Deutsche Warenkunde- und Technologie-Tage - DGWT
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USABILITY<br />
der Experten-Nichtexperten-Kommunikation nicht in erster Linie darum, dass Experten ihr Wissen an Nichtexperten<br />
weitergeben (Container-Modell der Kommunikation), sondern dass man davon ausgehen muss, dass<br />
die so genannten Nichtexperten bereits ein Wissen mitbringen, das aus sehr verschiedenen Quellen stammt <strong>und</strong><br />
dass sich dieses Wissen vermischt mit den Angeboten der technischen Dokumentation (Modell: Kommunikation<br />
als Interaktion, Rothkegel 2009). So findet man in den fachbezogenen Texten den eingeschränkten <strong>und</strong><br />
definierten Begriff der Sicherheit im Sinne von Betriebssicherheit oder Produktsicherheit, während in den<br />
Werbetexten eher ein weiter gefasster, alltagssprachlicher Begriff verwendet wird. Damit kommen wir zu<br />
unserem Ausgangspunkt zurück. Die Frage ist, welche Gebrauchstauglichkeit weisen Begriffe auf, die eher ein<br />
Spektrum von Bedeutungen abdecken <strong>und</strong> damit per se wenig zur Verständlichkeit von Texten beitragen bzw.<br />
das Missverstehen seitens der Adressierten begünstigen. Im Folgenden wird dieser Problemfall anhand von<br />
drei dargestellten Nutzungsszenarien mit Bezug zum Produkt Automobil veranschaulicht. Der Analyse geht<br />
eine knappe Diskussion dessen voraus, was unter einem Begriff im sprachwissenschaftlichen Sinne verstanden<br />
wird. Dies wiederum ist die Gr<strong>und</strong>lage für eine Skizze des Begriffsfeldes Sicherheit <strong>und</strong> Risiko.<br />
2 Begriffe <strong>und</strong> Begriffsfelder: Beispiel Sicherheit <strong>und</strong> Risiko<br />
Die Systematisierung von Fachbegriffen ist Arbeitsgebiet der Terminologie (Terminologiearbeit, vgl.<br />
Arntz/Picht/Mayer 2004). Basis ist zunächst die zentrale Unterscheidung von Begriff <strong>und</strong> Benennung. Mit dem<br />
Begriff ist das mentale Konzept, also eine abstrahierte Vorstellung <strong>und</strong> Denkeinheit gemeint, die durch einen<br />
sprachlichen Ausdruck als Benennung in einer Einzelsprache realisiert wird. Wenn wir über Autos reden, können<br />
wir zweierlei meinen: ein bestimmtes individuelles Objekt, das z. B. einer bestimmten Person gehört <strong>und</strong><br />
eine bestimmte Farbe hat (F. könnte sein Auto auch mal waschen) oder eine abstrakte Klasse, denen alle Autos<br />
gedanklich zugeordnet werden (Das Automobil gehört zu den erfolgreichsten Erfindungen). Nun können verschiedene<br />
sprachliche Ausdrücke zur Verfügung stehen: Automobil, die Kurzform Auto, Kraftfahrzeug oder<br />
auch Spaßausdrücke wie fahrbarer Untersatz. Sie gelten als Synonyme, insofern als sie auf die gleiche Klasse<br />
von Gegenständen verweisen (vgl. auch Fernsprecher <strong>und</strong> Telefon, Lift <strong>und</strong> Aufzug). Synonyme erschweren<br />
die Fachkommunikation, zumal nicht immer klar ist, welches der gemeinte Gegenstand ist. Aus diesen Gründen<br />
gibt es Normungsinstitute (z. B. DIN), deren Ziel die Festlegung der gültigen Benennungen ist. Damit ist<br />
die Zuordnung von Begriff <strong>und</strong> Benennung geklärt, synonyme Ausdrücke gelten weiterhin als mögliche<br />
Bezeichnungen, als verbindlicher Ausdruck in der jeweiligen Fachkommunikation gilt aber nur der als Benennung<br />
festgelegte Ausdruck.<br />
Nicht tangiert ist davon die Festlegung, was mit dem Begriff gemeint ist, also was seine Bedeutung ist. So<br />
fragt sich, welcher Begriff ist mit dem Ausdruck Sicherheit gemeint. Dazu folgende Formulierungen: Sicherstellung<br />
einer hohen Qualität, Zuverlässigkeit gewähren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit oder<br />
folgende ADAC-Zitate (Heft 10/2007): „Wer im Alltag sportliches Fahren richtig versteht, der ist sicherer<br />
unterwegs. Wir meinen: der X <strong>und</strong> alle anderen Autos sollten mardersicher sein. Auf den Test der Kindersicherheit<br />
wurde verzichtet. Die neue x-Klasse erreicht beim Insassenschutz klar fünf Sterne. Beim Fußgängerschutz<br />
enttäuschen alle.“<br />
Auch wenn die jeweiligen Kontexte der zitierten Äußerungen verschieden sein mögen, zeichnen sich<br />
Bedeutungsmerkmale ab wie ‚Zuverlässigkeit’, ‚Schutz des Objekts vor Schaden’ <strong>und</strong> ‚Schutz vor einem<br />
schädlichen Objekt’ sowie Graduierungen von Sicherheit mit dem Komparativ (sicherer) <strong>und</strong> der Gegenüberstellung<br />
von Sicherheit als höchste Wahrscheinlichkeit. Die wenigen beliebigen Beispiele machen bereits<br />
deutlich, dass Bedeutung kontextabhängig ist <strong>und</strong> daher nur im Kontext mit anderen Begriffen interpretiert<br />
werden kann.<br />
In der Risikoforschung der 80er Jahre (vgl. Becks „Risikogesellschaft“, 1986, aktualisiert zur Weltrisikogesellschaft<br />
2007; zur interdisziplinären Forschung vgl. Banse/Bechmann 1999) stand der Begriff des Risikos<br />
im Vordergr<strong>und</strong>, während gegenwärtig der Begriff der Sicherheit Aktualität erreicht hat. Geändert hat sich die<br />
Perspektive, die beteiligten Begriffsfelder sind dagegen die gleichen geblieben. So geht es einerseits um ein<br />
unerwünschtes Ereignis (Panne, Unfall, Katastrophe), für das ein Risiko besteht, andererseits um die Interventionen,<br />
die als Reaktion plan- <strong>und</strong> ausführbar sind. Sie betreffen den Bereich der Sicherheit <strong>und</strong> sind unterteilt<br />
in Bezug auf dieses Ereignis als Aktionen der Prävention (Vor-Ereignis), als Aktionen während des Ereignisses<br />
<strong>und</strong> als Aktionen nach dem Ereignis (Nach-Ereignis). Insbesondere die Prävention ist Bestandteil der technischen<br />
Dokumentation (Rothkegel/Villiger 2005).<br />
Die Graduierung einer möglichen Schadensschwere bei Eintritt eines solchen Ereignisses (Unfall) ist für die<br />
technische Dokumentation genormt. Kategorien sind der Grad der Gefahr (Aumerksamkeit erzeugen), die Art<br />
<strong>und</strong> Quelle der Gefahr (Aufmerksamkeit auf Gefahrenquelle lenken), mögliche Folgen (Motivation zum Handeln<br />
schaffen) <strong>und</strong> Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (richtiges Handeln aufzeigen). Zu den häufig verwendeten<br />
Normen gehört die Einteilung nach ANSI (American National Standards Institute). Sie umfasst vier Stufen,<br />
die durch bestimmte Signalwörter gekennzeichnet sind:<br />
FORUM WARE 36 (2008) NR. 1 - 4