Christkatholisch_2023-15
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<strong>Christkatholisch</strong> <strong>15</strong>/<strong>2023</strong> Thema<br />
3<br />
«Solidarität ist<br />
heute das grösste<br />
Fremdwort geworden.<br />
Bei vielen<br />
Touren, die Geld<br />
kosten, wird leider<br />
auch das Herz und<br />
die Seele verkauft.<br />
Willkommen bei<br />
der Selbstverwirklichung,<br />
koste es,<br />
was es wolle.»<br />
Als zweithöchster<br />
Berg der Erde<br />
ist der K2 eines<br />
der beliebtesten<br />
Ziele für<br />
Bergsteiger*innen.<br />
Foto: Shutterstock<br />
Zement, Balance und Puls der Gesellschaft<br />
Solidarität als Ausdruck<br />
der Gottesliebe<br />
Wenn wir nach «Solidarität» fragen, sollte man meinen, dass<br />
wir im Inhaltsverzeichnis der Bibel fündig werden. «Solidarität»<br />
findet sich aber weder im Alten noch im Neuen Testament.<br />
Ein Grundzug in vielen biblischen Erzählungen<br />
ist jedoch die wechselseitig<br />
solidarische Bindung zwischen dem<br />
einzelnen und der Gemeinschaft, vor<br />
allem innerhalb der Gemeinschaftsformen<br />
Familie, Sippe, Stamm und Volk<br />
(Genesis 2,23ff.; Richter 9,2). Auch der<br />
Ratschlag der Nächstenliebe (Johannes<br />
13, 34–35; Lukas 10, 25–37) gehört<br />
keineswegs nur in den Rahmen des intim<br />
Privaten und Persönlichen. Nächstenliebe<br />
gilt auch im öffentlichen<br />
Raum der Gesellschaft, des Handels,<br />
der Wirtschaft und der Rechtsprechung.<br />
Liebe könnte als soziale Gerechtigkeit<br />
bezeichnet werden und auf<br />
den Punkt gebracht: Liebe ist Solidarität.<br />
Dorothee Sölle (1929–2003) spricht<br />
von der «Solidarität als tiefstem Ausdruck<br />
der Gottesliebe».<br />
Solidarität: Das grösste<br />
Fremdwort?<br />
Die Präambel der Schweizerischen<br />
Bundesverfassung vom 18. April 1999<br />
nimmt den Ausdruck «Solidarität» in<br />
allen vier Landessprachen als tragenden<br />
Grundwert des menschlichen Zusammenlebens<br />
auf. Bundesrätin Simonetta<br />
Sommaruga nahm diesen Impuls aus<br />
der Bundesverfassung auf, als sie am 16.<br />
März 2020 sagte: «Es braucht Solidarität».<br />
Damit unterstrich sie zu Beginn<br />
der «Corona-Pandemie» die Dringlichkeit<br />
des Mitwirkens aller Bewohnerinnen<br />
und Bewohner der Schweiz. In den<br />
Nachrichten war zu hören, wie bei der<br />
Bergbesteigung eines der höchsten Berge<br />
der Welt ein verletzter Helfer von den<br />
Bergsteigern links liegengelassen wurde.<br />
Eine Gottesdienstbesucherin sagte:<br />
«Solidarität ist heute das grösste Fremdwort<br />
geworden. Bei vielen Touren, die<br />
Geld kosten, wird leider auch das Herz<br />
und die Seele verkauft. Willkommen<br />
bei der Selbstverwirklichung, koste es,<br />
was es wolle.» Auch in schwierigen Situationen<br />
scheint es Menschen zu geben,<br />
die sich unsolidarisch verhalten. «Diese<br />
Egoisten» liesse sich da schimpfen!<br />
Kann das auch bei uns passieren? Egoisten<br />
auch bei uns? «Die Schweiz – ein<br />
Land von Egoisten, das zur Solidarität<br />
erzogen werden muss?» titelte die NZZ<br />
am 22. Dezember 2021. Wer das fordert,<br />
begibt sich auf abschüssiges Terrain.<br />
Denn wenn die Schweiz ihre Bürgerinnen<br />
und Bürger in der Verfassung zum