MEGAMechatronik Magazin
Das Magazin für alle Mechatroniker!
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Interview<br />
Interview<br />
gerade am Ende ihrer schulischen<br />
Ausbildung und somit vor der Berufswahl<br />
befinden, muss man in<br />
vielen Dingen erst wieder an das<br />
heranführen, was für unsere Generationen<br />
noch selbstverständlich<br />
war. Was ich damit meine ist, viele<br />
von ihnen waren bislang noch kaum<br />
handwerklich tätig und leben einen<br />
Gutteil ihres täglichen Lebens in einer<br />
virtuellen Welt oder zumindest<br />
in den Sozialen Medien. Die muss<br />
man zuerst einmal für eine Sache<br />
spontan begeistern – was ja zum<br />
Beispiel bei der Aktion „Technikerinnen<br />
von Morgen“ im Wiener Donauzentrum<br />
sehr gut gelungen ist.<br />
Dann aber stellt sich die Hürde, wie<br />
man die Begeisterung aufrecht erhält,<br />
denn, und das ist statisch belegbar,<br />
die Aufmerksamkeitsspanne<br />
ist bei Jugendlichen im Vergleich<br />
zum Jahr 2000 um knapp 50%<br />
gesunken. Also stellt sich uns als<br />
Arbeitgeber die Herausforderung,<br />
unsere Botschaften schnell und<br />
möglichst knackig zu übermitteln,<br />
was viele bislang ganz einfach nicht<br />
gewohnt waren. Die Jugendlichen<br />
verlieren schnell an einer Sache<br />
wieder das Interesse, da sie ja permanent<br />
durch ihre mediale Präsenz<br />
in den Netzwerken von Nachrichten<br />
und Bildern abgelenkt werden.<br />
Hatten wir etwa in meiner Generation<br />
durchschnittlich täglich einbis<br />
zweimal privat telefoniert und<br />
somit unsere sozialen Netzwerke<br />
bedient, so hat der durchschnittliche<br />
Jugendliche von heute am<br />
Tag zwanzig und mehr Gespräche,<br />
wenngleich die meisten natürlich<br />
nur über Online-Messaging-Dienste<br />
wie WhatsApp oder auf Plattformen<br />
wie TikTok stattfinden. So<br />
kommen die jungen Menschen<br />
oftmals in einen enormen digitalen<br />
Stress, der den Großteil ihrer Aufmerksamkeit<br />
in Anspruch nimmt<br />
und es dann zu schaffen, sie inmitten<br />
dieses stressigen Kommunikationsalltages<br />
mit unseren Botschaften<br />
zu erreichen, das ist eben<br />
die Aufgabe, der wir uns stellen<br />
müssen und für die wir Lösungen<br />
finden müssen. Es entsteht der<br />
Bildmaterial: © Florian Wieser<br />
Eindruck, Jugendliche machen<br />
sich heute tatsächlich viel weniger<br />
Gedanken über ihre berufliche Zukunft,<br />
als das noch vor zehn oder<br />
zwanzig Jahren der Fall war und<br />
sie halten in weiten Teilen Berufsinformation<br />
für eine Bringschuld<br />
der zukünftigen Arbeitgeber. Dazu<br />
kommt, dass durch den digitalen<br />
Tunnelblick dieser Generationen<br />
auch viele Sekundärfähigkeiten<br />
wie beispielsweise sozial-empathisches<br />
Verhalten und auch das Konfliktverhalten<br />
in der Peergroup sehr<br />
gelitten haben, und teilweise kaum<br />
bis gar nicht ausgeprägt sind.<br />
Das bedeutet für uns wiederum,<br />
dass sie auch zum Gutteil emotional<br />
schwerer zu erreichen sind und<br />
da beißt sich dann die Katze in den<br />
Schwanz, denn der Beruf sollte ja<br />
auch Herzenssache sein, aber wenn<br />
ich das Herz des anderen nicht dafür<br />
gewinnen kann, dann wird es<br />
schwierig. Manches wird die Zeit lösen,<br />
da ja, wie schon gesagt, immer<br />
auch eine Gegenbewegung kommt<br />
und die könnte dann wiederum eine<br />
extreme Abkehr vom Digitalen, hin<br />
zum echten Zwischenmenschlichen<br />
sein. Aber wir können und dürfen<br />
uns natürlich nicht darauf verlassen,<br />
dass die Zeit ein omnipotenter Problemlöser<br />
ist und müssen ständig<br />
nach neuen Ansätzen und Wegen<br />
suchen, um uns in der Welt unserer<br />
zukünftigen Arbeitnehmer gut<br />
sichtbar aufzustellen.<br />
NK: Wie wirkt sich das beispielsweise<br />
auf die jetzige Lehrlingssituation<br />
aus?<br />
MSN: Da treffen mittlerweile zwei<br />
sehr unterschiedliche Generationen<br />
aufeinander. Das ergibt sich<br />
aus der Schere, die durch die Digitalisierung<br />
entstanden ist und die<br />
immer weiter aufgeht, sprich, die<br />
aktuellen Generationen, die in den<br />
Lehrbetrieb eintreten sollten, sind<br />
wie bereits zuvor gesagt, sehr in<br />
der digitalen Welt verankert, während<br />
die älteren Generationen, die<br />
ausbilden wollen, doch sehr bodenständig<br />
in der echten Welt zuhause<br />
sind. Man kann hier guten<br />
Gewissens von einem echten Generationskonflikt<br />
sprechen, der zu<br />
einem Gutteil auf einem Kommunikationsproblem<br />
fußt. Aber, und das<br />
mag vielen als schlechte Nachricht<br />
erscheinen, wir werden diese Situation<br />
kaum bis gar nicht verändern<br />
können. Und da wir nicht unsere<br />
gesamte Umwelt verändern können,<br />
werden wir wohl oder übel lernen<br />
müssen, uns an die aktuellen Gegebenheiten<br />
anzupassen. Bei diesem<br />
Prozess erscheint es mir besonders<br />
wichtig, dass wir als Wirtschaftskammer<br />
und Innungen auf die<br />
ausbildenden Betriebe zugehen<br />
und diese auch ein Stück weit bei<br />
dieser Transformation begleiten.<br />
Wichtig ist, dass wir lernen, dass<br />
Blocken keine gangbare Lösung ist.<br />
Wir dürfen die jungen Menschen<br />
nicht gleich verurteilen, nur weil wir<br />
ihre Ansichten kaum teilen können,<br />
sondern müssen versuchen, sie zu<br />
verstehen und in der Folge dort<br />
abzuholen, wo sie eben sind. Vom<br />
Gejammer, dass früher alles besser<br />
war, hat am Ende keiner was, denn<br />
die Vergangenheit ist vorbei und<br />
wir müssen in der Gegenwart, ja<br />
sogar auch schon mit einem Bein<br />
in der Zukunft stehen. Das Gebot<br />
der Stunde ist sicherlich: Geduld<br />
haben und Durchhalten, denn jun-<br />
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MEGA Mechatronik Ausgabe 2/2023<br />
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