Christkatholisch_2023-15

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2 Christkatholisch 15/2023 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Hätte ich in der Antike gelebt, wäre die Sache einfacher gewesen. Zumindest für mich. Eine Naturkatastrophe vernichtet mein Haus? Ich verspekuliere mich in einer gewagten Unternehmung? Meine Familie und die Gemeinschaft wären rechtlich verpflichtet gewesen, für meine Schulden aufzukommen. Fall vom Tisch. Seither hat sich das Konzept von «Solidarität» um etliche Dimensionen erweitert und verändert. Einfach ist es keineswegs, wenn es darum geht für die Schuld(en) und Verfehlungen anderer aufzukommen oder deren Folgen abzumildern. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung stellt sich mittlerweile komplexer dar. Ein grundlegendes, überlebenswichtiges menschliches Format bleibt Solidarität dennoch. Eng damit verwoben ist die Frage der Macht. Wer sie klug und nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne aller Menschen einsetzt, handelt im Sinne des Lebens. Menschlichkeit und Ressourcen stehen dann der Gemeinschaft zur Verfügung und nicht hauptsächlich dem eigenen Ego. Was bewegt mich zum Handeln? Zudem als gläubiger Mensch? Jesus verkündete «… wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.» Bestätigt wurde dies bereits von Platon in der Antike: Egoisten leben nicht glücklicher! Corina Strenzl Inhalt THEMA Wo fängt Solidarität an – wo hört sie auf? Solidarität als Ausdruck der Gottesliebe 3 HINTERGRUND Interview mit Bruno Wirth, Landwirt in Olsberg AG Ohne Winzer kein Abendmahl 6 Präsident der Kirchgemeinde des Kantons Zürich René Fraefel: «Es ist wichtig, zur eigenen Kirche zu stehen» 8 PANORAMA Mutiger Aufbruch und besinnliche Momente Interreligiöses Gebet an der Badenfahrt 2023 10 Studie der FHNW bestätigt Kirchen gehören zu den wichtigsten sozialen Playern 11 Institut für Christkatholische Theologie der Universität Bern Lehrveranstaltungen im Hauptseminar 2023 12 AUS DEN GEMEINDEN Fricktal, Luzern, Grenchen, Laufen 16–18 AGENDA Baselland · Basel-Stadt 19 Kanton Aargau 20 Ostschweiz · Zürich 23 Das Motto des 100 Jahr Badenfahrt- Jubiläums lautete «NEO». Dies galt auch für den gelungenen Versuch ein interreligiöses Gebet mit musi kalischer Begleitung und Chor zu veranstalten. Foto: Shutterstock Kanton Bern 24 Kanton Solothurn 25 Luzern · Tessin 27 BIBELWORT Dienende Macht 28 WANDERAUSSTELLUNG «unterwegs» – Christkatholisch in St. Gallen 28 Richtlinien Leserbriefe Inhalt und Form von Leserbriefen haben gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen, damit sie veröffentlicht werden können. Sind diese nicht oder nur teilweise erfüllt, behält sich die Redaktion das Recht vor, Briefe um die betroffenen Stellen zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen. Im Folgenden die wichtigsten Anforderungen (nichtabschliessende Auflistung). Problematischer Inhalt persönliche Angriffe · primär politische Stellungnahmen · unwahrer Inhalt · Verstösse gegen den persönlichen Datenschutz · rechtswidriger Inhalt Problematische Form verletzende oder vulgäre Sprache · Länge über 2000 Zeichen · handschriftlicher oder abfotografierter/ gescannter Inhalt Disclaimer Der Inhalt von Artikeln widerspiegelt nicht die Meinung der Redaktion, der Redaktionskommission oder der Christkatholischen Kirche als Gesamtes. Verantwortlich dafür ist alleine die jeweilige Autorenschaft. Bilder/Fotos wurden der Redaktion zur Verfügung gestellt, entstammen kirchlichen Archiven oder sind unter der Creative-Commons-Lizenz zur freien Verwendung zugelassen. Mehr unter www.creativecommons.org.
Christkatholisch 15/2023 Thema 3 «Solidarität ist heute das grösste Fremdwort geworden. Bei vielen Touren, die Geld kosten, wird leider auch das Herz und die Seele verkauft. Willkommen bei der Selbstverwirklichung, koste es, was es wolle.» Als zweithöchster Berg der Erde ist der K2 eines der beliebtesten Ziele für Bergsteiger*innen. Foto: Shutterstock Zement, Balance und Puls der Gesellschaft Solidarität als Ausdruck der Gottesliebe Wenn wir nach «Solidarität» fragen, sollte man meinen, dass wir im Inhaltsverzeichnis der Bibel fündig werden. «Solidarität» findet sich aber weder im Alten noch im Neuen Testament. Ein Grundzug in vielen biblischen Erzählungen ist jedoch die wechselseitig solidarische Bindung zwischen dem einzelnen und der Gemeinschaft, vor allem innerhalb der Gemeinschaftsformen Familie, Sippe, Stamm und Volk (Genesis 2,23ff.; Richter 9,2). Auch der Ratschlag der Nächstenliebe (Johannes 13, 34–35; Lukas 10, 25–37) gehört keineswegs nur in den Rahmen des intim Privaten und Persönlichen. Nächstenliebe gilt auch im öffentlichen Raum der Gesellschaft, des Handels, der Wirtschaft und der Rechtsprechung. Liebe könnte als soziale Gerechtigkeit bezeichnet werden und auf den Punkt gebracht: Liebe ist Solidarität. Dorothee Sölle (1929–2003) spricht von der «Solidarität als tiefstem Ausdruck der Gottesliebe». Solidarität: Das grösste Fremdwort? Die Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung vom 18. April 1999 nimmt den Ausdruck «Solidarität» in allen vier Landessprachen als tragenden Grundwert des menschlichen Zusammenlebens auf. Bundesrätin Simonetta Sommaruga nahm diesen Impuls aus der Bundesverfassung auf, als sie am 16. März 2020 sagte: «Es braucht Solidarität». Damit unterstrich sie zu Beginn der «Corona-Pandemie» die Dringlichkeit des Mitwirkens aller Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz. In den Nachrichten war zu hören, wie bei der Bergbesteigung eines der höchsten Berge der Welt ein verletzter Helfer von den Bergsteigern links liegengelassen wurde. Eine Gottesdienstbesucherin sagte: «Solidarität ist heute das grösste Fremdwort geworden. Bei vielen Touren, die Geld kosten, wird leider auch das Herz und die Seele verkauft. Willkommen bei der Selbstverwirklichung, koste es, was es wolle.» Auch in schwierigen Situationen scheint es Menschen zu geben, die sich unsolidarisch verhalten. «Diese Egoisten» liesse sich da schimpfen! Kann das auch bei uns passieren? Egoisten auch bei uns? «Die Schweiz – ein Land von Egoisten, das zur Solidarität erzogen werden muss?» titelte die NZZ am 22. Dezember 2021. Wer das fordert, begibt sich auf abschüssiges Terrain. Denn wenn die Schweiz ihre Bürgerinnen und Bürger in der Verfassung zum
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