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Stahlreport 2023.07

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Beispiel: Import längsnahtgeschweißter Rohre aus der Türkei<br />

Ausgangsprodukt: Stahlbrammen mit russischem Ursprung<br />

Vorprodukt:<br />

warmgewalzte Bleche mit türkischem Ursprung (Ursprungswechsel durch<br />

Auswalzen der Brammen in der Türkei)<br />

Endprodukt: längsnahtgeschweißte Rohre mit türkischem Ursprung<br />

(Rohrfertigung in der Türkei durch Verarbeitung der warmgewalzten<br />

Bleche mit türkischem Ursprung)<br />

Die Einfuhr der längsnahtgeschweißten Rohre ist ab dem 01.10.2024 gem.<br />

Art. 3 g Abs. 1 Buchstabe d) der Verordnung (EU) 833/2014 verboten,<br />

da die Rohre unter Verwendung von in Anhang XVII dieser Verordnung<br />

aufgeführten Eisen- und Stahlerzeugnisse mit Ursprung in Russland – d.h.<br />

Stahlbrammen der Zolltarifnummer 72071210 – verarbeitet wurden.<br />

Die Tatsache, dass die Brammen durch die Verarbeitung zu Blechen in der<br />

Türkei den türkischen Ursprung erlangt haben, ist irrelevant, desgleichen,<br />

dass die Bleche erneut intensiv zu längsnahtgeschweißten Rohren<br />

weiterverarbeitet wurden (was eine weitere den türkischen Ursprung<br />

begründende Be- oder Vearbeitung beinhaltet).<br />

diese Unterteilung anknüpfenden<br />

Übergangsvorschriften in Artikel 3g<br />

der Verordnung (EU) 833/2014 – da<br />

die entsprechenden Übergangsfristen<br />

zwischenzeitlich abgelaufen<br />

sind.<br />

Die Neufassung des Anhanges<br />

XVII dürfte aber nichts daran<br />

ändern, dass der Anhang nahezu<br />

alle Stahl-(handels-)erzeugnisse<br />

erfasst. Daher haben das Importverbot<br />

und die neue Nachweispflicht<br />

einen sehr weiten Anwendungsbereich.<br />

Hinzu kommt, dass der Begriff<br />

der Stahlvorprodukte, unter dessen<br />

Verwendung eine Verarbeitung im<br />

Drittland stattgefunden hat, weit zu<br />

verstehen ist: Nach Angaben der<br />

Kommission greift das Verbot gemäß<br />

Art. 3 g Absatz 1 Buchstabe d der<br />

Verordnung (EU) 833/2014, sobald<br />

ein Vorprodukt oder Ausgangsprodukt<br />

mit russischem Ursprung für<br />

die Produktion des Endproduktes<br />

verwendet wurde oder ein solches<br />

Produkt in dem Endprodukt enthalten<br />

ist, das in Anhang XVII aufgeführt<br />

ist. Eine ursprungsbegründende<br />

Be- oder Verarbeitung der<br />

Stahlvorprodukte im Herkunftsland<br />

der Ware ist für die Wirkung des<br />

Verbotes dagegen ohne Belang<br />

(siehe Beispiel).<br />

Prüfbescheinigungen<br />

als Nachweise<br />

Schließlich stellt sich die Frage, in<br />

welcher Form die Nachweise über<br />

den Ursprung der Stahlvorprodukte,<br />

die für die Verarbeitung der in<br />

Anhang XVII aufgeführten Eisenund<br />

Stahlerzeugnisse verwendet<br />

wurden, zu erbringen sind. Hierzu<br />

hat die Kommission in einem Beitrag<br />

vom 18.07.2023 in ihren FAQ 1<br />

mitgeteilt, dass es als ausreichender<br />

Nachweis erachtet wird, wenn der<br />

Ursprung der Stahlvorprodukte,<br />

unter deren Verwendung die importierten<br />

Produkte hergestellt wurden,<br />

durch Prüfbescheinigungen (mill<br />

test certificates, MTC) nachgewiesen<br />

würde.<br />

Insbesondere soll bei der Einfuhr<br />

von Halbzeug eine Prüfbescheinigung<br />

vorgelegt werden, aus der<br />

sich der Name des Betriebes, in dem<br />

die Produktion stattfindet, der Name<br />

des Landes, das der Schmelzennummer<br />

entspricht (country of the ladle<br />

of melting) sowie die Einreihung des<br />

Erzeugnisses in die Unterposition<br />

(sechstelliger Code) ergibt. Bei Fertigprodukten<br />

soll zusätzlich durch<br />

eine oder mehrere Prüfbescheinigungen<br />

(falls alle relevanten Informationen<br />

nicht in einer Prüfbescheinigung<br />

zusammengefasst werden<br />

können) nachgewiesen werden, in<br />

welchem Land und in welchem<br />

Betrieb die Weiterverarbeitung (z.B.<br />

Warm- oder Kaltwalzen, Schweißen,<br />

Verzinken etc.) stattgefunden hat.<br />

Daraus kann gefolgert werden,<br />

dass der Nachweispflicht bei Einfuhr<br />

gem. Art. 3g Absatz 1 Buchstabe d<br />

der Verordnung (EU) 833/2014 erst<br />

Genüge getan ist, wenn das<br />

Ursprungsland der Stahlschmelze,<br />

aus dem das jeweils importierte Stahlerzeugnis<br />

gefertigt ist, durch Vorlage<br />

der einer oder mehrerer Prüfbescheinigungen<br />

nachgewiesen ist.<br />

Fazit<br />

Unternehmen, die Stahlprodukte<br />

aus EU-Drittländern importieren,<br />

sollten sich bereits jetzt um geeignete<br />

Maßnahmen zum Nachweis<br />

über das Ursprungsland der Vorund<br />

Ausgangsprodukte bemühen.<br />

Lediglich die Einholung entsprechender<br />

Erklärungen des Lieferanten<br />

des importierten Endproduktes<br />

reicht nicht aus.<br />

Vielmehr müssen gem. den FAQ<br />

der Kommission bei der Einfuhr eine<br />

oder mehrere Prüfbescheinigungen<br />

vorgelegt werden, aus der bzw. aus<br />

denen sich ergibt, in welchem Land,<br />

von welchem Betrieb und mit welcher<br />

Schmelzennummer das Ausgangsmaterial<br />

erschmolzen wurde.<br />

Um daher bei der Einfuhr zur Erfüllung<br />

der Nachweispflichten in der<br />

Lage zu sein, sollte versucht werden,<br />

bei den Lieferanten des Endproduktes<br />

die Vorlage entsprechender Prüfbescheinigungen<br />

anzufordern, um<br />

damit die Herkunft des Stahls bis<br />

zum ursprünglichen Stahlhersteller<br />

nachweisen zu können. 2<br />

Tim Lieber, Rechtsanwalt<br />

bei Henseler&<br />

Partner Rechtsanwälte<br />

mbB<br />

1 Abrufbar unter: https://finance.ec.europa.eu/<br />

system/files/2023-07/faqs-sanctions-russia-listedgoods_en.pdf<br />

<strong>Stahlreport</strong> 7/8|23<br />

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