Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
INTERVIEW MANFRED ZOLLNER<br />
Der charmante Kurort Baden bei<br />
Wien ist noch bis zum 15. Oktober<br />
<strong>2023</strong> Schauplatz einer sieben Kilometer<br />
langen Open-Air-Fotogalerie, bei<br />
der die Besucher meist zeitgenössische Fotografie<br />
(mit einem Schwerpunkt auf Dokumentarfotografie)<br />
bestaunen können.<br />
Die Konstellation hinter dem Festival La<br />
Gacilly-Baden Photo ist einmalig. Auf Initiative<br />
von Lois Lammerhuber und Jacques<br />
Rocher ist hier ein erfolgreiches, international<br />
renommiertes Festival entstanden,<br />
das auf der Kooperation zweier Städte und<br />
zweier engagierter Kulturschaffender aufbaut.<br />
Wir sprachen mit Lois Lammerhuber<br />
über diese grenzübergreifende Initiative.<br />
fotoMAGAZIN: Wie ist die Idee zu dem<br />
Festival La Gacilly-Baden Photo entstanden,<br />
das zwei Städte und zwei Nationen<br />
eng verbindet?<br />
LOIS LAMMERHUBER: Ich erinnere mich<br />
noch, dass ich irgendwann Bilder der Stadt<br />
La Gacilly gesehen habe, auf denen Häuser<br />
zu sehen waren, an denen große Fotos<br />
angebracht waren und dachte, das sähe gut<br />
aus. Ich lernte dann Jacques Rocher, den<br />
Bürgermeister und Festivalgründer von<br />
La Gacilly, über unseren gemeinsamen<br />
Freund Pascal Maitre beim Fotofestival in<br />
Perpignan kennen. Jacques Rocher ist einer<br />
der Söhne des Kosmetikkonzern-Gründers<br />
Yves Rocher und sitzt auch noch im Aufsichtsrat<br />
der Firma. Wir trafen uns immer<br />
wieder mal zu gemeinsamen Essen. Diese<br />
endeten meist damit, dass er meinte: Im<br />
Juni eröffne ich das Festival und Du bist<br />
eingeladen. Als es dann soweit war, schaute<br />
ich auf die Landkarte und dachte: Das ist so<br />
weit weg. Eines Tages machte ich dann mit<br />
Pascal Maitre ein Buch über Baobab-Bäume<br />
und Jacques hatte das mitbekommen.<br />
Er fragte, ob wir einen Sponsor benötigen<br />
und half unter einer Bedingung: Die Buchpräsentation<br />
sollte 2017 in La Gacilly sein.<br />
So kam ich dort hin und plötzlich fiel alles<br />
auf seinen Platz. Ich bin losgezogen und<br />
habe mir gedacht: Verdammt, das sieht<br />
alles gut aus. Das würde auch zu uns passen.<br />
Dann kam das Abendessen und der<br />
Zufall spielte mit. Ich traf spät ein, holte<br />
mir etwas vom Buffet und sah, dass rechts<br />
von Jacques ein freier Platz war. Plötzlich<br />
hörte ich mich Sätze sagen wie: Jacques, du<br />
kennst doch die Art Basel Miami – aber du<br />
kennst noch nicht La Gacilly-Baden! Dann<br />
sprachen wir darüber, was bislang nach<br />
dem Festival mit den Bildern passierte.<br />
Meine Idee: La Gacilly zeigt die Bilder im<br />
Jahr eins und wir bringen sie anschließend<br />
nach Baden. Ich beteilige mich an den Kosten,<br />
wir präsentieren sie ein zweites Mal in<br />
Baden. Er konnte sich das gut vorstellen.<br />
Ich bin also praktisch mit einem Festival<br />
zurück nach Baden gekommen, hatte dort<br />
aber noch keinen Bürgermeister für diese<br />
Idee. Noch schlimmer: Der Badener Bürgermeister<br />
war mir unbekannt, denn er<br />
war gerade ins Amt gekommen. Als ich<br />
ihm schließlich von La Gacilly erzählte, recherchierte<br />
er sofort mit dem Smartphone.<br />
Sein erster Satz war: Wann fahren wir hin?<br />
Wie waren dann die Anfänge der neuen<br />
Festival-Kooperation?<br />
Unserem Bürgermeister hat es in La Gacilly<br />
gut gefallen. Dann kam der Gegenbesuch<br />
der Franzosen. Danach haben wir hier im<br />
Rathaus einen Vertrag unterschrieben und<br />
das gemeinsame Festival war auf dem Weg.<br />
Im ersten Jahr haben wir das Festival übernommen<br />
– mit Adaptionen, denn nicht<br />
alle Bilder passen an jede Hauswand. Ungefähr<br />
60 bis 70 Prozent haben wir in den<br />
Badener Parks aufgestellt und damit in der<br />
Stadt auch etwas ist, einen kleinen Teil im<br />
Biedermeier-Rosengarten. Das kam gut an.<br />
Die Kaufleute merkten, dass Interessierte<br />
in die Stadt kamen – und auch die Bevölkerung<br />
nahm das sehr gut auf.<br />
Hat sich das Festival durch die Kooperation<br />
mit Baden verändert?<br />
Während der ersten beiden Jahre haben<br />
wir das Festival übernommen. Im ersten<br />
Jahr beschränkt auf die Parks, dann kam<br />
der Handel und wünschte sich auch Ausstellungen<br />
in der Stadt. Das machten wir<br />
als nächstes. Dies passte allerdings nicht<br />
mehr genau zu dem Konzept von La Gacilly.<br />
Das Anfangskonzept des Festivals<br />
von La Gacilly gibt es übrigens lange nicht<br />
mehr. Zunächst wurden dort Landschaftsund<br />
Reisebilder aufgehängt. Nach drei<br />
Jahren lernte Jacques Rocher dann ein<br />
Kuratorenpaar kennen: Florence Drouhet<br />
(damals Kuratorin am Musée Européenne<br />
de la Photographie) und ihren damaligen<br />
Ehemann Cyril Drouhet, Chefredakteur<br />
des Figaro-Magazins. Kunst, Reportage<br />
und Dokumentarfotografie waren dort in<br />
einem Haus. Zwischen den Bereichen gibt<br />
es sonst oft einen Graben. Jetzt ist da eine<br />
vorsichtige Durchmischung mit einem<br />
Schwerpunkt auf der Dokumentarfotografie.<br />
Dazu gibt es, seit Drouhet an Bord ist<br />
ein Manifest, das sich u. a. dem Umweltgedanken<br />
widmet. Jährlich beschäftigen wir<br />
uns mit der Conditio humana und in einem<br />
zweiten Erzählstrang verhandeln wir den<br />
Zustand der Welt. Der dritte Erzählstrang<br />
ist das, was ich immer die Stakeholder-Positionen<br />
nenne. Da ich in einer viel größeren<br />
Stadt unterwegs bin, ist das Verfahren<br />
komplizierter. Da gibt es Interessenslagen:<br />
Das Land gibt Geld, die Stadt gibt Geld,<br />
Sponsoren geben Geld. Und dann wollen<br />
wir natürlich auch österreichische Fotografie<br />
zeigen.<br />
»Wir beschäftigen uns mit der Conditio<br />
humana und dem Zustand der Welt.«<br />
Lois Lammerhuber<br />
In Frankreich gibt es viel mehr Fotofestivals<br />
als in Deutschland oder Österreich.<br />
Hat sich durch diese Konkurrenz etwas in<br />
der Gewichtung des Festivals verschoben?<br />
Nein, der Treiber war die Pandemie. Sie hat<br />
uns gezwungen, das Budget zu verkleinern,<br />
weil wir keine Veranstaltungen mehr machen<br />
konnten. Wir mussten beispielsweise<br />
die Plakatierung über vier Monate im<br />
Großraum Wien aufgeben. Als Ersatz haben<br />
wir Partnerschaften aufgebaut. Beim<br />
„Monat der Fotografie“ in Bratislava haben<br />
wir jetzt drei bis vier Ausstellungen.<br />
Wo sehen Sie Potenzial für eine Weiterentwicklung<br />
des Festivals?<br />
Sicher in der Dynamik, dass wir wieder<br />
mehr Veranstaltungen machen. Es ist ganz<br />
wichtig, dass man nicht nur kommt und<br />
barrierefrei Ausstellungen anschaut – was<br />
viele Besucher insbesondere im September<br />
Oktober tun. Das sind die Flaniermonate.<br />
Dann kann es sein, dass an einem Samstag<br />
oder Sonntag <strong>10</strong>.000 Leute hier sind.<br />
<strong>10</strong>/<strong>2023</strong> fotoMAGAZIN<br />
13