Aare-Schwumm gefällig? - DigiBern
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28. Juni 1996 drWecker Seite 13<br />
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Die Geschichte der Azeb B.<br />
Ein Flüchtlingsschicksal in der Gemeinde Kirchlindach<br />
Azeb B. flüchtete im Februar 1992 knapp ISjährig<br />
von Aethiopien in die Schweiz. Ihr Vater wurde<br />
aus ethnischen Motiven ermordet. Ihre Mutter<br />
sorgte dafür, dass sie mit Hilfe eines Schleppers in<br />
die Schweiz flüchten konnte, sie selber tauchte mit<br />
der kleinen Schwester unter. Seither hat Azeb von<br />
ihrer Familie in Aethiopien nichts mehr gehört. Sie<br />
wurde von ihrem Schlepper am Bahnhof Genf einfach<br />
abgestellt, ohne dass sie sich mit jemanden<br />
hätte verständigen können. So begann ihr Leben<br />
als Asylbewerberin in unserem Land, ohne Verwandte,<br />
ohne Freunde. Azeb wurde dem Erstaufnahmezentrum<br />
in Bolligen zugewiesen und lernte<br />
relativ schnell Englisch und Deutsch. Im Juni 1993<br />
wurde sie nach Meikirch überwiesen, die ersten<br />
Weichen für eine Berufsausbildung gestellt. Azebs<br />
grösster Wunsch ist eine Ausbildung im Pflegebereich.<br />
Seit August 1995 lebt sie in Oberhndach<br />
und arbeitet zur Zeit als Praktikantin im Pflegeheim<br />
Lindenegg. Es bietet sich ihr nun die Möglichkeit<br />
einer Ausbildung zur Pflegeassistentin am<br />
Inselspital Bern. Könnte Azeb während ihrer Ausbildung<br />
im Pflegeheim Lindenegg in Teilzeit weiter<br />
arbeiten; so bliebe sie finanziell von der<br />
Fürsorge unabhängig. Die Ausbildung wäre für sie<br />
eine wichtige Existenzgrundlage, auch bei einer<br />
allfälligen Rückkehr in ihr Heimatland.<br />
Negativer Asylentscheid<br />
Umso schwerer war der Schock für Azeb, als im<br />
November 1995 ihr Asylgesuch im Beschwerdeverfahren<br />
abgewiesen und eine Ausreise per 30. Juni<br />
1996 festgelegt wurde. Mit Hilfe ihrer Freunde,<br />
ihres Arbeitgebers und ihren Betreuerinnen aus<br />
Meikirch, wandte sie sich mit der Bitte an den<br />
Gemeinderat in Kirchlindach,er möge ihren Antrag<br />
für eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung<br />
unterstützen.<br />
Der negative Asylentscheid mit der Wegweisung<br />
per 30. Juni 1996 hat Azeb nämlich buchstäblich in<br />
eine ausweglose Situation gebracht. Es is für ihre<br />
Zukunft von entscheidender Bedeutung, dass sie<br />
eine minimale berufliche Ausbildung erlangen<br />
kann, da sie bei einer allfälligen Rückkehr in ihr<br />
Heimatland völlig auf sich selbst gestellt sein wird.<br />
Diese Ausbildung ist nun durch den negativen<br />
Asylentscheid gefährdet, und ihre einzige Hoffnung<br />
bleibt die humanitäre Aufenthaltsbewilligung.<br />
Kommt dazu, dass die mittlerweile junge Frau in<br />
den letzten vier Jahren, die wohl entscheidensten<br />
Phasen ihrer persönlichen Entwicklung in einem<br />
für sie neuen Kulturkreis verlebt hat. Sie hat hier<br />
Freunde gefunden, wurde von unserer Lebenseinstellung<br />
geprägt und hat wieder etwas Hoffnung<br />
und Zuversicht erhalten. Der Gedanke an eine<br />
Rückkehr in ihr Land, das sich, sowohl politisch<br />
wie auch wirtschftlich, noch immer in einer katastrophalen<br />
Lage befindet, versetzt die alleinstehende,<br />
19jährige Frau in Angst und Schrecken. Sie<br />
hat ja bekanntlich keine familiären oder freundschaftliche<br />
Kontakte mehr zu Aethiopien.<br />
Fragen... und Vergleich<br />
Die Behörden von Kirchlindach haben nun aber<br />
entschieden, sich nicht für Azeb B. zu engagieren.<br />
Sie tun dies mit der Begründung, der letztinstanzliche<br />
Entscheid der Asylrekurskommission sei verbindlich.<br />
Hier stellt sich mir nun aber die Frage, ob<br />
nicht eine Gemeindebehörde ihre Entscheide in<br />
solchen Situationen auf eine menschliche Ebene<br />
stellen kann oder sogar muss. Es drängt sich auch<br />
die Frage auf, ob nicht gerade durch die Ermöghchung<br />
einer Ausbildung jener bürgerlichen Argumentation<br />
Rechnung getragen wird, die darauf<br />
hinzielt. Asylsuchenden, insbesonderen Wirtschaftsflüchthngen,<br />
eine Chance im eigenen Land zu<br />
geben, anstatt dass sie in unserem Land Fürsorgegelder<br />
beanspruchen. Eine Ausbildung wäre<br />
für Azeb B. echte Rückkehrhilfe und würde unsere<br />
Fürsorgeleistungen nicht belasten. Es ist<br />
daher unverständlich, warum sich eine Gemeindebehörde<br />
dafür nicht einsetzen kann.<br />
Persönlich weiss ich aus eigener Erfahrung als<br />
Mitglied einer Gemeindebehörde, wie wirksam<br />
eine Einflussnahme durch die Wohngemeinde<br />
beim Kanton sein kann. Ich glaube nicht, dass eine<br />
fremdenfeindliche Haltung für den Entscheid des<br />
Gemeinderates ausschlaggebend war, vielmehr bin<br />
ich überzeugt, dass eine direkte persönhche Betroffenheit<br />
gefehlt hat und er daher die ganze<br />
Angelegenheit nicht mit dem nötigen Engagement<br />
angegangen hat. Ich erlebe den Unterschied zwi-<br />
-.^0^'-<br />
ffwiiiiH- cAf