Taxi Times München - 4. Quartal 2023
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INKLUSIONSTAXI<br />
ERFAHRUNGEN MIT DEM<br />
INKLUSIONSTAXI<br />
Seit 2013 versuchen das Land und die Kommunen, Bayern bis <strong>2023</strong> barrierefrei zu<br />
machen, um so Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Alltagsleben zu<br />
erleichtern. In diese Zielsetzung soll auch das <strong>Taxi</strong>gewerbe einbezogen werden.<br />
Deshalb loben seit 2018 sowohl die<br />
Stadt <strong>München</strong> als auch der<br />
Münchner Landkreis eine E-<strong>Taxi</strong>förderung<br />
aus, doch die Reaktion des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />
bleibt zurückhaltend. Warum<br />
eigentlich? Im Gespräch mit <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> hat<br />
Pablo Petras, Prokurist von <strong>Taxi</strong> am Westpark,<br />
seine Sichtweise dargelegt, warum<br />
die Idee des Inklusionstaxis bislang nicht<br />
so funktioniert, wie es sich die Stadt<br />
wünscht.<br />
Für Petras gibt es keine einfache<br />
Begründung, warum der Betrieb von Inklusionstaxis<br />
bislang nicht voll rentabel funktioniert:<br />
„Ein <strong>Taxi</strong> muss Umsatz machen<br />
und obwohl bisher immer versprochen<br />
wurde, dass ein Inklusionstaxi eine hohe<br />
Besetztquote haben wird, kann ich das<br />
nicht bestätigen.“<br />
Mit automatischer Trittstufe, Lift, Nacken- und Rückenstütze ist der Ford Transit Custom von<br />
<strong>Taxi</strong> am Westpark aufwendig umgebaut.<br />
DAS HENNE-EI-PRINZIP<br />
Das Inklusionstaxi hat nämlich mit dem<br />
Henne-Ei-Prinzip zu kämpfen. Da bislang<br />
noch zu wenig Fahrzeuge für alle Rollstuhlfahrten<br />
im Einsatz sind, ist keine reguläre<br />
Vermittlung möglich. Das ist auch den Zentralen<br />
bewusst, die, wie beispielsweise Isar-<br />
Funk, den Betrieb der Inklusionstaxis<br />
dahingehend fördern, dass sie kostenfrei<br />
vermittelt werden. Offen bewerben kann<br />
man diesen Fahrservice deshalb freilich<br />
nicht. Und genau damit haben auch die<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmen zu kämpfen. So ist es<br />
inzwischen üblich, dass die Fahrgäste häufig<br />
vorab die vorhandenen Autos für ihre<br />
Fahrten buchen und somit auch mitverantwortlich<br />
sind, dass Spontanfahrten fast<br />
unmöglich sind.<br />
Ein weiteres Problem der Spontanfahrten<br />
sind die langen Anfahrtswege, welche<br />
in Verbindung mit den Rüstzeiten, die<br />
durch das Laden und Sichern des Rollstuhlfahrers<br />
entstehen, die Fahrt unrentabel<br />
machen. Seit langer Zeit kämpft man in<br />
<strong>München</strong> deshalb auch für einen Rollstuhlzuschlag,<br />
der bislang immer von der Stadt<br />
mit dem Hinweis darauf, dass er im Gegensatz<br />
zum Inklusionsgedanken stehe, abgeschmettert<br />
wurde. Für Petras ist das ein<br />
Unding: „Letztlich soll der <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />
also indirekt diesen Mehraufwand mit<br />
der Arbeitskraft seiner Angestellten auffangen.<br />
Aus unternehmerischer Sicht funktioniert<br />
das nicht.“<br />
Auch die Anschaffung und die Umrüstung<br />
sind für den <strong>Taxi</strong>unternehmer mit<br />
einem finanziellen Mehraufwand verbunden.<br />
„Die Münchner Inklusionstaxiförderung<br />
hilft zwar schon, aber dennoch zahlen<br />
wir drauf.“ <strong>Taxi</strong> am Westpark hat sich für<br />
zwei Ford Tourneo Connect mit einem<br />
AMF-Bruns-Umbau entschieden. Anders<br />
als beispielsweise ein Caddy ist der Ford<br />
mit einer Hebebühne anstatt eines Heckausschnitts<br />
ausgestattet. Damit der Innenraum<br />
ausreichend Platz bietet, wurde das<br />
Fahrzeug mit einem Hochdach bestellt.<br />
Im Betrieb bringen die Autos allerdings<br />
einige Fallstricke mit sich. So sind Tiefgaragen<br />
keine Option mehr und auch bei den<br />
sogenannten Discofahrten werden die<br />
Autos wegen ihrer Größe gemieden. Die<br />
Fahrgäste sind nämlich der Meinung, dass<br />
die Autos den Menschen im Rollstuhl vorbehalten<br />
sind oder dass ein Großraum-<br />
Zuschlag auch dann gezahlt werden<br />
müsse, wenn weniger als vier Fahrgäste<br />
mitfahren.<br />
Weiterhin, so betont Petras, ist es sehr<br />
schwer, die richtigen Fahrer für die Autos<br />
zu finden: „Inklusionstaxis kann und will<br />
nicht jeder fahren.“ Im speziellen Fall von<br />
<strong>Taxi</strong> am Westpark sind die Fahrzeuge<br />
zudem überdurchschnittlich oft in der<br />
Werkstatt anzutreffen. Häufig sind die elektrischen<br />
Trittstufen Ursache für den Stillstand.<br />
Sie sind dem Wetter ausgeliefert,<br />
was auch mit ein Grund ist, warum sie zeitweise<br />
nicht mehr automatisch einfahren.<br />
Eigentlich, so scheint es, müsste man in<br />
diesen Fällen einen eigenen „Reparaturersatzwagen“<br />
auf dem Hof stehen haben,<br />
was natürlich finanziell überhaupt keinen<br />
Sinn macht.<br />
ANLIEGEN ANSTATT PFLICHT<br />
Von vielen Herausforderungen, die mit der<br />
Anschaffung eines Inklusionstaxis einhergehen,<br />
wusste Petras bereits, bevor die<br />
Autos angeschafft wurden. Auch wenn bislang<br />
der Aufwand mit den Inklusionstaxis<br />
deren unternehmerischen Nutzen überwiegt,<br />
ist das Inklusionstaxi für Petras eine<br />
Herzensangelegenheit und nicht nur eine<br />
vom novellierten Personenbeförderungsgesetz<br />
(PBefG) vorherbestimmte Pflicht. sg<br />
FOTO: <strong>Taxi</strong> am Westpark<br />
10 <strong>4.</strong> QUARTAL <strong>2023</strong> TAXI