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Zur Medizingeschichte der Votivtafeln in der Kirche auf dem ...

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Die Verweisungsfunktion <strong>der</strong> Votivschlüssel, die ebenfalls geopfert wurden, ist wie bei<br />

ähnlichen Votiven aus se<strong>in</strong>em Gebrauch im täglichen Leben zu verstehen. Er steht sowohl<br />

für Wünsche, die im Bereich des Geschlechtlichen liegen, als auch für Gelübde,<br />

die bei e<strong>in</strong>er schweren Geburt gemacht wurden. Wie <strong>der</strong> Schlüssel e<strong>in</strong> Schloß öffnet<br />

und wie<strong>der</strong> verschließt, so soll dieses Votiv erreichen, daß sich <strong>der</strong> Schoß <strong>der</strong> Gebärenden<br />

öffnet und e<strong>in</strong>e leichte Geburt erfolgen kann. E<strong>in</strong> altes Gebet, das früher Gebärende<br />

bei <strong>der</strong> Geburt beten sollten, lautet: „Liebe Gottesmutter, gib mir die Schlüssel<br />

de<strong>in</strong>, daß sich öffnen kann die Lende me<strong>in</strong>." Der Liebende erhoffte sich von <strong>dem</strong> Votiv,<br />

daß sich das Herz se<strong>in</strong>er Angebeteten ihm öffne. Schlüssel wurden sowohl <strong>in</strong> Griechenland<br />

wie auch <strong>in</strong> Wallis gefunden, ebenso <strong>in</strong> Ober- und Nie<strong>der</strong>bayern. Grabungsfunde<br />

beweisen, daß das Schlüsselvotiv schon <strong>in</strong> vorreformatorischer Zeit bekannt<br />

war 64 .<br />

Abschließend soll noch e<strong>in</strong> Votiv, nämlich die Augenschüsseln, Erwähnung f<strong>in</strong>den.<br />

Auf verschiedenen <strong>Votivtafeln</strong> s<strong>in</strong>d Schüsseln o<strong>der</strong> Schalen zu sehen, <strong>auf</strong> denen e<strong>in</strong> Augenpaar<br />

liegt. Die angerufene Heilige ist meist die Heilige Lucia. Wie die Heilige Lucia<br />

zu diesem Patronat gekommen ist, darüber gibt es ke<strong>in</strong>e genauen Auskünfte. Man<br />

nimmt an, daß es sich aus <strong>der</strong> Bedeutung des Wortes „Lucia" gleich Licht entwickelt<br />

hat. Die Schale war das ursprüngliche Attribut <strong>der</strong> Heiligen, und die Augen dürften<br />

sich aus ihrem Augenpatronat entwickelt haben. Erw<strong>in</strong> Richter 65 sieht im spiegelnden<br />

Boden <strong>der</strong> Schüsseln e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>en ursprünglich heidnischen Spiegelzauber.<br />

Die Volksmediz<strong>in</strong> glaubte, durch langes Betrachten des eigenen Spiegelbildes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Spiegel o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er spiegelnden Fläche sich von Kopfschmerzen o<strong>der</strong> von Augenbeschwerden<br />

befreien zu können. Gleichzeitiges Auftreten bei<strong>der</strong> Symptome s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>ik geläufig! Es könnte sich also bei diesen Darstellungen um Danksagungen bei <strong>der</strong><br />

Heilung von Augenkrankheiten handeln, die mit Hilfe <strong>der</strong> Therapie mit <strong>dem</strong> Spiegel erfolgt<br />

ist. Die Tatsache, daß sich <strong>der</strong> Spiegelzauber im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht<br />

mehr nachweisen läßt, läßt diese Interpretation <strong>der</strong> Augenschüsseln unwahrsche<strong>in</strong>licher<br />

ersche<strong>in</strong>en. Die wahrsche<strong>in</strong>lichere Interpretation ist die Übertragung des Namens Lucia<br />

<strong>auf</strong> das Patronat, so gelangten <strong>auf</strong> das ursprüngliche Attribut <strong>der</strong> Schüssel die Augen,<br />

die das Anliegen <strong>der</strong> Bittsteller jetzt deutlicher auszudrücken vermochten 66 .<br />

Nicht unerwähnt gelassen werden dürfen die Votivtafelmaler. Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Votivtafelmalerei<br />

waren es noch reiche Herrschaften, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weiterentwicklung des Brauches<br />

<strong>der</strong> Stifterbil<strong>der</strong> <strong>Votivtafeln</strong> stifteten. Die Maler dieser Tafeln waren Meister ihres<br />

Faches, so hat Tizian für e<strong>in</strong>e <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Venedig e<strong>in</strong> Bild gemalt, das ihn und se<strong>in</strong>en<br />

Sohn darstellt. Nach<strong>dem</strong> die <strong>Votivtafeln</strong> immer beliebter und dadurch häufiger wurden,<br />

nahm auch die künstlerische Qualität <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> ab. Die Auftraggeber g<strong>in</strong>gen meist<br />

zu den im Ort ansässigen Handwerkern, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Malerei Erfahrung hatten, dies waren<br />

die Möbelschre<strong>in</strong>er, die Schränke und Betten mit <strong>der</strong> traditionellen Bauernmalerei<br />

versahen. An<strong>der</strong>e Schöpfer waren begabte „Sonntagsmaler", die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegend bekannt<br />

waren und zu denen die Bittenden mit ihren Wünschen kamen. In <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong><br />

Wallfahrtsorte arbeiteten aber auch Künstler, welche die Herstellung <strong>der</strong> Tafeln gewerblich<br />

betrieben. Zu ihnen kamen die Bittenden mit sehr genauen Vorstellungen von<br />

<strong>dem</strong>, was sie <strong>auf</strong> den Tafeln abgebildet haben wollten. Die exakten Anweisungen, die<br />

<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Rückseite von Tafeln gefunden wurden, erlauben e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Wünsche<br />

<strong>der</strong> Auftraggeber 67 . Neben <strong>der</strong> großen Masse gewöhnlicher Bil<strong>der</strong> lassen sich auch<br />

welche nachweisen, die von bedeutenden Meistern angefertigt wurden. So gibt es Ta-<br />

68

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