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Mein Leben nach der ILB - Lernwerkstatt Brigittenau

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Der Newsletter <strong>der</strong> Integrativen <strong>Lernwerkstatt</strong> <strong>Brigittenau</strong> Nr. 6 - April 2008<br />

<strong>Mein</strong>e Schwester und<br />

die „schöne Hand“<br />

Die Margit und <strong>der</strong> Igel<br />

Historisch-Biografisches<br />

<strong>Mein</strong>e Geschichte beginnt mit <strong>der</strong> Geburt<br />

meiner Schwester Doris in den späten<br />

Tagen des Oktobers 1950.<br />

Sechs Jahre später, 1956, wurde ich als<br />

zweite Tochter meiner Eltern geboren. Auch<br />

ein Winterkind, das in diesen Jahren, knapp<br />

<strong>nach</strong> diesem schrecklichem Krieg, nicht<br />

unwesentlich ist zu bemerken.<br />

Durch Erzählungen meiner Eltern weiß ich,<br />

dass ich ein sehr aufgeweckter Säugling<br />

war. Schon im Alter von drei Monaten<br />

versuchte ich dem damals üblichen<br />

Wickelpolster zu entfliehen.<br />

Doris, meine große Schwester, beobachtete<br />

mich Neuankömmling sehr interessiert. Sie<br />

versuchte mit den gleichen Brabbeltönen,<br />

die ich von mir gab, verbal Kontakt mit mir<br />

auf zu nehmen. Schnell entstand eine enge<br />

Geschwisterbindung.<br />

<strong>Mein</strong>e ersten Worte waren Mama und Doli,<br />

im stolzen Alter von elf Monaten. Für Doris<br />

war ich die Magit, fällt bei meinem<br />

Namen nicht so sehr auf, dass wir das „r“<br />

erst gut drei Jahre später lernen sollten.<br />

Mit fünf Jahren, zur Vorbereitung auf die<br />

Schule, begann für mich die Kin<strong>der</strong>gartenzeit.<br />

Die ersten Schritte aus <strong>der</strong><br />

Familie. Ich erlebte zum ersten Mal<br />

gleichaltrige Kin<strong>der</strong>, und gleich so viele.<br />

Möchte noch erwähnen, dass wir bis<br />

dahin auf dem Land und recht<br />

zurückgezogen lebten, erst kurz vorher<br />

aus dem nie<strong>der</strong>österreichischem Herzogenburg<br />

<strong>nach</strong> Wien übersiedelt waren.<br />

So ganz genau kann ich mich an die<br />

ersten Tage im Kin<strong>der</strong>garten nicht<br />

erinnern. Eine Begebenheit hat sich<br />

jedoch ganz fest eingeprägt. Sie hat<br />

mich in all meinem Tun erschüttert.<br />

<strong>Mein</strong>e Kin<strong>der</strong>gartentante schaffte mir an,<br />

ab sofort mit <strong>der</strong> schönen Hand zu<br />

zeichnen, zu schneiden, die Spielfiguren<br />

beim „Mensch ärgere dich nicht“ zu<br />

führen,“ Weil sonst tust du dir in <strong>der</strong><br />

Schule ganz schwer. Alles mit <strong>der</strong><br />

schönen Hand machen! Ja!!!!!“<br />

Viele Tage betrachtete ich meine Hände<br />

von allen Seiten. Versuchte den<br />

Unterschied zwischen meinen Händen<br />

auszumachen.<br />

„Welche Hand ist die Schöne?!!!“<br />

fragte ich einige Tage später, meine<br />

Hände vor mich gestreckt, die Tante.<br />

Endlich wollte ich es wissen.<br />

Durch diese Frage hat sich im Jahre<br />

1961 eine Kin<strong>der</strong>gartentante in ihrer<br />

Autorität untergraben gefühlt, sicher<br />

war es damals schon eine Beleidigung<br />

Linkshän<strong>der</strong>in zu sein, nicht <strong>der</strong> Norm<br />

zu entsprechen, aber so laut -weil<br />

aufgeregt- zu fragen, eine Frechheit.<br />

Die erste Vorladung meiner Mutter<br />

war fällig. Viele sollten folgen auch in<br />

den nächsten Jahren meiner<br />

Schullaufbahn.<br />

Das Umgewöhnen auf rechts, dem<br />

meine Mutter schon am Beginn <strong>der</strong><br />

ersten Volksschulklasse zugestimmt<br />

hatte, war mit körperlicher Gewalt<br />

verbunden. Leicht war ein Gürtel<br />

entwickelt, <strong>der</strong> sich um das<br />

Handgelenk meiner unschönen Hand<br />

legte, um diese auf den Rücken zu<br />

biegen und zu fixieren.<br />

Gut war es in diesen schwierigen<br />

Zeiten eine große Schwester zu<br />

haben, bei <strong>der</strong> ich mich ausweinen<br />

konnte. Der ich erzählen konnte, was<br />

auch toll war in <strong>der</strong> Schule. Ihr<br />

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