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FAMILIENBANDE TEIL 2 UNI MIT ... KIND(ER)LEICHT GEMACHT ...

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Kein Zweifel, das Poster gefällt mir, drückt es doch in gleichem Maße Leich-<br />

tigkeit, Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein aus, Eigenschaften, die ich<br />

allen jungen Frauen, die eine akademische Karriere anstreben, wünsche.<br />

Vielleicht faszinierte mich dieses Poster auch deshalb, weil ich mich selbst<br />

so gar nicht darin wiederfand. Einen Lippenstift besitze ich schon und Professorin<br />

bin ich seit über sieben Jahren. Aber als eine Selbstverständlichkeit<br />

habe ich meine akademische Karriere nie betrachtet. Aufgewachsen in einer<br />

Berg arbeitersiedlung in Bochum-Langendreer war ich schließlich die Erste<br />

und Einzige in meiner Familie, die das Abitur machte. Odd man (sorry: woman)<br />

out? Zum Glück nicht, denn damals profitierte ich nicht nur von den Bildungsreformen<br />

der sechziger Jahre, sondern auch von der uneingeschränkten Unterstützung<br />

meiner Eltern und einer jungen Volksschullehrerin.<br />

Auch meine Großeltern spielten eine, wie ich heute weiß, bedeutende Rolle.<br />

Mein Großvater erzählte mir oft davon, dass er so manches Mal nicht in die<br />

Schule gehen durfte, weil er seiner früh verwitweten Mutter bei der Feldarbeit<br />

helfen oder für zehn Geschwister kochen musste. Meine kluge Großmutter, geboren<br />

1900 (heute würde man sie wohl als »Hochbegabte« bezeichnen), hatte<br />

aufgrund ihrer exzellenten Leistungen zwar eine Schulgeldbefreiung erhalten,<br />

musste das Gymnasium jedoch abbrechen, weil sie nach dem Tod ihres Vaters<br />

den Lebensunterhalt für die fünfköpfige Familie verdienen musste. Beide wurden<br />

nicht müde, mich daran zu erinnern, was für ein Glück es doch sei, dass ich<br />

ohne das teure Schulgeld auf ein Gymnasium gehen und lernen konnte. You‘ve<br />

never had it so good! Allerdings konnten mich all diese Erzählungen nicht so<br />

recht davon überzeugen, dass das zur-Schule-Gehen ein Glück sein sollte, vor<br />

allem wenn ich missmutig an meinen Mathe-Hausaufgaben saß. Beeindruckt<br />

hat mich aber die Begebenheit, als mein Vater 1964 mit mir in den einzigen<br />

Buchladen am Ort ging und mit einem 100-DM-Schein die Erstausstattung an<br />

Büchern für die Sexta kaufte. Er erhielt kein Rückgeld! Dafür bekam ich zum<br />

ersten Mal eine Ahnung davon, dass meine Eltern tief in die Tasche greifen<br />

mussten, um den Grundstock für mein Bildungskapital zu legen. Später wurde<br />

die Lehrmittelfreiheit eingeführt, die für mich bis heute ein unerlässlicher<br />

Bestandteil eines demokratischen Bildungswesens ist. (In Großbritannien<br />

werden übrigens sogar die Hefte und Stifte von der Schule gestellt.) Um jedoch<br />

Bildungskapital in einer heranwachsenden Generation zu akkumulieren,<br />

reicht es nicht aus, nur die materiellen Voraussetzungen zu sichern. Vielmehr<br />

muss der Bildungswille in Kindern und Jugendlichen, gerade wenn sie aus bildungsfernen<br />

Familien stammen, geweckt und erhalten werden.

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