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Rozmowa - Zbliżenia Interkulturowe

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<strong>Zbliżenia</strong> literackie<br />

Todestag des „Unsterblichen“, bei deren<br />

Gelegenheit Frau Professor Jolles höchstpersönlich<br />

„zu Geldspenden aufrufen“<br />

(ebd.) will. Fonty seinerseits kommentiert<br />

dies kurz und bündig mit einem Fontane-Zitat:<br />

„Der eine hat den Beutel, der<br />

andere hat das Geld.“ (ebd.)<br />

Kurz und gut: Die Archiv-Mitarbeiter<br />

sind am Ende, und sie verwenden auf raffinierte<br />

Weise ihre >Kopfgeburt< Fonty<br />

als Sprachrohr, um diese mißliche Situation<br />

zu artikulieren. Denn wo immer dieser<br />

seine Gegenwart kommentiert, spricht<br />

ja aus ihm der Geist des „Unsterblichen“.<br />

Ob er sich nun gegen die „Raffkes und<br />

Schofelinskis“ (WF, 411) der neuen Gründerzeit,<br />

gegen den Ausverkauf des Kulturbetriebs<br />

und gegen Kritiken wendet, die<br />

„wie von Verbrechern geschrieben sind“<br />

(WF, 549), oder ob er – wie im Kapitel<br />

»Vom Denkmal herabgesprochen« – dessen<br />

vielzitierte Rede über »Die gesellschaftliche<br />

Stellung der Schriftsteller« 13<br />

von 1891 aktualisiert (vgl. WF, 596) – in<br />

den Werken, essayistischen Schriften, Tagebüchern<br />

und Briefen Fontanes wird<br />

Fonty fündig. Und auf diese Weise, so<br />

meine These, wird der subversive Zeitkritiker<br />

im Geiste des „Unsterblichen“<br />

schließlich zur tragenden Figur eines poetischen<br />

Aufklärungskonzepts im Sinne<br />

von Grass 14 , das Phantasie und Vernunft<br />

13 Abgedruckt in: Theodor Fontane: Ach, es<br />

ist schlimm mit den Dichtern. Über Literatur,<br />

Autoren und das Publikum. Hrsg. von Peter<br />

Goldammer. Berlin 1999. S. 192-196<br />

14 Daß Grass anhand dieser Figur auf seinen<br />

eigenen Aufklärungsbegriff anspielt, wird u.a. an<br />

der Stelle deutlich, wo er Fonty vom „Elend der<br />

Aufklärung“ (WF, 597) reden läßt. Vgl. dazu seine<br />

beiden Reden im Rahmen der gleichnamigen<br />

Veranstaltungsreihe der Berliner Akademie der<br />

Künste: »Der Traum der Vernunft« (1984) und<br />

36<br />

miteinander verbindet und in diesem Roman<br />

namentlich der kritischen Reflexion<br />

der Gegenwart auf der Folie ihrer Geschichte<br />

und Literaturgeschichte gilt.<br />

Mit Hilfe der Fonty-Figur beleben die<br />

Archivisten nicht nur ihren eigenen Zugang<br />

zu Fontane, sondern auch einen<br />

zentralen Aspekt ihrer beruflichen Aufgaben:<br />

die Öffentlichkeitsarbeit. Denn<br />

erst indem sie die Geschichte seines<br />

Wiedergängers erfinden, gelingt es ihnen,<br />

Daten, Fakten und Forschungsergebnisse<br />

zu Leben und Werk Fontanes einer<br />

breiteren Öffentlichkeit – mindestens<br />

den Lesenden des Romans – auf unterhaltsame<br />

Weise zugänglich zu machen.<br />

Und indem sie derart die engen Grenzen<br />

ihres wissenschaftlichen Berufsethos<br />

überschreiten, veranschaulichen sie, welche<br />

Wirkungspotentiale literarischen Texten<br />

abzugewinnen sind, wenn man so<br />

phantasievoll mit ihnen umgeht wie<br />

Fonty.<br />

Hierzu einige Beispiele: Wo immer<br />

Fonty, der passionierte Fontane-Leser,<br />

sich zu Wort meldet, verfällt er in bester<br />

Fontanescher Tradition „in ein Geplauder,<br />

das vor- wie rückläufig Zeit raffte; so<br />

unablässig lief ihm der Faden von der<br />

Spule.“ (WF, 179) Und so geht er auch mit<br />

Leben und Werk Fontanes um, das er<br />

nicht etwa chronologisch-linear, sondern<br />

– frei nach dem Grass’schen Erzählprinzip<br />

der „Vergegenkunft“ 15 – Zeit und<br />

»Ist das noch Aufklärung?« (1985), nachzulesen<br />

in: Günter Grass: Essays. Reden. Briefe. Werkausgabe<br />

in zehn Bänden. Hrsg. von Volker Neuhaus.<br />

Bd. X (= hrsg. von Daniela Hermes). Darmstadt<br />

und Neuwied 1987<br />

15 In »Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben<br />

aus« (1979/80) erläutert Grass dieses, für ihn<br />

typische zeitraffende Erzählverfahren wie folgt:<br />

„Wir haben das so in der Schule gelernt: nach

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