Festspielzeit Winter 2023

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Leseprobe im Burgtheater. Schauspieler Itay Tiran spielt Alceste, der mit seiner schonungslosen Offenheit die adelige Gesellschaft provoziert. Bereits zum vierten Mal ist das renom- BURGTHEATER ZU GAST mierte Burgtheater an Ostern zu Gast bei den Bregenzer Festspielen. Protagonisten und auf der anderen Seite Adelige, die um ihre Position im sozialen Raum und um Célimènes Gunst rangeln. In ihrer Überzeichnung stellen sie nicht unbedingt vorbildliche Repräsentant:innen ihres Standes dar. Alle sind einsam. Keiner ist höflich. Mit Philinte und Éliante, der Cousine Célimènes, verkörpern zumindest zwei Figuren in ihrer Kultivierung eines maßvollen, freundlichen, und diplomatischen Auftretens das Ideal der Zeit. Und dann ist da noch Célimène, nach dem Tod ihres Mannes eine femme libres; eine Figur, die Grenzen austestet, sich äußeren Zuschreibungen nicht unterordnen möchte und die Spielregeln beherrscht – bis sie zu weit geht. Sie ist eine erstaunlich moderne Figur, die mit ihrem Freiheitsdenken und ihrer libertären Haltung in Liebesfragen provoziert. Auch das ist ein Verdienst von Molière: Er lässt adelige Figuren in einer Komödie auftreten, zeichnet hellsichtig ganz unterschiedliche Freundschafts- und Liebesmodelle und zeigt selbstbestimmte Frauen mit einem neuen Rollenverständnis. Aus den Kollisionen, die diese Neuerungen auslösen, schlägt er die Funken seiner Komödien. Die Uraufführung von Der Menschenfeind findet 1666 im Palais Royal in Paris statt – der Erfolg bleibt aus. Das zeitgenössische Publikum lehnt die trügerische Komik des Stücks ab. Das abrupte, offene Ende empfindet es als unbefriedigend und hadert vor allem mit der Ambivalenz der Hauptfigur. Ist Alceste eine unsympathische, dogmatische Nervensäge mit einem fast pathologischen Widerspruchsgeist oder ist er ein mutiger Einzelgänger, der unbequeme, aber nötige Wahrheiten ausspricht, Veränderungen einfordert und sich gegen die Gesellschaft stellt? Darüber wird seit Jahrhunderten gestritten und unzählige Lesarten sind auf den Bühnen zu sehen. Im 17. Jahrhundert wird er eher als komische Figur wahrgenommen, im 18. Jahrhundert, vornehmlich von Jean-Jacques Rousseau, zu einer tragischen Figur umgedeutet: vom Menschenfeind zu einem verkannten Menschenfreund. Wer sind die Menschenfeinde heute? Unbestritten ist, dass Molières Der Menschenfeind ein großes Menschheitsthema beleuchtet: das spannungsvolle Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft. Bis heute befragt Alceste den Status quo einer Gesellschaft, die Ethik unseres Zusammenlebens. Vielleicht lachen wir an anderen Stellen als das Publikum zu Zeiten Molières, aber den unbarmherzigen Spiegel, den er seiner Zeit vorhält, und die Fragen, die er aufwirft, sollten wir ernst nehmen und versuchen, für unsere Zeit zu beantworten. BURGTHEATER ZU GAST DER MENSCHENFEIND Molière Komödie in fünf Akten (1666) Übersetzung von Hans Magnus Enzensberger, bearbeitet von Martin Kušej (<strong>2023</strong>) Inszenierung Martin Kušej Bühne Martin Zehetgruber Kostüme Heide Kastler Musik Bert Wrede Licht Reinhard Traub Dramaturgie Anika Steinhoff PREMIERE 30. März 2024 – 19.30 Uhr WEITERE VORSTELLUNG 31. März – 16.00 Uhr Festspielhaus | Großer Saal Gastspiel des Burgtheaters 20
AUS DEN KÖPFEN AUF DIE BÜHNE Bereits zum dritten Mal mündet ein mehrjähriger Prozess gemeinsam mit dem Publikum in eine Uraufführung auf der Werkstattbühne. Das Opernatelier der Bregenzer Festspiele und des Kunsthaus Bregenz zeigt den kreativen Prozess – Inspiration und Austausch zwischen den verschiedenen Künstler:innen. Bevor Hold Your Breath im August 2024 zum ersten Mal zu erleben ist, vermittelt eine weitere Veranstaltung den Weg zu diesem neuen Musiktheaterwerk. Wie die Komponistin und Geigerin Éna Brennan mit live gespielten und elektronischen Klängen im gesamten Raum unsere Wahrnehmung verändert, war bereits bei mehreren Einblick-Veranstaltungen sowie in zwei Konzerten im Kunsthaus Bregenz zu erleben. Für die mitwirkenden Sänger:innen und Musiker:innen plant die Komponistin innerhalb der notierten Klänge auch kleine Inseln für Improvisationen. Wie diese herausfordernde Idee praktisch umgesetzt werden kann, soll auch im Rahmen des kommenden Einblicks für das Publikum erkundet werden. Der bildende Künstler Hugo Canoilas schafft in seinen Werken häufig eine besondere, auch physische Nähe zu den betrachtenden Personen. Sein riesiges Gemälde mit Elementen eines Oktopus, das er ursprünglich für die Ausstellung Phantasmagoria im portugiesischen Coimbra geschaffen hatte, war bereits im Jänner <strong>2023</strong> in Bregenz zu bestaunen. Welche Möglichkeiten die Werkstattbühne bietet, um die aktive Wahrnehmung des sich auch bewegenden Publikums zu beflügeln, war von Anfang an ein Thema in den Gesprächen mit Éna Brennan und dem Regisseur sowie Librettisten Sir David Pountney. Der ehemalige Intendant der Bregenzer Festspiele hat sämtliche Ideen in einer ergreifenden Geschichte gebündelt, die klangliche, räumliche und szenische Vorgänge erweckt. Das faszinierend intelligente Wesen Oktopus spielt auch hier eine bedeutende Rolle. OPERNATELIER EINBLICK 3 28. Mai 2024 – 19.00 Uhr Festspielhaus | Seestudio Eintritt frei Kartenreservierung unter T +43 5574 407-5 Neue Kunst im Februar Mit der STAGE Bregenz entsteht im kommenden Jahr eine neue Bühne für zeitgenössische Kunst. Bei der ersten Ausgabe vom 22. bis 25. Februar 2024 präsentieren im Festspielhaus über 50 Galerien Werke aus den Sparten Design, Fotografie und digitale Kunst. Kuratiert wird die erste STAGE Bregenz von einem fachkundigen Trio: Fiammetta Griccioli, Kuratorin im Mailänder Pirelli HangarBicocca, widmet sich einem aktuellen Thema und lädt dazu zehn Galerien ein; Elise Lammer, Direktorin der Forschungsplattform Alpina Huus, präsentiert Arbeiten junger Künstler:innen aus dem Bodenseeraum und die Designerin und Kuratorin Matylda Krzykowski widmet sich in experimentellen Arbeiten der Performance und Wirkung von Raum und Architektur. Ferner präsentiert die Messe Sonderprojekte aus unterschiedlichen Sparten und beschäftigt sich in einer Konferenz mit der Nachhaltigkeit im Kunstbetrieb. Gegründet von Renger van den Heuvel, Leiter der Kunstmessen viennacontemporary und SPARK Art Fair Vienna, ist STAGE Bregenz eine Zusammenarbeit von Stadt Bregenz, Stadtmarketing Bregenz und Kongresskultur Bregenz. Kooperationspartner:innen der Messe 2024 sind namhafte Institutionen wie Creative Institute Vorarlberg, Forum Würth Rorschach, Kunsthaus Bregenz, die Kunstmuseen Liechtenstein und Ravensburg, Kunstraum Dornbirn, Museums- Quartier Wien, Vorarlberger Architektur Institut, vorarlberg museum sowie das Tanzfestival Bregenzer Frühling. Die Messe bildet den Auftakt der Kunst & Design Week mit zahlreichen Veranstaltungen in und um Bregenz. Infos gibt es online auf stage-bregenz.art. OPERNATELIER 21
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