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SMZ Liebenau Info Mär_2007

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Fortsetzung<br />

Psychoanalytische<br />

Behandlung sexueller Probleme<br />

Das Symptom wird in Szene gesetzt<br />

In abklärenden Gesprächen und therapeutischen<br />

Behandlungen von heterosexuellen<br />

Männern, deren Sexual- und Beziehungsleben<br />

durch vorzeitigen Samenerguss beeinträchtigt<br />

wurde, stellten sich bereits im Vorfeld<br />

der ersten Begegnung im Laufe der Zeit<br />

für mich überraschende Ähnlichkeiten ein:<br />

Ein deutliches „zu früh Kommen“ zum vereinbarten<br />

Erstgespräch, verbunden mit hoher,<br />

auch körperlich geäußerter Nervosität,<br />

Auf- und Abgehen im Wartezimmer, WC-<br />

Besuch. Daraufhin wurde jeweils, sobald<br />

wir uns gegenübersaßen, schnell und hastig<br />

das Symptom in den Raum gestellt, etwa<br />

in den Worten: „Ich komme beim Verkehr<br />

immer zu schnell. War schon beim Urologen<br />

deshalb. Der konnte nichts finden und<br />

sagte, das sei wohl psychisch. Was soll ich<br />

machen?“<br />

Wenn ich daraufhin meine Neugier bekundete,<br />

gerne mehr erfahren zu wollen, also<br />

über die Art der Beziehung, Gefühle zur<br />

Partnerin, über das gegenwärtiges Leben,<br />

wie denn aufgewachsen, usw., kamen häufig<br />

nur kurze, folgsame Antworten: Sonst<br />

sei alles in Ordnung, die Beziehung harmonisch,<br />

die Verhältnisse in der Herkunftsfamilie<br />

ganz normal, beruflich gäbe es keine<br />

Probleme.<br />

Die Tendenz der Reaktion dieser Patientengruppe<br />

lautete: „Was soll ich noch sagen.<br />

Ich habe schon alles gesagt. Was wollen<br />

Sie noch wissen, um mich behandeln zu<br />

können? Warum soll es denn zwischen diesen<br />

anderen Bereichen und der Sexualität<br />

überhaupt eine Verbindung geben?“<br />

Der Erwartungsdruck ist in dieser Situation<br />

ebenso hoch wie das Enttäuschungspotential.<br />

Viele Männer, die mit dem Symptom<br />

des vorzeitigen Samenergusses in die<br />

Sprechstunde kommen, äußern den klaren<br />

Wunsch, es solle so bald wie möglich, ohne<br />

lästiges ‚Herumreden’ beseitigt werden. Ein<br />

solcher Anspruch, verbunden mit der impliziten<br />

Drohung, andernfalls auf professionelle<br />

Hilfe zu verzichten und damit mich als<br />

Therapeutin für unfähig zu erklären, stellt<br />

mich vor eine schwierige Aufgabe: Es gilt ja,<br />

einem Anspruch zu begegnen bzw. einen<br />

professionellen Ruf zu verteidigen.<br />

Auf der anderen Seite verspürt jeder dieser<br />

Männer in sich selbst den enormen Druck,<br />

die (sexuellen) Erwartungen der Frau unbedingt<br />

erfüllen, sie also keinesfalls enttäuschen<br />

zu wollen. Die Angst vor Beschämung<br />

und Entwertung ist groß, die Gedanken daran<br />

prägen jede sexuelle Handlung schon<br />

im so genannten Vorspiel. Etwas von dieser<br />

Angst des Mannes verspüre ich selbst<br />

in der Position der Therapeutin: Wenn ich<br />

seine Erwartung nicht erfüllen kann, wird er<br />

mich entwerten.<br />

Die Art und Weise, in der sich das sexuelle<br />

Symptom (hier – der vorzeitige Samenerguss)<br />

unter uns in Szene setzt, muss nun<br />

– seitens des/der AnalytikerIn – übersetzt<br />

und in ihrer Bedeutung verstanden werden.<br />

Die unbewusste Mitteilung des männlichen<br />

Patienten könnte lauten: „Ich war so ungeduldig,<br />

so unter Druck, ich habe schon alles<br />

gesagt, schon alles hergeben. Ich bin<br />

wieder einmal zu früh ‚gekommen’, was<br />

machen wir jetzt miteinander? Sag mir, was<br />

ich sagen soll, ich will versuchen, alle Deine<br />

Erwartungen zu erfüllen. Aber wie? Verlass<br />

mich nicht.“<br />

Während der Patient sein Symptom mitteilt,<br />

geht es für den Therapeuten/die Therapeutin<br />

weder um passives Zuhören, noch um<br />

vorschnelles, pseudo-professionelles Agieren<br />

unter dem Motto: „Ich weiß, wie Ihre Störung<br />

entstanden und wie sie wieder zu beseitigen<br />

ist.“ Notwendig erscheint vielmehr<br />

die Ermutigung bzw. die Verführung zum<br />

Erzählen, zur Beachtung des scheinbar Nebensächlichen,<br />

Bedeutungslosen. Die psychoanalytische<br />

Haltung besteht in einer Art<br />

weiterführenden Wiedergabe des Verstandenen,<br />

in kontextgebundenen Fragen oder<br />

der Interpretation von Zusammenhängen<br />

mit dem Ziel, einen dialogischen Raum zu<br />

eröffnen, der trotz fehlender ‚schneller’ Antworten<br />

neugierig macht. Während dieses<br />

Prozesses kann eine erste Umwandlung<br />

einsetzen, die im Hinblick auf die Sinnhaf-<br />

08 <strong>SMZ</strong> INFO MÄRZ <strong>2007</strong>

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