SMZ Liebenau Info Mär_2007
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fortsetzung<br />
Psychoanalytische<br />
Behandlung sexueller Probleme<br />
Das Symptom wird in Szene gesetzt<br />
In abklärenden Gesprächen und therapeutischen<br />
Behandlungen von heterosexuellen<br />
Männern, deren Sexual- und Beziehungsleben<br />
durch vorzeitigen Samenerguss beeinträchtigt<br />
wurde, stellten sich bereits im Vorfeld<br />
der ersten Begegnung im Laufe der Zeit<br />
für mich überraschende Ähnlichkeiten ein:<br />
Ein deutliches „zu früh Kommen“ zum vereinbarten<br />
Erstgespräch, verbunden mit hoher,<br />
auch körperlich geäußerter Nervosität,<br />
Auf- und Abgehen im Wartezimmer, WC-<br />
Besuch. Daraufhin wurde jeweils, sobald<br />
wir uns gegenübersaßen, schnell und hastig<br />
das Symptom in den Raum gestellt, etwa<br />
in den Worten: „Ich komme beim Verkehr<br />
immer zu schnell. War schon beim Urologen<br />
deshalb. Der konnte nichts finden und<br />
sagte, das sei wohl psychisch. Was soll ich<br />
machen?“<br />
Wenn ich daraufhin meine Neugier bekundete,<br />
gerne mehr erfahren zu wollen, also<br />
über die Art der Beziehung, Gefühle zur<br />
Partnerin, über das gegenwärtiges Leben,<br />
wie denn aufgewachsen, usw., kamen häufig<br />
nur kurze, folgsame Antworten: Sonst<br />
sei alles in Ordnung, die Beziehung harmonisch,<br />
die Verhältnisse in der Herkunftsfamilie<br />
ganz normal, beruflich gäbe es keine<br />
Probleme.<br />
Die Tendenz der Reaktion dieser Patientengruppe<br />
lautete: „Was soll ich noch sagen.<br />
Ich habe schon alles gesagt. Was wollen<br />
Sie noch wissen, um mich behandeln zu<br />
können? Warum soll es denn zwischen diesen<br />
anderen Bereichen und der Sexualität<br />
überhaupt eine Verbindung geben?“<br />
Der Erwartungsdruck ist in dieser Situation<br />
ebenso hoch wie das Enttäuschungspotential.<br />
Viele Männer, die mit dem Symptom<br />
des vorzeitigen Samenergusses in die<br />
Sprechstunde kommen, äußern den klaren<br />
Wunsch, es solle so bald wie möglich, ohne<br />
lästiges ‚Herumreden’ beseitigt werden. Ein<br />
solcher Anspruch, verbunden mit der impliziten<br />
Drohung, andernfalls auf professionelle<br />
Hilfe zu verzichten und damit mich als<br />
Therapeutin für unfähig zu erklären, stellt<br />
mich vor eine schwierige Aufgabe: Es gilt ja,<br />
einem Anspruch zu begegnen bzw. einen<br />
professionellen Ruf zu verteidigen.<br />
Auf der anderen Seite verspürt jeder dieser<br />
Männer in sich selbst den enormen Druck,<br />
die (sexuellen) Erwartungen der Frau unbedingt<br />
erfüllen, sie also keinesfalls enttäuschen<br />
zu wollen. Die Angst vor Beschämung<br />
und Entwertung ist groß, die Gedanken daran<br />
prägen jede sexuelle Handlung schon<br />
im so genannten Vorspiel. Etwas von dieser<br />
Angst des Mannes verspüre ich selbst<br />
in der Position der Therapeutin: Wenn ich<br />
seine Erwartung nicht erfüllen kann, wird er<br />
mich entwerten.<br />
Die Art und Weise, in der sich das sexuelle<br />
Symptom (hier – der vorzeitige Samenerguss)<br />
unter uns in Szene setzt, muss nun<br />
– seitens des/der AnalytikerIn – übersetzt<br />
und in ihrer Bedeutung verstanden werden.<br />
Die unbewusste Mitteilung des männlichen<br />
Patienten könnte lauten: „Ich war so ungeduldig,<br />
so unter Druck, ich habe schon alles<br />
gesagt, schon alles hergeben. Ich bin<br />
wieder einmal zu früh ‚gekommen’, was<br />
machen wir jetzt miteinander? Sag mir, was<br />
ich sagen soll, ich will versuchen, alle Deine<br />
Erwartungen zu erfüllen. Aber wie? Verlass<br />
mich nicht.“<br />
Während der Patient sein Symptom mitteilt,<br />
geht es für den Therapeuten/die Therapeutin<br />
weder um passives Zuhören, noch um<br />
vorschnelles, pseudo-professionelles Agieren<br />
unter dem Motto: „Ich weiß, wie Ihre Störung<br />
entstanden und wie sie wieder zu beseitigen<br />
ist.“ Notwendig erscheint vielmehr<br />
die Ermutigung bzw. die Verführung zum<br />
Erzählen, zur Beachtung des scheinbar Nebensächlichen,<br />
Bedeutungslosen. Die psychoanalytische<br />
Haltung besteht in einer Art<br />
weiterführenden Wiedergabe des Verstandenen,<br />
in kontextgebundenen Fragen oder<br />
der Interpretation von Zusammenhängen<br />
mit dem Ziel, einen dialogischen Raum zu<br />
eröffnen, der trotz fehlender ‚schneller’ Antworten<br />
neugierig macht. Während dieses<br />
Prozesses kann eine erste Umwandlung<br />
einsetzen, die im Hinblick auf die Sinnhaf-<br />
08 <strong>SMZ</strong> INFO MÄRZ <strong>2007</strong>