Das Karlshospital in Kassel - Christian Presche
Das Karlshospital in Kassel - Christian Presche
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außerdem wünschenswert, die Bogenreihen grundsätzlich anzudeuten; dies könnte <strong>in</strong> der<br />
orig<strong>in</strong>alen Form, aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Neu<strong>in</strong>terpretation erfolgen 166 .<br />
Zusammenfassung<br />
Mit Hilfe der vorliegenden Quellen konnte die Bau- und Nutzungsgeschichte weitgehend<br />
rekonstruiert werden, wobei e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung des historischen Aktenmaterials e<strong>in</strong> Desiderat<br />
bleibt.<br />
Die ursprüngliche Nutzung und Gestalt als Erziehungs- und Besserungsanstalt ließ sich fast<br />
vollständig ermitteln. Die Bauform ist aus den Nutzungsanforderungen heraus entwickelt:<br />
charakteristisch ist die E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> zwei Hauptgeschosse für Männer (EG) und Frauen (OG)<br />
und e<strong>in</strong> Untergeschoß für die Wirtschaftsräume. Die Stuben mit den Betten s<strong>in</strong>d jeweils an<br />
e<strong>in</strong>er großen Halle aufgereiht, die tagsüber geme<strong>in</strong>schaftlich für die Arbeit, die Mahlzeiten<br />
sowie als Bet- und Gottesdienstraum genutzt wurde. Die Institution, welche auffällig gewordene<br />
Menschen durch handwerkliche Arbeit und e<strong>in</strong>en festen Tagesablauf wieder <strong>in</strong> die<br />
Gesellschaft e<strong>in</strong>gliedern sollte, ist sozialgeschichtlich bedeutend. <strong>Das</strong> Bauwerk ist e<strong>in</strong> typisches,<br />
gutes Beispiel für die Stilformen des <strong>Kassel</strong>er Barock, die <strong>in</strong> der Regierungszeit Landgraf<br />
Carls die ganze hessische Architektur neu prägten. Die üblichen Bauformen dieses Stils<br />
wurden dabei zweckmäßig und <strong>in</strong> guter Qualität auf e<strong>in</strong>e vollkommen neue Bauaufgabe übertragen.<br />
Der Entwurf konnte der zweiten Hofbaumeistergeneration des <strong>Kassel</strong>er Barock zugeordnet<br />
werden, möglicherweise dem Hofbaumeister Johann Nicolaus Prizier. Neben der<br />
architekturgeschichtlichen Bedeutung hat das Gebäude durch die Lage am Ufer der Fulda<br />
zudem e<strong>in</strong>e große städtebauliche Bedeutung, der vom barocken Entwurf auch Rechnung<br />
getragen wird. So zeigt sich die hohe Qualität des Entwurfs unter anderem im Umgang mit<br />
dem schwierigen Bauplatz; das Gebäude mußte zum e<strong>in</strong>en für e<strong>in</strong>e unmittelbare Nahsicht auf<br />
der Stadtseite konzipiert werden, zum anderen für die Fernwirkung auf der Flußseite, wo der<br />
massive Mauerwerksbau mit Sockel und Untergeschoß fast die doppelte Höhe erreichte. <strong>Das</strong><br />
Mansarddach mit se<strong>in</strong>en unterschiedlichen Wirkungen <strong>in</strong> Nah- und Fernsicht wurde dabei<br />
bewußt als Mittel e<strong>in</strong>gesetzt, um zwischen den verschiedenen Größenverhältnissen und<br />
Perspektiven auf Stadt- und Flußseite zu vermitteln und jeweils e<strong>in</strong>en gerade angemessenen<br />
oberen Abschluß des Gebäudes zu erzielen. Die beiden Zwerchhäuser gliederten die große<br />
Dachfläche und waren zur Betonung der Mittelachse wichtig. Interessant s<strong>in</strong>d außerdem die<br />
Maße des Gebäudes, die ebenfalls auf die unterschiedlichen Gegebenheiten auf Stadt- und<br />
Flußseite abgestimmt s<strong>in</strong>d. Häufig ersche<strong>in</strong>en Vielfache von 7´, 8´ und 12´, wobei für die<br />
Fassadengliederung offenbar e<strong>in</strong> Grundmaß von 6´´ verwendet wurde. Wünschenswert wäre<br />
noch e<strong>in</strong>e graphische Darstellung <strong>in</strong> Form vermaßter Aufrisse sowie e<strong>in</strong>e weitergehende<br />
Untersuchung auch der Grundrisse und der Innenarchitektur, doch war beides <strong>in</strong> diesem<br />
Rahmen nicht zu leisten.<br />
Während die Institution bereits im Königreich Westphalen zu e<strong>in</strong>er gewöhnlichen Strafanstalt<br />
herabsank und 1832 zu e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong>en Männergefängnis wurde, blieb das Gebäude bis <strong>in</strong> die<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts <strong>in</strong> der ursprünglichen Form weitgehend erhalten.<br />
Erst <strong>in</strong> preußischer Zeit, Ende der 1860er Jahre, erfolgten mehrere Veränderungen;<br />
hauptsächlich wurden <strong>in</strong> der Erdgeschoßhalle zwei Aufseherstuben und <strong>in</strong> der Obergeschoß-<br />
166 Bei e<strong>in</strong>er Zusammenfassung von EG und OG könnten etwa die seitlichen Galerien vor Treppenhaus und den<br />
Stubentüren im Grundriß den Verlauf der Bogenreihen aufnehmen, z.B. mit Stützen an den alten Stellen. E<strong>in</strong>e<br />
andere Möglichkeit wäre z.B. die Nutzung der Hallen als Großraumbüros, wobei durch Glaswände an der Stelle<br />
der Bogenreihe die Gänge zu den übrigen Räumen abgetrennt werden könnten.<br />
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