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Brot und Spiele - Münchner Feuilleton

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SEITE 02 · JANUAR · MÜNCHNER FEUILLETON<br />

Münchens Privatwirtschaft<br />

engagiert<br />

sich trotz ständigen<br />

Krisengeredes weiter<br />

stark für die Kultur.<br />

SVEN SIEDENBERG<br />

Krise? Welche Krise? Die<br />

Wirtschaft in Bayern<br />

brummt. Trotz fauler<br />

Kredite <strong>und</strong> hektischer<br />

Umschuldungen, trotz<br />

schwankender Börsenkurse<br />

<strong>und</strong> schwindender<br />

Bonität. Ach so, das<br />

Energieunternehmen<br />

E.ON hat angekündigt,<br />

dem Theaterfestival »Radikal<br />

jung« die fi nanziellen Mittel<br />

zu streichen. Fies? Und wie! Droht<br />

jetzt der kulturelle Kahlschlag?<br />

Eher nicht.<br />

Haus der Kunst<br />

Hochschule<br />

für Musik<br />

<strong>und</strong> Theater<br />

Volkstheater<br />

Keine Frage: Der Rückzug<br />

von E.ON ist ein herber<br />

Schlag für das Volkstheater,<br />

fungierte der Konzern<br />

doch bisher als Hauptsponsor<br />

des 300.000 Euro teuren Festivals.<br />

Durch die politische Entscheidung,<br />

aus der Atomenergie auszusteigen,<br />

hat sich der Sparzwang für das<br />

Unternehmen jedoch immens<br />

erhöht. Deshalb wird die <strong>Münchner</strong><br />

Firmenzentrale nun im Sommer<br />

geschlossen <strong>und</strong> deshalb fallen 1500<br />

Arbeitsplätze weg. »Unser Engagement<br />

im Kulturbereich ist standortgeb<strong>und</strong>en«,<br />

erklärt E.ON-Sprecherin<br />

Gräfi n von Posadowsky. »Es<br />

macht für uns einfach keinen<br />

Sinn, ein Theaterfestival an<br />

einem Ort zu unterstützen, an<br />

dem wir in Zukunft nicht mehr<br />

präsent sein werden.« Das verstehen<br />

sogar die betroffenen Theatermacher.<br />

»Die Standortschließung<br />

hat nichts mit der Finanzkrise zu<br />

tun«, sagt Volkstheater-Pressesprecher<br />

Frederik Mayet, »sondern mit<br />

der Umstrukturierung des Konzerns.«<br />

Zwar werde es schwierig<br />

ohne das dringend benötigte Geld<br />

von E.ON, aber man sei optimistisch,<br />

einen neuen Sponsor zu fi nden.<br />

»Wir werden jedenfalls alles<br />

tun, um das Festival am Leben zu<br />

erhalten.«<br />

Der Optimismus ist gerechtfertigt.<br />

Gerade hat München wieder den<br />

Titel »Wirtschaftsstärkste Metropole<br />

Deutschlands« verliehen<br />

bekommen. Hier gibt es die<br />

meisten Unternehmenszentralen,<br />

die größte Kauf-<br />

Hochschule<br />

für Fernsehen<br />

<strong>und</strong> Film<br />

NS-Dokumentationszentrum<br />

Spielart<br />

kraft, die üppigsten<br />

Steuereinnahmen.<br />

Und während<br />

anderswo Kultureinrichtungen<br />

wegen der<br />

Finanzkrise schließen (Schauspielhaus<br />

Wuppertal, Rose Museum<br />

Boston) oder mit schmerzhaften<br />

Einschnitten rechnen müssen<br />

(Staatstheater Schwerin, Philadelphia<br />

Orchestra), wurde in der Landeshauptstadt<br />

der millionenschwere<br />

Neubau der Hochschule für Fernsehen<br />

<strong>und</strong> Film eröffnet. Auch gibt es<br />

Geld für das NS-Dokumentationszentrum,<br />

die Sanierung des<br />

Deutschen Theaters sowie für<br />

die Neugestaltung des Stadtmuseums.<br />

Andererseits stimmt es natürlich,<br />

dass die hiesige öffentliche<br />

Hand angesichts der angespannten<br />

Haushaltslage es nicht mehr duldet,<br />

dass Budgets überzogen werden.<br />

Und ja doch, das Geld für die regelmäßigen<br />

Tarifsteigerungen der<br />

Angestellten könnte man auch für<br />

die Kunst selbst gut verwenden.<br />

Aber jenseits vereinzelter Kürzungen<br />

<strong>und</strong> moderater Konsolidierungspakete<br />

in den städtischen <strong>und</strong><br />

staatlichen Kulturetats darf man<br />

erfreut feststellen, dass außer E.<br />

ON bisher kein Unternehmen<br />

sich aus laufenden Public-Private-Partnership-Projekten<br />

in<br />

München zurückziehen will.<br />

Schörghuber unterstützt weiterhin<br />

großzügig das Haus der Kunst,<br />

BMW engagiert sich weiterhin bei<br />

SpielArt <strong>und</strong> dem Dance-Festival,<br />

Allianz fördert weiterhin die Hochschule<br />

für Musik <strong>und</strong> Theater, Philip<br />

Morris gibt weiterhin viel Geld<br />

für das Kunstvermittlungsprogramm<br />

der Pinakotheken<br />

Pinakotheken<br />

aus, die Versicherungskammer<br />

Bayern sponsert<br />

weiterhin »Jugend musiziert«.<br />

Und auch bei Sie-<br />

mens, wo vor zwei Jahren das »Arts<br />

Program“ eingestellt worden ist,<br />

legt man Wert auf die Feststellung,<br />

dass das Kulturprogramm damals in<br />

die Stiftung überführt worden sei.<br />

»Wir heißen seither einfach<br />

anders«, sagt Karolin Timm-<br />

Wachter. Das Budget sei nahezu<br />

Arts Program<br />

gleichgeblieben.<br />

Fragt man Toni Schmid, über Parteigrenzen<br />

hinweg anerkannte Fachkraft<br />

des Bayerischen Kultusministeriums,<br />

was er von dem<br />

anschwellenden Krisengeraune<br />

halte, antwortet er: »Kultur ist<br />

immer in der Krise«. Immer<br />

sei zu wenig Geld da.<br />

Immer gebe es Verteilungskämpfe.<br />

Weshalb es eben<br />

vorkomme, dass Kürzungen<br />

erst einmal beschlossen,<br />

dann aber auch wieder zurückgenommen<br />

werden – wie zuletzt bei<br />

der Bayerischen Staatsbibliothek,<br />

die zunächst mit 1,4 Millionen Euro<br />

weniger auskommen sollte, schließlich<br />

aber nur 200.000 Euro einsparen<br />

musste. Gewandelt habe sich in<br />

der jüngeren Finanzkrisenzeit, fi ndet<br />

Schmid, vor allem das<br />

Klima. »Die Bereit-<br />

schaft, Kooperationen<br />

einzugehen, ist so groß<br />

wie nie.«<br />

Das fi ndet auch Unternehmensberater<br />

Roland Berger, bekennender<br />

Musenfre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kultursponsor.<br />

Sponsoring, so sein Credo,<br />

schaffe eine klassische Win-Win-<br />

Situation. »Die Kulturschaffen-<br />

den profi tieren, weil viele<br />

Projekte sonst nicht realisiert<br />

werden könnten. Die<br />

Unternehmen wiederum<br />

steigern durch Kultursponsoring<br />

ihre Reputation <strong>und</strong> damit<br />

ihren Marktwert.« Sponsoring helfe<br />

zudem, neue K<strong>und</strong>enkreise zu<br />

erschließen, Mitarbeiter zu motivieren<br />

<strong>und</strong> kreative Köpfe zu rekrutieren.<br />

Und handele es sich beim<br />

Sponsoring letztlich nicht auch um<br />

verkappte Konjunkturprogramme?<br />

Deutsches<br />

Theater<br />

Bayerische<br />

Staatsbibliothek<br />

Stadtmuseum<br />

Zum Schluss gute Nachrichten aus<br />

Frankreich. Dort wurde soeben<br />

beschlossen, den Kultur-Etat um<br />

knapp 1 Prozent auf nun 7,9 Milliarden<br />

Euro anzuheben. Die<br />

Franzosen haben scheinbar<br />

verstanden, was Münchens<br />

Kulturreferent Hans-Georg<br />

Küppers schon länger predigt:<br />

»Kultur ist nicht die Sahne<br />

auf dem Kuchen, sondern die Hefe<br />

im Teig.« ||<br />

Dance<br />

Festival<br />

Die<br />

Hefe<br />

im<br />

Teig<br />

Jugend<br />

musiziert

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