Ausgabe 3/11 Download - RegJo
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Die Bundesregierung plant im neuen Versorgungsgesetz verschiedene<br />
Maßnahmen, um mehr Ärzte auf das Land zu lokken,<br />
zum Beispiel eine honorarerhöhung und die Regulierung<br />
der Praxiszahlen. Kann dies das Problem lösen?<br />
Jeschonnek: Eine Honorarerhöhung ist sicherlich ein positiver<br />
Aspekt. Das genügt jedoch nicht. Um die Anzahl der<br />
Arztpraxen besser zu regulieren, soll sich künftig der Planungsbereich<br />
ändern. Bisher entspricht dieser immer einem<br />
Landkreis. So hätte Göttingen mit 156 Hausärzten einen<br />
Versorgungsgrad von 100 Prozent – ohne zwischen Stadt<br />
Göttingen und dem ländlichen Umland zu differenzieren.<br />
Sind es mehr als 172 Hausärzte, also mehr als <strong>11</strong>0 Prozent,<br />
wird der komplette Landkreis für weitere Niederlassungen<br />
gesperrt. Zukünftig soll aber kleinräumiger geplant werden.<br />
Dann könnten bestimmte Kommunen gesperrt und andere<br />
entsperrt werden, wenn der Versorgungsgrad über beziehungsweise<br />
unter <strong>11</strong>0 Prozent liegt. So kann die derzeit noch<br />
relativ gleichmäßige Verteilung der Hausärzte aufrechterhalten<br />
werden.<br />
Zur Regulierung der Anzahl an hausärzten sollen die Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen Praxen in überversorgten<br />
Gebieten aufkaufen und schließen dürfen ...<br />
Jeschonnek: Dabei gibt es aus meiner Sicht mehrere praktische<br />
Probleme. Zum einen die Frage, zu welchem Preis<br />
man die Praxen aufkauft. Zudem müsste die KVN Gelder<br />
verwenden, die von den Krankenkassen für die Versorgung<br />
der Bevölkerung gezahlt werden. Ein drittes Problem: Verringert<br />
man die Sitze in der Stadt, bedeutet dies nicht automatisch,<br />
dass sich jemand im ländlichen Bereich niederlassen<br />
möchte. Wir präferieren Lösungen, die die Tätigkeit im<br />
ländlichen Bereich attraktiver machen. Dabei sind die Kommunen<br />
gefragt. Es muss nicht immer eine finanzielle Förderung<br />
sein, auch die Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung,<br />
einem Kindergartenplatz für die Kinder und einem<br />
Arbeitsplatz für den berufstätigen Ehepartner wäre denkbar.<br />
Welche sinnvollen Möglichkeiten zur Sicherung der medizinischen<br />
Versorgung sehen Sie sonst noch?<br />
Jeschonnek: Mittlerweile kann zum Beispiel eine Zweigpraxis<br />
geführt werden. Damit wird der Weg zur Praxis für die<br />
Bevölkerung kürzer, aber für den Arzt bedeutet dies immer<br />
einen zusätzlichen Kostenaufwand. Hier sind die Kommunen<br />
gefragt, Unterstützung zu bieten. Außerdem können ärztli-<br />
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che Tätigkeiten an das Hilfspersonal delegiert werden. In Niedersachsen<br />
gibt es dafür den Modellversuch „MoNi“. Dabei<br />
werden Hausbesuche durch die Arzthelferinnen gemacht. Sie<br />
messen den Blutdruck und schauen nach dem Allgemeinzustand<br />
zum Beispiel chronisch Kranker. Dem Arzt bleibt<br />
dann mehr Zeit für die Tätigkeiten, die auch seinen ärztlichen<br />
Sachverstand erfordern. Die Zahl der Patienten, die<br />
durch den Arzt betreut werden können, würde damit größer<br />
werden. Jedoch ist die Finanzierung hier noch ein Problem.<br />
halten Sie es denn für realistisch, dass ein hohes niveau<br />
medizinischer Versorgung in der ländlichen Fläche aufrechterhalten<br />
werden kann?<br />
Jeschonnek: Unsere Prognosen gehen über einen Zeitraum<br />
von zehn Jahren, in dem sich natürlich noch viel ändern<br />
kann – man kann nicht einfach die heutigen Tendenzen<br />
fortschreiben. Aber greifen die geplanten und bereits ergriffenen<br />
Maßnahmen, gehe ich davon aus, dass der Anteil<br />
derjenigen, die als Hausärzte arbeiten möchten, zunimmt.<br />
Allerdings ist im ländlichen Bereich die ärztliche Versorgung<br />
im Grunde noch ganz gut. Wenn jemand auf dem Land sich<br />
etwas zum Anziehen kaufen oder etwas Besonderes einkaufen<br />
möchte, dann ist das nicht der Erwähnung wert, wenn<br />
er in den Nachbarort oder nach Göttingen fährt. Nur wenn<br />
der Arzt nicht mehr fußläufig zu erreichen ist, sondern ein<br />
paar Kilometer entfernt praktiziert, dann wird das als großes<br />
Problem wahrgenommen. Im dünn besiedelten Nord-<br />
Schweden macht der Arzt keine Besuche, sondern der Patient<br />
fährt die 50, 60 Kilometer, weil sonst der Arzt mit ein<br />
oder zwei Patienten am Tag schon ausgelastet ist. Und die<br />
Lebenserwartung ist dort sogar etwas höher.<br />
Müssen sich Patienten in Südniedersachsen also auf Veränderungen<br />
in der Art der Versorgung einstellen?<br />
Jeschonnek: Ich denke schon, dass mit längeren Wegen zum<br />
Arzt, gerade im ländlichen Bereich, zu rechnen ist. Folglich<br />
sind die Landkreise gefordert, sich Gedanken zum Beispiel<br />
über den öffentlichen Nahverkehr zu machen, denn es wird<br />
sich zunehmend die Frage stellen, wie Patient und Arzt über<br />
die Distanz zusammenkommen. Die Gemeinden auf dem<br />
Land sind wiederum gefragt, frühzeitig zu überlegen, wie alt<br />
ihre Hausärzte sind, wann diese in den Ruhestand treten und<br />
wie man die Arbeitsbedingungen im Ort so attraktiv gestalten<br />
kann, dass sich ein Arzt dort niederlässt.