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kar tenv or verkauf a - Bizz! Das Magazin

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26<br />

kulttour<br />

Im Reisegepäck:<br />

Die Sprache der Heimat<br />

Geht es Ihnen nicht auch so? Gerade im Frühjahr überkommt mich das<br />

Fernweh und ich male mir zahlreiche Reisen aus, die ich unternehmen<br />

möchte. Dabei packe ich – im Vergleich mit dem Durchschnittsdeutschen,<br />

wenn man Statistiken glauben darf – eher selten die Koffer. Haben Sie eigentlich<br />

Ihren nächsten Urlaub schon geplant? Also, wenn Ihr Reiseziel<br />

noch nicht feststeht, Sie abenteuerfreudig sind und sich im Ausland auch<br />

mit ihrem heimischen Dialekt verständigen wollen, dann wäre Trans<strong>kar</strong>patien<br />

in der Westukraine ein überaus spannendes Reiseziel. Denn, ich<br />

habe es in einem früheren Bairischen Eck schon einmal erwähnt, d<strong>or</strong>t gibt<br />

es Orte, in denen Einheimische noch heute u. a. bairische und fränkische<br />

Dialekte sprechen. Zur V<strong>or</strong>bereitung machen wir einfach heute schon mal<br />

eine kleine Reise in die Geschichte dieser Region – immer mit dabei: Die<br />

Sprache der Heimat.<br />

Trans<strong>kar</strong>patien, das zum Staatsgebiet der Ukraine gehört, hat eine bewegte<br />

Geschichte hinter sich. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die<br />

Region durch wechselnde Machthaber und durch die Zuwanderung verschiedener<br />

Volksstämme geprägt. V<strong>or</strong> allem im 20. Jahrhundert wechselte<br />

die politische Zugehörigkeit Trans<strong>kar</strong>patiens mehrmals. Zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts war diese Region Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie,<br />

zwischen den beiden Weltkriegen gehörte es zur Tschechoslowakei,<br />

von 1939 bis 1944 zu Ungarn und ab 1945 zur Sowjetunion. Seit 1991<br />

schließlich ist Trans<strong>kar</strong>patien Teil der souveränen Ukraine. Bereits im 18.<br />

und 19. Jahrhundert, unter dem Einfluss der habsburgischen Monarchie,<br />

entwickelte sich dieses Gebiet zu einem multiethnischen Raum, den bis<br />

heute eine bemerkenswerte Vielfalt an Sprachen auszeichnet. Momentan<br />

kann man hier neben deutschen Dialekten eine ganze Reihe von Sprachen<br />

antreffen: Ruthenisch, das eine Variante des Ukrainischen darstellt,<br />

Russisch, Ungarisch, Rumänisch, Slowakisch, Tschechisch, Jiddisch und<br />

Romanes.<br />

Die deutschen Sprachf<strong>or</strong>men in den Trans<strong>kar</strong>paten gehen auf mehrere Einwanderungswellen<br />

zurück. Ab dem 12. Jahrhundert gab es d<strong>or</strong>t deutschsprachige<br />

Siedler, die sich aber mit den ansässigen Slawen und Ungarn<br />

vermischten und ihre deutsche Sprache aufgaben. Im Unterschied dazu<br />

behielten die späteren Einwanderer, die im 18. und 19. Jahrhundert kamen,<br />

ihren Dialekt bei. Diese Deutschsprachigen wanderten zum Beispiel aus<br />

dem Böhmerwald, dem Salzkammergut und aus Niederösterreich, aber<br />

auch aus Franken ein. Letztere kamen verstärkt ab 1730 durch Verfügung<br />

das bairische Eck<br />

Dialektwächterin Isabella Guttenstein<br />

der Grafen von Schönb<strong>or</strong>n, eines einflussreichen fränkischen Adelsgeschlechts,<br />

in das westukrainische Gebiet in und um Munkatsch/ Mukaevo<br />

sowie in nahe gelegene Dörfer wie zum Beispiel Pausching/ Pavšyno. Hintergrund:<br />

Anfang des 18. Jahrhunderts hatten die Grafen von Schönb<strong>or</strong>n<br />

vom habsburgischen Kaiserhaus Ländereien<br />

in der Karpaten-Ukraine erhalten. Um dieses<br />

Land zu bewirtschaften und v<strong>or</strong> allem gegen<br />

eine Inbesitznahme durch östliche Machthaber<br />

zu schützen, wurden fränkische Aussiedler<br />

angew<strong>or</strong>ben, denen man besondere V<strong>or</strong>teile<br />

versprach, so etwa Grund und Boden,<br />

Felder, äcker und ähnliches sowie Steuerbefreiungen.<br />

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen<br />

außerdem Menschen aus dem Salzkammergut nach Trans<strong>kar</strong>patien und<br />

ebenfalls im 18. Jahrhundert siedelten sich Niederösterreicher d<strong>or</strong>t an. Die<br />

ersten deutsch-böhmischen Aussiedler kamen 1827, in den folgenden Jahrzehnten<br />

zogen weitere zu und es kam zu Neugründungen von Ortschaften.<br />

Durch den Kontakt fränkischer Siedler mit bairisch-österreichischen Dialekten<br />

entstanden neben den reinen Dialekten auch Mischdialekte.<br />

Wer heute in die Westukraine, nach Trans<strong>kar</strong>patien reist, kann d<strong>or</strong>t in einigen<br />

Dörfern, aber auch in Munkatsch selbst, noch Menschen antreffen, mit<br />

denen man sich im bairischen oder fränkischen Dialekt unterhalten kann.<br />

Wahrscheinlich hat gerade die lange Abgeschiedenheit hier über die Jahrhunderte<br />

hinweg mehr vom ursprünglichen Dialekt der Bewohner bewahrt<br />

als andern<strong>or</strong>ts.<br />

Doch man muss sich beeilen, wenn man v<strong>or</strong> allem den bairischen Dialekt<br />

noch antreffen will, denn im Gegensatz zur fränkischen Mundart ist die<br />

Zahl der Sprecher der bairischen Sprachf<strong>or</strong>m inzwischen stark gesunken:<br />

Wahrscheinlich summieren sich die Menschen mit bairischem Dialekt auf<br />

weniger als 100 Personen. Der Grund: Nach dem Zerfall der Sowjetunion<br />

sind viele von ihnen nach Deutschland ausgewandert, in der Hoffnung auf<br />

ein besseres Leben. Bei den fränkischen und den Mischdialekten geht man<br />

immerhin noch von 1500 bis 2000 Sprechern aus.<br />

Zugegeben, der Weg nach Trans<strong>kar</strong>patien ist weit. Auch heute noch, mit all<br />

den Annehmlichkeiten moderner F<strong>or</strong>tbewegungsmittel. Doch es ist auch<br />

eine kleine Reise in die Geschichte. In die Geschichte der Menschen, die<br />

v<strong>or</strong> rund 200 Jahren und mehr – meist aus wirtschaftlicher Not – aus Bayern<br />

und Österreich ausgewandert sind und deren Nachfahren sich über so<br />

lange Zeit hinweg die Sprache ihrer Heimat bewahrt haben. Eine Reise auf<br />

den Spuren dieser Menschen, die sicherlich auch ein kleines Abenteuer<br />

sein kann, ist auf jeden Fall eine Überlegung wert.<br />

Es grüßt Sie herzlich<br />

Ihre Dialektwächterin<br />

Isabella Guttenstein

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