Ärzt*in für Wien 2023/9
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INTERN NEWS<br />
Ärztinnenumfrage<br />
Diskriminierung hat viele Gesichter<br />
Die viel zitierte „gläserne Decke“ bleibt ein Hindernis <strong>für</strong> viele Ärztinnen. Doch mit welchen<br />
Karrierehindernissen sehen sich die <strong>Wien</strong>er Ärztinnen konfrontiert? Was sind <strong>für</strong> sie die größten<br />
Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Und welche konkreten Erwartungen<br />
stellen sie an die Arbeit der Ärztekammer? Dies und was Ärztinnen in <strong>Wien</strong> außerdem beschäftigt,<br />
hat das Referat <strong>für</strong> Frauenpolitik der <strong>Wien</strong>er Ärztekammer in einer Umfrage unter den<br />
<strong>Wien</strong>er Ärztinnen erfragt.<br />
Von Claudia Tschabuschnig et al.<br />
► Die Umfrage wurde im März<br />
<strong>2023</strong> an alle bei der Ärztekammer<br />
<strong>für</strong> <strong>Wien</strong> geführten Ärztinnen<br />
versendet, insgesamt gingen im Zeitraum<br />
von zwei Wochen 1.337 Rückmeldungen<br />
ein. Inhaltlich befasste sich<br />
die Umfrage mit den Themen Networking<br />
und Empowerment, Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie sowie Gleichberechtigung<br />
am Arbeitsplatz. Dabei<br />
zeigte sich, dass Ungleichbehandlung<br />
im Arbeitsalltag aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit<br />
noch immer ein<br />
weitverbreitetes Problem darstellt. Mit<br />
69 Prozent gaben mehr als zwei Drittel<br />
der Teilnehmerinnen an, diesbezüglich<br />
Diskriminierung im beruflichen Alltag<br />
erfahren zu haben. Diese gehe laut den<br />
vorliegenden Ergebnissen vor allem von<br />
Vorgesetzten (54 Prozent), Patientinnen<br />
und Patienten (43 Prozent) sowie Kolleginnen<br />
und Kollegen (37 Prozent) aus.<br />
Dauernd und unbewusst<br />
„Diskriminierung findet in allen Bereichen<br />
statt“ und „passiert dauernd<br />
und unbewusst“, so die Rückmeldungen<br />
der befragten Ärztinnen. Andere<br />
Stimmen bestärken den Eindruck<br />
von struktureller Benachteiligung und<br />
einem fehlenden Bewusstsein <strong>für</strong> Sexismus,<br />
welche zu „täglicher, offener<br />
Diskriminierung“ führten. Diese könne<br />
verschiedene Formen annehmen, von<br />
geringschätzenden (69 Prozent erlebten<br />
dies) beziehungsweise anzüglichen Bemerkungen<br />
(65 Prozent), unangebrachten<br />
Berührungen (31 Prozent) hin zu<br />
sexuellen Übergriffen (3 Prozent). Die<br />
Befragten berichten auch von subtiler<br />
Benachteiligung, wenn vergleichsweise<br />
wenig Förderung in der beruflichen<br />
Tätigkeit durch Vorgesetzte erfolgt (50<br />
Strukturelle<br />
Benachteiligungen<br />
können<br />
subtil<br />
sein, wenn<br />
Ärztinnen<br />
zum Beispiel<br />
weniger<br />
zugetraut<br />
wird als<br />
männlichen<br />
Kollegen.<br />
Prozent) oder interessante Positionen<br />
vorzugsweise an männliche Kollegen<br />
vergeben werden (51 Prozent).<br />
Deutlich unterrepräsentiert<br />
Knapp die Hälfte des ärztlichen Personals<br />
ist weiblich. Wirft man einen<br />
Blick auf einzelne Hierarchieebenen,<br />
wird allerdings deutlich, dass sich dies<br />
nicht auf den Führungsebenen widerspiegelt.<br />
Hier sind Frauen deutlich unterrepräsentiert:<br />
Nur 14,3 Prozent aller<br />
Abteilungsleitungen der öffentlichen<br />
Krankenanstalten und 18,8 Prozent<br />
der ärztlichen Direktionen öffentlicher<br />
und privater Krankenanstalten sind<br />
weiblich besetzt (Frauen in der Medizin,<br />
2021). Die geringe Anzahl von Frauen<br />
in medizinischen Führungspositionen<br />
hat zur Folge, dass Ärztinnen mit Karriereambitionen<br />
nur wenige gleichgeschlechtliche<br />
Rollenvorbilder haben<br />
und das Bild von ärztlichen Führungs-<br />
Ich befand mich aufgrund meiner Geschlechtszugehörigkeit<br />
schon einmal in der<br />
Situation von Ungleichbehandlung<br />
im Zuge meiner ärztlichen Tätigkeit.<br />
26%<br />
4%<br />
70%<br />
Ja Nein Keine Antwort<br />
kräften in der Wahrnehmung noch immer<br />
männlich geprägt ist.<br />
Mangelnde Unterstützung<br />
Strukturelle Benachteiligungen können<br />
subtil sein, wenn Ärztinnen zum<br />
Beispiel weniger zugetraut wird als<br />
männlichen Kollegen, oder offenkundig,<br />
beispielsweise durch Kettenverträge,<br />
die im Falle einer Schwangerschaft<br />
schlicht auslaufen. Den Ergebnissen<br />
der Umfrage zufolge verstärkt sich diese<br />
Ungleichbehandlung noch, wenn Ärztinnen<br />
Kinder bekommen: 67 Prozent<br />
der Befragten stimmten beim Thema<br />
Familienplanung der Aussage zu, dass<br />
Ärztinnen durch Kinder im Durchschnitt<br />
größere Karriereeinbußen haben<br />
als Männer. Aufgrund langer, unregelmäßiger<br />
Arbeitszeiten, Wochenend-,<br />
Feiertags- und Nachtdiensten sowie der<br />
geringen Möglichkeiten zu Teilzeitanstellungen<br />
stellt die Medizin insgesamt<br />
besondere Herausforderungen an ärztliches<br />
Personal mit Kindern. Passend<br />
dazu wird auch die mangelnde Verfügbarkeit<br />
von Kinderbetreuung von 59 Prozent<br />
der Befragten als Karrierehindernis<br />
angesehen. Darüber hinaus zählen <strong>für</strong><br />
die teilnehmenden Ärztinnen vor allem<br />
Stress beziehungsweise zeitlicher Druck<br />
(62 Prozent), fehlendes Verständnis des<br />
beruflichen Umfeldes gegenüber familiären<br />
Verpflichtungen (45 Prozent), ausgeprägte<br />
hierarchische Strukturen (34<br />
Prozent) und finanzielle Unsicherheit<br />
(34 Prozent) zu den wichtigsten Herausforderungen<br />
bei der Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie.<br />
Finanzielle Einbußen<br />
Finanzielle Einbußen beginnen meist<br />
schon im Vorfeld einer Geburt, wenn<br />
10 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> 09_<strong>2023</strong>