<br />
Bezug zur Pädagogik unklar. In der Auseinandersetzung<br />
mit politischen und kulturellen Bewegungen<br />
wie beispielsweise der Counter Culture 4 wurde<br />
zunehmend die gesellschaftliche und damit auch<br />
pädagogische Relevanz von dekonstruktiven und<br />
queeren Theorien deutlich. Nach diesem Blick auf<br />
theoretische und historische Bezüge heutiger antidiskriminierender<br />
Ansätze stiegen wir in die Vor-