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Benedikt Hensel | Christian Wetz (Hrsg.): Migration und Theologie (Leseprobe)

Im Kontext wissenschaftlich reflektierter Theologie sind Migration sowie die zugehörigen Themenfelder Flucht und Vertreibung im gesamten Fächerkanon zu einem breit diskutierten und hochaktuellen Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. Ein Desiderat ist allerdings die konsequente Reflexion des Themas in der Theologie des Alten wie auch des Neuen Testaments. Die unterschiedlichen theologischen Prägungen der Bücher und Sammlungen der Bibel lassen das Thema Migration in je anderen, aber zentralen Akzentuierungen zum Vorschein kommen. Der innovative Band schließt diese Lücke, indem die Einzelbeiträge thematisch breit aufgestellt die Geltungsansprüche alt- und neutestamentlicher Migrationsthematik im Okular ihres komplexen Verhältnisses von Historie, Theologie und literarischer Genese der Traditionskomplexe betrachten und hermeneutisch reflektieren.

Im Kontext wissenschaftlich reflektierter Theologie sind Migration sowie die zugehörigen Themenfelder Flucht und Vertreibung im gesamten Fächerkanon zu einem breit diskutierten und hochaktuellen Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. Ein Desiderat ist allerdings die konsequente Reflexion des Themas in der Theologie des Alten wie auch des Neuen Testaments. Die unterschiedlichen theologischen Prägungen der Bücher und Sammlungen der Bibel lassen das Thema Migration in je anderen, aber zentralen Akzentuierungen zum Vorschein kommen. Der innovative Band schließt diese Lücke, indem die Einzelbeiträge thematisch breit aufgestellt die Geltungsansprüche alt- und neutestamentlicher Migrationsthematik im Okular ihres komplexen Verhältnisses von Historie, Theologie und literarischer Genese der Traditionskomplexe betrachten und hermeneutisch reflektieren.

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Melanie Köhlmoos<br />

Wo liegt das »Feld Moabs«?<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Genealogie in Rut <strong>und</strong> 1 Chronik<br />

1. Einleitung<br />

Das Rutbuch erzählt von drei <strong>Migration</strong>svorgängen: Der Emigration Elimelechs<br />

<strong>und</strong> seiner Familie, der Remigration Naomis <strong>und</strong> der Immigration Ruts. Alle drei<br />

Vorgänge haben ihre eigenen Probleme <strong>und</strong> Fragestellungen bei sich. Das Rutbuch<br />

verbindet alle drei zu einer narrativen Einheit. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird die<br />

Differenzierung häufig übersehen <strong>und</strong> das Rutbuch auf die Frage der Legitimität<br />

exogamer Ehen zugespitzt.<br />

An dieser Stelle soll ein etwas anderer Weg beschritten werden. Im Rutbuch<br />

ist die <strong>Migration</strong> nicht nur die Bühne für die Frage nach der Erlaubtheit bestimmter<br />

Ehen, sondern die Gelegenheit zur Frage, wer unter welchen Umständen<br />

Bürgerrecht in <strong>und</strong> an Israel hat. Dabei ist das Rutbuch eindeutig als Gegenentwurf<br />

zu den Büchern Esra <strong>und</strong> Nehemia zu sehen: Nicht die Emigranten haben<br />

Israel rein erhalten, sondern sie sind es, die Israel durch die Emigration<br />

gefährden. Nicht die Daheimgebliebenen lösen die Grenzen zwischen Israel <strong>und</strong><br />

den Völkern auf, sondern sorgen für deren heilvolle Aktualisierung. 1<br />

Die historische Parabel des Rutbuchs erzählt aber nicht einfach eine Geschichte,<br />

die im Unterschied zu Esra <strong>und</strong> Nehemia exogame Ehen befürwortet.<br />

Vielmehr stellt auch das Rutbuch die Frage nach Israels Identität mit denselben<br />

Kategorien wie Esra <strong>und</strong> Nehemia: Ethnizität <strong>und</strong> Tora-Observanz. 2 Ergänzt werden<br />

diese Kriterien im Rutbuch um zwei weitere: Territorium <strong>und</strong> Genealogie.<br />

Sie stehen in enger Verbindung zu 1 Chr 1---9. Die Frage des Rutbuchs ist somit<br />

nicht nur: »Wer gehört zu Israel?«, sondern auch »Wo liegt Israel?«.<br />

Nicht-Israel bestimmt sich im Rutbuch bekanntlich als Moab. Das gilt hauptsächlich<br />

hinsichtlich der Hauptfigur. Rut ist nicht nur einfach eine Fremde<br />

(nākrījjāh: nur Rut 2,10), sondern von Anfang bis Ende eine »moabitische Frau«<br />

(Rut 1,3) bzw. »die Moabiterin« (2,2.6; 4,5.10). Doch auch das Territorium Moab<br />

ist für das Rutbuch signifikant. Welches territoriale Bild Moabs das Rutbuch<br />

1<br />

Dazu ausführlich: <strong>Hensel</strong>, Ethnic Fiction, 134---148.<br />

2<br />

Vgl. Köhlmoos, Buch, 15f u.ö.; <strong>Hensel</strong>, Ethnic Fiction, 136f.

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