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Military Aviation Helicopter Civil Aviation General Aviation - Cockpit

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Nachtflug<br />

Your Captain speaking…<br />

Flüge durch die Nacht gehören<br />

zum Berufsalltag von Langstreckenpiloten.<br />

So ganz gewöhnt<br />

man sich wohl nie an den Kampf<br />

gegen Schläfrigkeit und Monotonie.<br />

Viertausend Fuss unter uns<br />

rast die Boeing 777 der KLM<br />

vorbei. Die Holländer wollen<br />

nach Hause, wir auch.<br />

Ein müder Flugverkehrsleiter mit einem<br />

unverständlichen Akzent versucht<br />

die Flugzeuge durch die chinesische<br />

Nacht zu dirigieren. Vor unserer<br />

Nase sind ein paar Lichter der Stadt<br />

Jiayuguan zu sehen. Links ist es dunkel,<br />

rechts auch. Die HB-JMK verrichtet ihren<br />

Dienst zuverlässig. Trotzdem klemmt<br />

die Karte mit den Fluchtrouten griffbereit<br />

unter dem Seitenfenster. Es ist sehr<br />

bergig hier im Nordwesten Chinas, und<br />

bei einem allfälligen «Emergency Descent»<br />

müssten wir die Luftstrassen auf<br />

defi nierten Wegen verlassen.<br />

Urumqui in Sichtweite<br />

Was auf unserem Navigationsbildschirm<br />

in grüner Farbe aufgezeichnet ist, erkennen<br />

wir auch am Boden. Wie an einer<br />

Perlenkette aufgezogen, beleuchten<br />

die schwachen Scheinwerfer der Lastwagen<br />

die Strasse, die nach Urumqui<br />

führt. Die Stadt mit 2,2 Millionen Einwohnern<br />

kam in jüngster Vergangenheit<br />

durch blutige Unruhen in die Schlagzeilen.<br />

Urumqui ist aber auch ein wichtiger<br />

Ausweichfl ughafen auf dieser Strecke.<br />

Ich habe ehrlich gesagt keine Lust auf<br />

eine Zwischenlandung. Darum streichle<br />

ich in Gedanken die vier CFM-Triebwerke<br />

zärtlich.<br />

Der Kapitän verabschiedet sich<br />

Seit unserem Start in Hongkong sitzen<br />

wir nun schon fünf Stunden im <strong>Cockpit</strong>.<br />

In der Kabine ist es ruhig. Es riecht<br />

und tönt im Passagierraum wie in einem<br />

Schlafsaal der Armee. Im Schlaf<br />

sind alle Menschen gleich. Nur in der<br />

Schlafposition erkennt man die Klassenunterschiede<br />

deutlich. Auch mein<br />

Kapitän verschwindet im Ruheraum. Er<br />

hat sich die fast vier Stunden Schlaf verdient.<br />

Doch auch meine Augen werden<br />

schwerer. Gut, dass mein Copilotenkollege<br />

ausgeruht an seinem Arbeitsplatz<br />

erscheint. Ich informiere ihn über<br />

das Wetter und den Zustand des Flugzeugs,<br />

die gesparte Spritmenge und die<br />

geplante Ankunftszeit.<br />

Oben:<br />

Sonnenaufgang<br />

auf FL370<br />

Rechts:<br />

Die Flight Control<br />

Unit (FCU) eines<br />

A330-200.<br />

<strong>Civil</strong> <strong>Aviation</strong><br />

Astana kommt näher<br />

In China fl iegen wir auf 34 100 Fuss. Hier<br />

gilt das metrische System als Mass für<br />

die Flughöhe, nicht das britische. Auch<br />

Kasachstan schwört auf Meter als Referenz,<br />

nur wollte oder konnte man sich<br />

mit den Chinesen nicht auf die gleichen<br />

Flugfl ächen einigen. Von 10 400<br />

Metern steigen wir auf 10 600 Meter,<br />

oder 34 800 Fuss. Ärgerlich und eine zusätzliche<br />

Fehlerquelle, aber immerhin<br />

hält uns das wach. Viel gibt es in dieser<br />

Flugphase nicht zu tun. Regelmässig<br />

werden die technischen Systeme überprüft<br />

und die Treibstoffmenge berechnet.<br />

Über Satellit können Wetterdaten<br />

von den Ausweichfl ughäfen angefordert<br />

werden und in den Flugunterlagen informiert<br />

man sich über den technischen<br />

Zustand der Flugplätze. Es ist ruhig auf<br />

dieser Höhe. Die Aussentemperatur beträgt<br />

frostige -66° C und der Treibstoff<br />

in den Aussentanks hat auf -38° C abgekühlt.<br />

Bei -47° C beginnt das Kerosin<br />

zu kristallisieren. Wir werden den Parameter<br />

im Auge behalten.<br />

Der Sicherungskasten<br />

Kasachstan ist ein grosses Land – noch<br />

grösser, wenn die Augen brennen. Es<br />

ist wie früher in der Schule. Die Stunden<br />

wollen nicht verstreichen, die Pause<br />

nicht näher kommen. Kurz vor Kiew<br />

dann die Erlösung. Meine Schicht ist zu<br />

Ende, die neun Stunden vorbei. Müde<br />

lege ich mich auf das schmale Bett und<br />

kuschle mich in der Decke ein. Ein<br />

Flight-Engineer hat vor seiner Pensionierung<br />

gesagt, dass, wenn er eines Tages<br />

die Nachtfl üge vermisse, er einen<br />

unbequemen Hocker nehme, mitten in<br />

der Nacht in den kalten Keller schleiche<br />

und mit einer schwachen Taschenlampe<br />

den Sicherungskasten betrachte.<br />

Besser kann man einen Nachtfl ug nicht<br />

beschreiben.<br />

Peter Tilly<br />

2/2010 21<br />

Fotos: Peter Tilly

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