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Rozmowa - Zbliżenia Interkulturowe

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Raum raffend durchquert. Ob als Vortragsreisender<br />

des Kulturbunds der ehemaligen<br />

DDR oder nach der Wende im<br />

Dienste der Treuhand, mit seinen eigenwilligen<br />

Fontane-Lektüren, die auf galante<br />

Art unliebsame Wahrheiten zutage fördern,<br />

gelingt es Fonty, die jeweiligen Systeme,<br />

in deren Diensten er steht, subversiv<br />

zu unterwandern. Mit den Worten des<br />

Erzähler-Kollektivs, die sich an dieser<br />

Stelle auf die Zeit vor der Wende beziehen:<br />

„Gewiß, man lächelte, wenn in einem<br />

seiner Vorträge alle Romane aus<br />

pflanzenkundlicher Sicht durchjätet wurden<br />

und, gleich nach dem Heliotrop, den<br />

Immortellen signalhafte Bedeutung zuwuchs;<br />

man vergnügte sich hinter vorgehaltener<br />

Hand, wenn seiner verblüffend<br />

genauen Zitierkunst ironische Anspielungen<br />

auf die sozialistische Gegenwart<br />

gelangen, etwa, indem er Parteifunktionäre<br />

und Reisekader als typisch preußische<br />

Geheimräte und Reserveleutnants<br />

auftreten ließ; kopfschüttelnd, weil damals<br />

noch verblendet, hörten wir seine<br />

Thesen, nach denen die Zukunft des<br />

»vierten Standes« im Arbeiter-und-Bauern-Staat<br />

zwar aufgehoben sei, doch weiterhin<br />

ungesichert bleibe (…).“ (WF, 203)<br />

Und bereits unmittelbar nach dem<br />

Mauerfall ergreift Fonty erneut im Geiste<br />

des „Unsterblichen“ das Wort. Dieses<br />

Mal bemüht er Fontanes Bekenntnis zum<br />

„vierten Stand“ (WF, 53), um auf den be-<br />

der Vergangenheit kommt die Gegenwart, der die<br />

Zukunft folgt. Mir aber ist eine vierte Zeit, die<br />

Vergegenkunft geläufig. Deshalb halte ich auch<br />

die Form nicht mehr reinlich. Auf meinem Papier<br />

ist mehr möglich. Hier stiftet einzig das<br />

Chaos Ordnung. Sogar Löcher und Inhalt hier.“<br />

G. Grass: Werke. Bd. VI. Hrsg. von Christoph<br />

Sieger. Darmstadt und Neuwied 1987. S. 233<br />

Dorothee Römhild: Günter Grass – Ein weites Feld…<br />

vorstehenden Ausverkauf des Ostens<br />

durch den Westen, die Konsequenz einer<br />

‚Einheit ohne Einigkeit‘, hinzuweisen:<br />

„‘In Deutschland hat die Einheit immer<br />

die Demokratie versaut!‘ rief er ins Mikrofon<br />

und bekam Beifall.“ (WF, 55) Und<br />

an anderer Stelle: „‘… das ist die Tendenz<br />

der Treibels. Das Hohle, Phrasenhafte,<br />

Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige<br />

des Bourgeoisstandpunktes‘.“ (WF, 63)<br />

Aber nicht nur als Redner zu aktuellen<br />

politischen Anlässen fördert Fonty<br />

mittels alter Fontanescher Weisheiten so<br />

manche unbequeme Wahrheit zutage.<br />

Bereits in jungen Jahren, während seiner<br />

Zeit als Besatzungssoldat in Frankreich<br />

gegen Ende des zweiten Weltkrieges, hat<br />

er mit Fontane-Lesungen subversiven Widerstand<br />

gegen den Krieg geleistet:<br />

„Fonty gehörte zur Résistance, nein, nur<br />

zeitweilig war er auf Seiten des französischen<br />

Widerstands oder genauer: Der<br />

Obergefreite Theo Wuttke ließ sich ab<br />

Frühjahr 44 von einer kleinen, isoliert aktiven<br />

Partisanengruppe benutzen. Nicht<br />

daß er im Untergrund mit Sprengsätzen<br />

Munitionszüge oder Brücken in die Luft<br />

gejagt hätte, aber einen Partisanensender<br />

(…) hat er mit halbstündigen Vorlesungen<br />

bedient, die für die Soldaten der Besatzungsmacht<br />

bestimmt waren. Er las<br />

insbesondere aus den Büchern des Unsterblichen,<br />

nicht nur aus den Romanen,<br />

auch aus dem schmalen Bändchen<br />

‚Kriegsgefangen, Erlebtes 1870‘ (…) Und<br />

da der Soldat seine Lesungen – etwa aus<br />

»Schach von Wuthenow« mit Kurznachrichten<br />

von der Invasionsfront unterbrach<br />

oder vom Attentat im Führerhauptquartier<br />

Wolfsschanze ohne Tendenz,<br />

eher sachlich berichtete, wobei er“<br />

den „am mißglückten Attentat beteilig-<br />

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