Das Karlshospital in Kassel - Christian Presche
Das Karlshospital in Kassel - Christian Presche
Das Karlshospital in Kassel - Christian Presche
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Nun setzte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schneidender Umbruch e<strong>in</strong>: Im Februar 1936 übernahm der städtische<br />
Vere<strong>in</strong> für Volkswohl das <strong>Karlshospital</strong> 141 ; er war 1933 gegründet worden, um Fürsorgeaufgaben<br />
der Stadt <strong>Kassel</strong> zu übernehmen. <strong>Das</strong> Personal wurde von 17 auf 10 Personen reduziert,<br />
dabei ansche<strong>in</strong>end weitgehend oder sogar ganz ausgetauscht, die Dienstwohnungen gekündigt<br />
und 1937/38 z.T. neu vergeben 142 . <strong>Das</strong> Baracken-Fürsorgewerk wurde offenbar aufgelöst, die<br />
Anstaltsküche an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) untervermietet; sie versorgte<br />
als „NSV.-Messerschmidtküche“ <strong>in</strong> der Folge nur noch das Personal und die Insassen<br />
143 . Der Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Kassel</strong> über das Jahr 1935 meldet außerdem 144 : Besonderer<br />
Wert wurde darauf gelegt, die <strong>in</strong> Heilanstalten gehörenden Kranken möglichst bald<br />
diesen Anstalten zuzuführen. [...] Die Abstoßung der vielen überflüssigen, zum Teil aber wertvollen<br />
Sachen, wie des NAG-Lieferwagens, des Taucheranzugs usw. wurde <strong>in</strong> die Wege geleitet.<br />
In den Adreßbüchern für 1938/39 werden auf dem Packhofgelände aufgeführt:<br />
- NSV. Kreisamtsleitung <strong>Kassel</strong> Messerschmidtküche,<br />
- Vere<strong>in</strong> für Volkswohl e.V., Abteilung <strong>Karlshospital</strong>,<br />
- Städt. Beratungsstelle für Geschlechtskranke / bzw.<br />
Städt. Gesundheitsamt, Beratungsstelle,<br />
- Stadt. Wohlfahrtsamt, Abteilung Tr<strong>in</strong>kerfürsorge,<br />
- Städt. Wohlfahrtsamt, Abteilung Gefährdetenfürsorge.<br />
<strong>Das</strong> alte Hauptgebäude (Am <strong>Karlshospital</strong> 2a) ersche<strong>in</strong>t gesondert als<br />
- Vere<strong>in</strong> für Volkswohl e.V., Abteilung <strong>Karlshospital</strong>.<br />
Ansche<strong>in</strong>end waren die meisten öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen nun auf das Packhofgelände verlegt<br />
worden; wie die Räume im Hauptgebäude im E<strong>in</strong>zelnen genutzt wurden, ist unklar.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Baracke für den Bau e<strong>in</strong>es Hochbunkers abgebrochen<br />
wurde. Im Adreßbuch 1940 s<strong>in</strong>d nur noch genannt 145 :<br />
- Vere<strong>in</strong> für Volkswohl e.V., Abteilung <strong>Karlshospital</strong> (das alte Hauptgebäude, Am<br />
<strong>Karlshospital</strong> 2a, wieder gesondert),<br />
- Stadt. Wohlfahrtsamt, Abteilung Tr<strong>in</strong>kerfürsorge,<br />
- Städt. Wohlfahrtsamt, Abteilung Gefährdetenfürsorge,<br />
- Wandererarbeitsstätte.<br />
141 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Kassel</strong> für 1935, S. 67f.; Vertrag vom 22. Febr. 1936 mit Wirkung vom 1. Jan.<br />
1936, die Übergabe erfolgte jedoch schon vor Vertragsabschluß, nämlich am 13. Jan. 1936! Die Stadt hatte das<br />
Gebäude bis zum 31. Dez. 1952 gemietet und an den Vere<strong>in</strong> für Volkswohl untervermietet. Als Aufgaben<br />
werden genannt die Aufnahme von: Geisteskranken und Alkoholikern sowie ihre Überführung <strong>in</strong> Heilanstalten;<br />
von Gefährdeten, <strong>in</strong>sbesondere Jugendlichen; von Obdachlosen, durchreisenden Familien und E<strong>in</strong>zelpersonen <strong>in</strong><br />
besonderen Fällen; die Aufnahme und Behandlung von erkrankten Durchreisenden, soweit Krankenhäuser und<br />
das städtische Kranken- und Wohlfahrtsheim nicht <strong>in</strong> Frage kommen; die Aufnahme von Personen, die sich im<br />
Leben nicht behaupten können und für welche Behandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heilanstalt nicht erforderlich ist, die<br />
Aufnahme von Betrunkenen zur Ausnüchterung sowie die Beförderung von Polizeileichen. In der Zeit vom 1.<br />
Jan. bis 31. März 1936 wurden 151 Männer und 90 Frauen aufgenommen und 4565 Verpflegungstage gewährt;<br />
durchschnittlich 50 Personen am Tage. Außerdem wurden <strong>in</strong> dem Zeitraum 22 Polizeileichen gefahren und 278<br />
Kilometer zurückgelegt. Die Verpflegungskosten der Insassen wurden vom städt. Wohlfahrtsamt, von den<br />
auswärtigen Fürsorgeverbänden, den Selbstzahlern und den Trägern der sozialen Versicherungen aufgebracht.<br />
142 Vgl. die Adreßbücher ab 1937; für dieses Jahr fehlen weitergehende Angaben ganz, für 1938 werden neben<br />
den oben genannten Institutionen aufgeführt: Therese Spillner (Krankenschwester), Margarethe Groß, Hermann<br />
Roos (Pfleger), Wilhelm Trott (Heizer). Für 1939: Annemarie Arend, Luise Meyer (Krankenschwester), Babette<br />
Schwab (Nachwachenpfleger<strong>in</strong>), Gottfried Fischer (Hilfspfleger), Wilhelm Trott (Kraftwagenführer), für 1940<br />
nur noch Luise Meyer und Annemarie Brüßmann (Krankenschwestern) und Rosa Grahner (Küchenleiter<strong>in</strong>).<br />
143 Gemäß dem Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Kassel</strong> für 1935, S. 68; vgl. auch die Adreßbücher. Der Name<br />
könnte aus den Adreßbüchern der späten 30er Jahre zu erklären se<strong>in</strong>; dort steht unter Gedenktafeln an <strong>Kassel</strong>er<br />
Häusern der Punkt: Garnisonkirche: Er<strong>in</strong>nerungstafel an den hier am 18. 6. 1930 von den Kommunisten<br />
ermordeten alten Kämpfer He<strong>in</strong>rich Messerschmidt.<br />
144 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Kassel</strong> für 1935, S. 68.<br />
145 Vgl. im Adreßbuch neben dem Straßenteil auch die Abschnitte Wohlfahrtse<strong>in</strong>richtungen / Allgeme<strong>in</strong>e<br />
Wohlfahrtspflege und Krankenpflege.<br />
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