Neue Szene Epaper 2023-07

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26 ZOOM Protest im Kurzformat Interview mit Verkehrswende- und Klimaaktivist Sebastian W arum hast du dich dazu entschieden, für die Mobilitätswende auf die Straße zu gehen? Tatsächlich hat mich eine Diskussion mit meiner achtjährigen Tochter dazu bewogen. Sie hat mich gefragt, warum immer noch überall so viele Autos herumfahren, obwohl wir damit unseren Planeten zerstören. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass vieles davon mit der Verkehrspolitik von Bundesverkehrsminister Volker Wissing zusammenhängt. Ihre Schlussfolgerung aus dem Gespräch lautete, dem Herrn Wissing müsste man doch mal die Meinung geigen. Ich musste noch lange darüber nachdenken, wie man das am besten anstellen könnte. Denn klar ist: davon, sich nur darüber aufzuregen, wird auf jeden Fall nichts passieren. Seit letztem Jahr bin ich Mitorganisator der Augsburger Kidical Mass (eine Fahrraddemo für Familien mit Kindern, Anm. d. Red.) und habe dabei verschiedene Leute vom ADFC und dem Klimacamp kennengelernt. Ich habe ihnen einfach mal von meiner Idee für ein Demo-Konzept erzählt und so kam der Stein ins Rollen. Was sind denn eure konkreten Forderungen? Wir demonstrieren gezielt an Orten in Augsburg, an denen Missstände in der Verkehrsführung bestehen. Das können z.B. Ampelschal-
ZOOM 27 Seit dem Frühjahr blockieren Sebastian und seine Mitstreiter*innen regelmäßig für jeweils eine Viertelstunde Straßen an verschiedenen Problemstellen im Augsburger Stadtverkehr. Damit wollen sie die Kommunal-, Landes- und Bundesregierung zur klimagerechten Umgestaltung ihrer Mobilitätspolitik auffordern. Im Interview erklärt der Initiator der 15-Minuten-Demos, welcher Gedanke hinter diesem Konzept steckt und inwiefern auch kleinere, alltagstaugliche Protestaktionen Wirkung zeigen können. Von Lina Frijus-Plessen tungen sein, die Fußgänger und Fahrradfahrer benachteiligen, gefährliche Engstellen oder fehlende Fahrradstreifen. Wir setzen uns dafür ein, dass Fahrradfahrern, Fußgängern und dem ÖPNV mehr Priorität im Straßenverkehr eingeräumt wird. Wir fordern in erster Linie von der Stadt Augsburg, aber auch darüber hinaus von der Landes- und Bundesregierung, dass endlich konkrete Maßnahmen für eine klima- und menschenfreundliche Verkehrspolitik ergriffen werden. Unsere Oberbürgermeisterin spricht gerne von der sogenannten Mobilitätsfreiheit, das ist schön und gut. Die muss man dann aber meiner Meinung nach aktiv so gestalten, dass die klimafreundlichen Optionen mindestens genauso attraktiv werden wie das Autofahren. Und was hat es mit dem 15-Minuten-Zeitfenster auf sich? Ich habe einen sehr vollgepackten Alltag und daher leider wenig Kapazitäten für stundenlange Protestaktionen. Aber mich für 15 Minuten auf die Straße zu stellen, bekomme ich auf jeden Fall hin, zum Beispiel in meiner Mittagspause oder nachdem ich meine jüngste Tochter in den Kindergarten gebracht habe. Außerdem versuchen wir, Rücksicht auf die Verkehrsteilnehmer zu nehmen und ihnen keine allzu großen Verspätungen zuzumuten. Denn unsere Demos sollen nicht in erster Instanz provozieren, sondern vor allem zum Nachdenken anregen. Wollt ihr damit auch bewusst einen Gegenentwurf zu den Protestaktionen der Letzten Generation schaffen? Ich würde es eher als Alternative beziehungsweise Ergänzung betrachten. Ich kann sehr gut verstehen, dass die Letzte Generation diese Protestformen wählt, aber ich persönlich kann und möchte mir solche Aktionen als Familienvater und Berufstätiger einfach nicht leisten. Die 15-Minuten-Demos sind also für Leute wie mich gedacht, die sich nicht stundenlang auf die Straße kleben, aber trotzdem aktiv für die Mobilitätswende engagieren wollen. Denkst du, dass man mit dieser gemäßigten Form des Protests mehr erreichen kann als mit radikaleren Aktionen? Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen, denn unsere Demos laufen ja noch nicht allzu lange. Aber die Aufmerksamkeit, die wir im Moment bekommen, zeigt zumindest schon mal, dass der Weg nicht ganz verkehrt ist. Wie viel wir damit tatsächlich bewirken können, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Jedenfalls bietet Augsburg noch einiges an Protestpotenzial. So schnell werden uns die Problemstellen im Straßenverkehr sicher nicht ausgehen. Viele Klimaaktivist:innen erfahren aus Politik und Gesellschaft zum Teil extreme Anfeindungen. Wie ist das bei euch, wie sind die bisherigen Reaktionen auf eure Demos ausgefallen? Natürlich hat man immer den einen oder anderen Autofahrer, der im Vorbeifahren unflätige Gesten zeigt oder uns aus dem Fenster Beleidigungen zuruft. Aber dass man mit einer Demonstration auch aneckt, liegt nun mal in der Natur der Sache. Die Polizei begleitet unsere angemeldeten Demos und leitet den Verkehr um, was viel Konfliktpotenzial aus der Situation herausnimmt. Dafür sind wir sehr dankbar. So muss niemand 15 Minuten im Stau stehen, sondern nur einen kurzen Umweg in Kauf nehmen. Genau darum geht es, dass unsere Demos unkompliziert, reibungslos und friedlich ablaufen. In meinem privaten Umfeld bekomme ich viel Unterstützung – vielleicht nicht von jedem volle Zustimmung, aber zumindest Verständnis. Denn jeder, der in Augsburg ab und zu Fahrrad fährt, zu Fuß geht oder den ÖPNV nutzt, kennt wahrscheinlich mindestens fünf Stellen, an denen man gegenüber dem Autoverkehr strukturell benachteiligt wird. Was wünschst du dir am meisten von der Augsburger Stadtpolitik? Dass sie ihre Arbeitsverweigerung unter dem Vorwand der Mobilitätsfreiheit einstellt und ernsthaft anfängt, diese notwendige Mobilitätswende proaktiv mitzugestalten. Die Ziele, die sich die Stadtregierung setzt, sind ja häufig sinnvoll und richtig, aber die erreicht man nun mal nicht von allein, sondern muss auch wirklich etwas dafür tun.
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