Aare-Schwumm gefällig? - DigiBern
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28. Juni 1996 drWeckci Seite 21<br />
Ursula Nold kocht nicht mehr in Bremgarten<br />
Sechs Jahre hat Ursula Nold-Meier in Bremgartens<br />
Schulküche die Kelle geschwungen. Im<br />
August 1990 hat die gelernte Hauswirtschafts- und<br />
Handarbeitslehrerin ihre erste Bremgärteler Schulklasse<br />
übernommen. Aber nicht nur für den obligatorischenSchulunterricht,<br />
auch für Erwachsenenbildung,<br />
welche zu<br />
ihrem Teilpensum-Vertrag<br />
gehörte, wurde sie<br />
angestellt. In der September-Ausgabe<br />
1990<br />
«drWecker» wurde dann<br />
ihr erster Kochkurs in<br />
Bremgarten mit kulinarischem<br />
Thema, Chinesische<br />
Küche, ausgeschrieben.<br />
Entgegen ihrer eigenen<br />
Erwartung und<br />
auch jenen der Schulkommission,<br />
überfüllten<br />
die Anmeldungen innerhalb<br />
kürzester Zeit das<br />
Platzangebot, so musste<br />
bereits der erste Kurs<br />
doppelt geführt werden.<br />
Im Anschluss an diesen<br />
erfolgreichen Start rissen<br />
sich Bremgartens<br />
über vierzig Kurse hat Ursula Nold während der<br />
letzten sechs Jahre durchgeführt. Vorkenntnisse<br />
waren nie verlangt worden und wem Kochen vorher<br />
chinesisch vorkam, konnte kulinarisch gesehen<br />
in weiteren Kochkursen unter anderem<br />
Kochfans um die Plätze. Ursula Nold im Element: alles ist vorbereiiei, gleich beginnt ihr allerletzter<br />
Kaum war «drWecker» Kochkursabend in der Schulküche. hut<br />
gedruckt, die Farbe noch<br />
nass, wurde in der Druckerei nach der Zeitung und<br />
gleich auch nach einer Schere verlangt, um den<br />
erforderlichen Anmeldetalon auszuschneiden, auszufüllen<br />
und in das A-Post frankierte Kuverts zu<br />
stecken, um sich auf jeden Fall einen Platz im<br />
nächsten Kochkurs zu sichern.<br />
Sozial-demokratische Partei SP<br />
Mit Andreas Gross auf der politischen<br />
Baustelle Europa<br />
Am 3. Juni sprach Nationalrat Andreas Gross im<br />
Kirchgemeindehaus zum Thema «Europaintegration<br />
ohne Demokratieverlust» - rund 40 Zuhörerinnen<br />
und Zuhörer nahmen die Einladung<br />
der SP Bremgarten an und waren dabei. Losgelöst<br />
vom gewohnten «Pro und Contra EU» Schema<br />
erörterte Gross sachlich fundiert und historisch<br />
kompetent die Notwendigkeiten,<br />
aber auch die<br />
Chancen und Gefahren<br />
des künftigen Europas.<br />
'ii<br />
mexikanisch, italienisch, vollwertig, schnell und<br />
wie wild lernen.<br />
Nun wird sie auf Ende Juni Bremgarten den<br />
Rücken kehren. Zwar sieht sie Mutterfreuden entgegen,<br />
doch ist dies nicht der eigentliche Grund,<br />
dass sie hier keinen Unterricht mehr erteilt.<br />
sich die Leute zu wenig für gesamteuropäische<br />
Angelegenheiten, viele sind enttäuscht weil sie<br />
ihre Anliegen nirgends einbringen können. Deshalb,<br />
so Andreas Gross, muss die EU offener und<br />
demokratischer werden, nur so lassen sich die<br />
Bürgerinnen und Bürger Europas für sie gewinnen.<br />
Dies gilt auch für Schweizerinnen und Schweizer,<br />
denn auch wir sind Teil dieser europäischen<br />
Gesellschaft. Der freie Markt ist heute der entscheidende<br />
«Ordnunesfaktor». und der ist längst<br />
Andreas Gross" Tätigkeit<br />
in der Europapolitik<br />
ist bisher in Bern verhältnismässig<br />
wenig beachtet<br />
worden. Dabei ist<br />
sie längst zu einem<br />
Hauptbetätigungsfeld<br />
des 43jährigen Historikers<br />
und Politologen geworden.<br />
Er ist Lehrbeauftragter<br />
für direkte<br />
Demokratie und europäischeVerfassungsfragen<br />
an der Universität<br />
Marburg und an der VerwaltungshochschuleSpeyer,<br />
1991 gehörte er zu<br />
den Mitbegründern von<br />
eurotopia, der europäischen<br />
Demokratie und<br />
Verfassungsbewegung. Am Tag nach der SP-Veranstaltung: Der Bremgartener Referent Andreas Gross<br />
«Kein Europa ohne De- (links) , erzählt .,, seinem , Nationalratkollegen, «unserem» Jean-Pierre Bonny, vom<br />
mokratie - ohne Europa gelungenen Abend.<br />
hut<br />
keine Demokratie» - diese Grundthese setzt<br />
über die Grenzen des Nationalstaates hinausge<br />
Andreas Gross jenen entgegen, die behaupten, wachsen. Selbst grösste und mächtigste Staaten<br />
der europäische Integrationsprozess sei unverein haben Mühe, sich gegen die «Hegemonie des<br />
bar mit der echten Demokratie im Sinne der Weltmarktes» zu behaupten. Die Demokratie<br />
Volkssouveränität. «Um eine transnationale Koope muss deshalb auf die Ebene gehoben werden, auf<br />
ration in Europa kommen wir nicht herum, denn der der Markt ist. Auf die transnationale. Das<br />
es ist eine epochale Eigenschaft unserer Zeit, dass Abseitsstehen lässt dem Kleinstaat Schweiz keine<br />
der Staat zu klein geworden ist für die grossen echte Chance, seine Selbstbestimmung zu wahren.<br />
Probleme und Herausforderungen.» Die grosse Die Unabhängigkeit hat so nur noch formalen<br />
Schwäche der heutigen EU liegt laut Gross aber in Charakter, jede nationalstaatliche Demokratie ist<br />
ihrem Demokratiedefizit. Deshalb interessieren heute bereits erpressbar. Die Frage kann also nicht<br />
Im August beginnt Ursula eine berufsbegleitende<br />
Weiterbildung am didaktischen Institut Solothurn.<br />
Sie wäre gerne Lehrerin an Bremgartens Schule<br />
gebheben, doch ist es offenbar der Schulkommission<br />
nicht möglich gewesen die Hauswirtschafts-<br />
Lektionen, welche auf zwei andere Wochentage<br />
verlegt werden hätten müssen, mit dem Stundenplan<br />
zu koordinieren. Um nicht ganz aus der Praxis<br />
zu kommen wird Ursula Nold in Kehrsatz weiterhin<br />
vier Lektionen Hauswirtschaftsunterricht und<br />
eine Lektion Informatik unterrichten.<br />
In Bremgarten am Besten gefallen haben ihr der<br />
Unterricht mit den Schülern und den Kontakt zu<br />
den Eltern. Vorallem auch durch die Kochkurse<br />
sei ein grosses Interesse am hauswirtschaftlichen<br />
Schulstoff entstanden, welcher ja bekanntlich nicht<br />
nur aus Kochen besteht: Hygiene, Ernährungsgrundlagen<br />
und Haushaltungsbudgets sind auch<br />
sehr wichtige Themen. Für die schöne Zeit und die<br />
vielen guten Kontakte, welche sie hier erfahren<br />
durfte ist Ursula dankbar.<br />
Beim Hauswirtschaften das Organisieren und<br />
Koordinieren vielfach geübt, wird es ihr nicht<br />
schwer fallen. Weiterbildung, Unterricht und Muttersein<br />
unter einen Hut zu bringen. Unterstützt<br />
von ihrem Mann und von den zukünftigen Grossmüttern,<br />
die bereits mit Vorfreude ihr Dazutun<br />
zugesichert haben, kann Ursula sich auch in Zukunft<br />
Zeit nehmen für ihre persönlichen kulinarischen<br />
Favoriten. Am liebsten kreiere sie der<br />
Saison angepasste Gerichte. Inspirieren lässt sie<br />
sich jeweilen beim gemütlichen Einkauf auf dem<br />
Markt.<br />
Die Redaktion wünscht Dir viel Erfolg und vielleicht<br />
treffen wir Dich mal auf einem Einkaufsbummel.<br />
Solltest Du in einem Kochkurs, wo<br />
auch immer, einen Ersatz brauchen, so weisst Du<br />
sicherlich, dass aus Bremgarten viele Kochfans<br />
auch kurzfristig einspringen würden. cw<br />
mehr sein, ob wir suprastaatlich kooperieren wollen,<br />
die Frage beschränkt sich nur auf das wie.<br />
Die europaskeptische Stimmung in der Schweiz<br />
führt Gross auf einen Fehlschluss aus der Geschichte<br />
zurück. Weil sich unser Alleingang bewährt<br />
hat, glauben wir damit auch in Zukunft<br />
durchzukommen. Dies vor allem, weil unsere nationale<br />
Souveränität nach dem zweiten Weltkrieg<br />
geradezu mystisch überhöht wurde. Zudem hat uns<br />
die EWR Abstimmung in eine Sackgasse geführt.<br />
Der EWR war im demokratischen Bereich noch<br />
viel schwächer als die EU es an sich schon ist.<br />
Gerade da sind aber die Schweizerinnen und<br />
Schweizer besonders sensibel. Der EWR verkannte<br />
die Aufgaben der europäischen Integration<br />
völlig.<br />
Zum Abschluss seines Referates präsentierte<br />
Andreas Gross seine Vorstellungen des künftigen<br />
Europas. Ein demokratisch verfasstes Europa soll<br />
es sein, ein föderalistisches Europa mit direktdemokratischen<br />
Elementen. Und es soll sich gegen<br />
Osten öffnen, eine Vorstufe zu einer globalen<br />
Zusammenarbeit aller Völker sein.<br />
Anschliessend ging Andreas Gross auf Fragen aus<br />
dem Publikum ein. Ob Europa für eine direkte<br />
Demokratie nicht viel zu gross sei, wollte etwa ein<br />
junger Zuhörer wissen. Gross bestritt nicht, dass<br />
Grösse für die Demokratie ein Problem ist,<br />
«gerade deshalb ist Europa für die Demokratie<br />
eine grosse Herausforderung.» Andererseits stimme<br />
es aber nicht zwingend, dass die Demokratie in<br />
kleinen Einheiten besser funktioniert, denn «sie<br />
setzt die Freiheit voraus, anderer Meinung zu sein<br />
als die Mehrheit.» Und dass ist in einem Dorf<br />
bekanntlich oft schlechter möglich als in einer<br />
Stadt...<br />
Weit über zwei Stunden dauerten das Referat und<br />
die anschliessende Diskussion, doch das Bleiben<br />
hatte sich gelohnt. Erfreulich war an diesem<br />
Abend , dass auch viele «Nicht-SPler» die Gelegenheit<br />
nutzten, um sachlich und konstruktiv über<br />
Europa zu diskutieren. Viele erhielten neue Anregungen<br />
um an ihrer Europaidee weiterzubauen.<br />
Solche Diskussionen müssen geführt werden, als<br />
Basis für ein Europa, dass allen Bewohnerinnen<br />
und Bewohnern friedliche Verhältnisse, eine<br />
intakte Umwelt und faire Lebenschancen eröffnet.<br />
Und auch wenn einigen die Baupläne eines<br />
Andreas Gross' als zu utopisch erschienen, es ist<br />
wichtig, solche Utopien zu entwickeln. Denn, so<br />
schloss Andreas Gross den Abend, «Utopien<br />
haben nicht den Sinn, dass man sie erreichen<br />
kann, sondern dass man sich in einer ständigen<br />
Bewegung auf sie zu befindet...» Oliver Krüger