FineTobacco[+] 04|23
FREUDE AM LEBEN. SPASS AM GENUSS
FREUDE AM LEBEN. SPASS AM GENUSS
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PORTRAIT•LORIOT<br />
Unsterbliche Steinlaus<br />
Um unsterblich zu werden, müssen<br />
manche Menschen ihr Leben lang<br />
schuften. Loriot brauchte dafür gerade<br />
mal drei Jahre. Drei Jahre, um seltsam<br />
gedrechselten Begriffen wie „Sitzgruppe“,<br />
„Kalbshaxe Florida“ oder „Auslegeware“<br />
so etwas wie Würde zu verleihen.<br />
Wenige Folgen, um die einzigartige<br />
Partnerin Evelyn Hamann in den Humor-Olymp<br />
aufsteigen zu lassen. Und<br />
nur einen Sketch, um den Satz „Früher<br />
war mehr Lametta“ in den deutschen<br />
Sprachgebrauch zu verankern. Seitdem<br />
hat das Badeentchen in der Wanne eine<br />
eigene Geschichte und die „Steinlaus“<br />
einen eigenen Eintrag im Pschyrembel:<br />
Im Hinblick auf Nieren- und Gallensteine<br />
nahm das medizinische Wörterbuch<br />
die fiktive Steinlaus 1983 in seine Seiten<br />
auf. Mit ihr hatte Loriot den bekannten<br />
Zoologen und Fernsehmoderator Bernhard<br />
Grzimek gekonnt parodiert. Als die<br />
Steinlaus 1994 in der 257. Auflage des<br />
Pschyrembel fehlte, fegte ein allgemeiner<br />
Sturm der Entrüstung das Tierchen<br />
wieder in die nächste Auflage hinein.<br />
Erfolg hin oder her, 1978 ist Schluss mit<br />
lustig, Loriot beendet mit der sechsten<br />
Folge die gleichnamige Serie. „Man soll<br />
nicht immer alles weitermachen, nur<br />
weil es funktioniert“, erklärt er im Interview<br />
mit dem Schweizer Fernsehen:<br />
„Man muss auch etwas Neues machen<br />
können. Auch auf die Gefahr hin, dass<br />
es nicht funktioniert.“<br />
Quatsch keene Opern!<br />
Denn seine ganz große Liebe ist die Musik.<br />
Vor allem Wagner. Und da versteht<br />
er keinen Spaß. Als der launige Schweizer<br />
Fernsehjournalist von ihm wissen<br />
will, ob er bei diesen Wagneropern bisweilen<br />
nicht lachen müsse, sinkt die<br />
Raumtemperatur im Hause von Bülow<br />
um ein paar Grad. Dann erklärt ihm der<br />
Hausherr dezidiert, warum Wagneropern<br />
nicht komisch seien. Guten Freunden,<br />
wie dem Regisseur Stefan Lukschy<br />
spielt er in seinem Arbeitszimmer gerne<br />
klassische Musik in Orchesterlautstärke<br />
vor. Von Bülow bedauerte zeitlebens,<br />
dass der Plattenspieler das einzige Musikinstrument<br />
sei, das er beherrsche.<br />
Doch zu seiner großen Freude darf er<br />
1982 zum 100. Geburtstag der Berliner<br />
Philharmoniker ein „humoristisches<br />
Festkonzert“ dirigieren. Tatsächlich konzentriert<br />
er sich weiter auf die Musik, inszeniert<br />
als Regisseur 1986 in Stuttgart<br />
die Oper „Martha“ und zwei Jahre darauf<br />
den „Freischütz“ in Ludwigsburg. Die<br />
kongeniale Zusammenarbeit mit Evelyn<br />
Hamann und anderen Kollegen in seinen<br />
früheren Sketchen geht ihm aber<br />
nie aus dem Kopf. Seit langem träumt<br />
er davon, auch mal einen eigenen Film<br />
in die Kinos zu bringen. Der Produzent<br />
Horst Wendlandt schafft es schließlich,<br />
ihn zu einer Zusammenarbeit zu<br />
überreden. So wird der 64-jährige doch<br />
noch zum Jungfilmer: 1988 hat die Mutter-Sohn-Komödie<br />
„Ödipussi“ Premiere,<br />
drei Jahre später ist auch „Pappa ante<br />
portas“ erfolgreich. Jedes Mal feiern seine<br />
Fans das Comeback des Humoristen,<br />
doch eine Rückkehr zu den TV-Sketchen<br />
schließt er immer entschiedener aus.<br />
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<strong>FineTobacco</strong>[+] 04·2023