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Ärzt*in für Wien 2023/9

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SERVICE RECHT<br />

Unterlassene Kontrolle<br />

Ärztin wehrt sich gegen Entlassung<br />

Wegen eines Fehlverhaltens wurde eine Ärztin, die in einem Krankenhaus tätig war, fristlos entlassen.<br />

Der OGH entschied hier zugunsten der Ärztin und sprach aus, dass eine einmalige Nachlässigkeit in<br />

einer konkreten Notsituation nicht so schwerwiegend sei, dass der Arbeitgeberin die Fortsetzung des<br />

Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar wäre.<br />

Von Alexandra Lichtenegger<br />

► Die Klägerin war als Ärztin in<br />

einem Krankenhaus beschäftigt.<br />

Sie behandelte eine wegen Depression<br />

aufgenommene Patientin,<br />

welche die vom zuweisenden Arzt verschriebenen<br />

Medikamente erhielt. In<br />

der Folge klagte die Patientin darüber,<br />

dass es ihr sehr schlecht gehe. Sie bekomme<br />

keine Luft, habe Ohrensausen,<br />

Kopfschmerzen, Herzrasen sowie Übelkeit.<br />

Die Ärztin wies daraufhin einer<br />

Diplomkrankenpflegerin an, Infusionen<br />

vorzubereiten. Unter anderem<br />

trug sie der Diplomkrankenpflegerin<br />

auf, 1mg Adrenalin herzurichten. Diese<br />

verstand allerdings „Noradrenalin“,<br />

weshalb sie nochmals nachfragte, ob<br />

das richtig sei. Die Klägerin wiederholte<br />

abermals 1mg Adrenalin, doch<br />

die Diplomkrankenpflegerin verstand<br />

erneut Noradrenalin. Sie bereitete das<br />

Medikament schließlich vor, da es ihr<br />

allerdings untypisch vorkam, wollte sie<br />

sich abermals vergewissern und fragte<br />

bei der Ärztin erneut nach, ob sie tatsächlich<br />

Noradrenalin spritzen wolle.<br />

Das<br />

Medikament<br />

wurde nicht<br />

lege artis<br />

verabreicht,<br />

die Überprüfung<br />

des Medikaments<br />

wäre<br />

durch eine<br />

optische<br />

Kontrolle<br />

der Ampulle<br />

und<br />

der Spritze<br />

möglich<br />

gewesen.<br />

Die Ärztin verstand Adrenalin und bestätigte<br />

die beabsichtige Verabreichung.<br />

Noradrenalin statt Adrenalin<br />

Zur Behandlung des in Folge auftretenden<br />

anaphylaktischen Schocks bei<br />

der Patientin entschied sich die Ärztin,<br />

das Adrenalin zu spritzen, und verabreichte<br />

der Patientin die vorbereitete<br />

Spritze, ohne die abgelegte Ampulle<br />

nochmals zu kontrollieren. Die Ampulle<br />

umfasste 5 ml, wobei die Ärztin hier<br />

davon ausging, dass es sich um 1 mg<br />

Adrenalin verdünnt auf 5 ml handelte.<br />

Der Patientin ging es immer schlechter.<br />

Nachdem die Diplomkrankenpflegerin<br />

ins Patientenzimmer kam und<br />

mitteilte, dass es sich um Noradrenalin<br />

handelte, leitete die Ärztin sofort Notmaßnahmen<br />

ein, die erfolgreich waren.<br />

Das Medikament wurde nicht lege artis<br />

verabreicht, die Überprüfung des Medikaments<br />

wäre durch eine optische<br />

Kontrolle der Ampulle und der Spritze<br />

möglich gewesen. Die Verabreichung<br />

von 1mg Adrenalin verdünnt auf 5 ml<br />

ist nicht üblich.<br />

Die Ärztin wurde daraufhin entlassen.<br />

Vermeidbarer Fehler<br />

Das Erstgericht sah den Entlassungstatbestand<br />

der Vertrauensunwürdigkeit<br />

als nicht erfüllt, das Berufungsgericht<br />

wies das Klagebegehren allerdings ab<br />

und sprach aus, dass die unterlassene<br />

Kontrolle der von der Diplomkrankenpflegerin<br />

vorbereiteten Spritze jedenfalls<br />

grob fahrlässig war und der Ärztin<br />

besonders vorzuwerfen ist.<br />

Der OGH war anderer Meinung und<br />

stellte das Ersturteil wieder her.<br />

Zutreffend vertritt die Klägerin die<br />

Rechtsauffassung, dass sie im vorliegenden<br />

Fall keine ärztliche Aufsichtspflicht<br />

gegenüber der Diplomkrankenpflegerin<br />

getroffen hat.<br />

Nach § 49 Abs 3 ÄrzteG 1988 können<br />

Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall an<br />

Angehörige anderer Gesundheitsberufe<br />

oder in Ausbildung zu einem<br />

Gesundheitsberuf stehende Personen<br />

Weil die Pflegerin<br />

die Ärztin akustisch<br />

nicht richtig verstanden<br />

hatte, kam es zur Verabreichung<br />

des falschen<br />

Medikaments.<br />

Fotos: Maria Sbytova/stock.adobe.com<br />

36 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> 09_<strong>2023</strong>

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