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Zur Medizingeschichte der Votivtafeln in der Kirche auf dem ...

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Bei dieser Votivtafel handelt es sich um die klassische Form e<strong>in</strong>er Tafel, die alle Bestandteile<br />

e<strong>in</strong>er Votivtafel <strong>auf</strong>weist. In <strong>der</strong> Sphäre des Himmlischen ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e<br />

Beson<strong>der</strong>heit zu beobachten. Der Votant hat zwei Gnadenbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mutter Gottes<br />

darstellen lassen und sie auch im Text, <strong>der</strong> die Votation beschreibt, <strong>auf</strong>geführt, nämlich<br />

die Mutter Gottes von Geiersberg und die von Sammarei 95 . Hier wird deutlich, daß für<br />

den Votanten die Mutter Gottes nicht e<strong>in</strong>e Person war, die'ubiquitär <strong>auf</strong>tritt; jede Gnadenmuttergottes<br />

hatte vielmehr ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigenes Leben, mit<br />

<strong>der</strong> Vollmacht, für den Bittenden helfend e<strong>in</strong>zutreten. Typisch für diese Vorstellung ist<br />

die exakte Darstellung <strong>der</strong> beiden Gnadenbil<strong>der</strong>, wobei von je<strong>dem</strong> e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong> Gnadenstrahl<br />

<strong>auf</strong> den Votanten fällt, was die Heilung symbolisieren soll. Der Bildteil, <strong>der</strong><br />

die irdische Handlung darstellt, zeigt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Stube ohne Mobiliar, mit blankem<br />

Boden und e<strong>in</strong>er schweren Zimmertüre. Der Kranke ist sitzend dargestellt <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>em<br />

großen Brett gelagert, mit freiem Oberkörper. Um die Brust ist e<strong>in</strong> breiter Strick o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong> dickes Band geschlungen, an <strong>dem</strong> zwei Frauen mit aller Kraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung ziehen,<br />

<strong>in</strong><strong>dem</strong> sie sich am Krankenlager mit den Füßen abstützen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

ziehen, <strong>auf</strong> ähnliche Weise abgestützt, zwei kräftige Männer am rechten Arm. Diese<br />

vier Personen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ortsüblicher Kleidung dargestellt. An <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Schulter macht<br />

sich e<strong>in</strong> dunkel gekleideter Mann zu schaffen, <strong>der</strong> das Schultergelenk e<strong>in</strong>zurenken<br />

sche<strong>in</strong>t. Die über den Personen zu sehenden Kreuze wurden erst nach <strong>dem</strong> Tod <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Person angebracht. Hier wird dar<strong>auf</strong> h<strong>in</strong>gewiesen, daß es sich bei den Votivbil<strong>der</strong>n<br />

nicht alle<strong>in</strong> um Bittbil<strong>der</strong> für irdische Belange handelt, son<strong>der</strong>n auch um Bittbil<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> religiösen Belangen und um Er<strong>in</strong>nerungsbil<strong>der</strong> an die Verstorbenen, die deshalb<br />

im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> durch Kreuzchen gekennzeichnet wurden. Interessant ist die Unterschrift,<br />

die dar<strong>auf</strong> h<strong>in</strong>weist, daß <strong>der</strong> Votant 26 Wochen gewartet hat, bis er sich entschließen<br />

konnte, sich an e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>isch ausgebildete Person, e<strong>in</strong>en Ba<strong>der</strong>, zu wenden.<br />

Dieser Ba<strong>der</strong> wird sogar namentlich genannt: „Der Korier und Ba<strong>der</strong> von Breitlsbach."<br />

Das Bild ist e<strong>in</strong> Dokument dafür, daß die Ba<strong>der</strong> es mit Geschick verstanden haben,<br />

die Menschen beson<strong>der</strong>s bei alltäglichen Blessuren, wie Schulterluxationen, vorzüglich<br />

zu behandeln. Vor allem bei diesen Krankheiten konnten die aka<strong>dem</strong>isch gebildeten<br />

Ärzte ke<strong>in</strong>e Hilfe bieten, selbst wenn sie für den Patienten f<strong>in</strong>anziell erschw<strong>in</strong>glich<br />

waren, denn ihnen war es jahrhun<strong>der</strong>telang vorbehalten, und sie beschränkten sich<br />

auch dar<strong>auf</strong>, den Patienten <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> zu nehmen, die Haut zu begutachten, Puls<br />

und Ur<strong>in</strong> zu untersuchen und zu bewerten. Um die chirurgischen Tätigkeiten sorgten<br />

sich nur die Ba<strong>der</strong> und Wundärzte. Aber auch unter diesen gab es Standesunterschiede,<br />

und erst 1580 <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Augsburger Reichstag wurden die Ba<strong>der</strong> für zünftig erklärt und<br />

re<strong>in</strong> gesprochen.<br />

Das Wissen über Fraktur und Luxation war im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t äußerst dürftig. Über<br />

die Luxation gab es im deutschsprachigen Raum ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Arbeit. Bei <strong>der</strong> Reposition<br />

herrschte, wie auch <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Bild zu sehen, rohe Gewalt 96 . Durch J. L. Petit wurde<br />

das Verfahren, den aus <strong>der</strong> Pfanne ausgerenkten Gelenkkopf <strong>auf</strong> <strong>dem</strong>selben Weg, also<br />

durch die Kapselöffnung, zu reponieren, wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt. Man versuchte das Gelenk<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Art und Weise zu reponieren, wie es auch ausgerenkt worden war.<br />

Man ließ die Extension und die Kontraextension <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Stärke, aber allmählich<br />

<strong>auf</strong> das verrenkte Glied selbst wirken, und die Zugstricke legte man nahe an die Kondylen<br />

an, welche durch e<strong>in</strong>e Unterlage gut geschützt waren, e<strong>in</strong>e Verfahrensweise, die<br />

auch hier <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Bild angewandt wird. Die Schwierigkeit, alte Verrenkungen e<strong>in</strong>zu-<br />

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