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echt<br />
Liebe Lese<br />
Die Kosten fŸr die Reparatur belaufen sich auf 900 Û, die Vollkaskoversicherung<br />
hat eine Selbstbeteiligung von 1.000 Û, so dass Alexandra<br />
diese vernŸnftigerweise nicht in Anspruch nehmen will.<br />
Nachdem ich Petra ein erstes Mal angeschrieben und sie aufgefordert<br />
habe, den Betrag zu bezahlen und die Frist verstrichen ist, vereinbaren<br />
wir, dass die Klage bei Gericht eingereicht wird.<br />
Alexandra hat zum GlŸck eine Rechtschutzversicherung, so dass ich<br />
als erstes bei dieser die Deckungszusage fŸr die Klageeinreichung einhole.<br />
Als diese vorliegt, fertige ich einen Klage-Schriftsatz, in dem ich<br />
beantrage, dass Petra an Alexandra 900 Û plus Zinsen bezahlen muss.<br />
Au§erdem soll sie die Kosten des Verfahrens tragen, da sie die Klage<br />
verursacht hat.<br />
In meinem Schriftsatz muss ich ganz genau den Sachverhalt schildern,<br />
so dass ich diesen zuvor auch lŸckenlos von Alexandra erzŠhlt<br />
bekommen haben muss.<br />
Au§erdem muss ich fŸr alle anspruchsbegrŸndenden Tatsachen<br />
Zeuginnen und Zeugen benennen und zwar mit vollstŠndigem Namen<br />
und vollstŠndiger Anschrift.<br />
Alexandra muss die ZeugInnen vorher nicht fragen, ob sie bereits<br />
sind, Aussagen zu machen, da dies eine sogenannte BŸrgerInnenpflicht<br />
ist und die ZeugInnen gegebenenfalls bei Gericht erscheinen mŸssen.<br />
Ist eine davon aber eine heimliche Verehrerin von Petra, so empfiehlt<br />
es sich, diese als Zeugin lieber erst mal raus zu lassen.<br />
Zusammen mit der Klageeinreichung muss ein<br />
saftiger Gerichtskostenvorschuss einbezahlt werden, den aber glŸcklicherweise<br />
die Rechtschutzversicherung vorschie§t, andernfalls muss<br />
dies die Mandantin selbst machen.<br />
Die Klage kommt jetzt zunŠchst in die Einlaufstelle bei Gericht,<br />
dort wird geprŸft, welche RichterIn zustŠndig ist (unterschiedlich, bei<br />
manchen Gerichten nach einem Buchstabenverteilungssystem, bei<br />
manchen einfach nach Eingang) und die Klage wird dann an die GeschŠftsstelle<br />
der zustŠndigen RichterIn weitergeleitet.<br />
Bei dieser wird die Klage erst einmal durchgelesen und es wird geprŸft,<br />
ob irgendwelche gravierenden Fehler vorliegen oder vielleicht<br />
das verkehrte Gericht erwischt wurde.<br />
Wenn hier soweit alles in Ordnung ist, lŠsst die RichterIn die Klage<br />
an die Gegenseite zustellen und wird in der Regel dieser eine Frist zur<br />
Erwiderung setzen und gleichzeitig einen Gerichtstermin zur GŸteverhandlung<br />
und zur ersten Verhandlung ansetzen.<br />
Wenn Ihr gerade euren Urlaub fŸr die Woche geplant<br />
habt, in der der Termin liegt, oder eine wichtige berufliche Besprechung<br />
habt, so kann entweder beantragt werden, dass der Gerichtstermin<br />
vertagt wird oder dass ihr vom persšnlichen Erscheinen entbunden<br />
werdet, so dass die AnwŠltin alleine hingehen kann. Meistens werden<br />
von den Gerichten aber Nachweise fŸr die Verhinderung verlangt.<br />
14<br />
In der Zwischenzeit hat sich Petra auch eine AnwŠltIn genommen<br />
und dieser eine komplett andere Geschichte erzŠhlt.<br />
Diese Geschichte wird von der AnwŠltIn von Petra in eine sogenannte<br />
Klageerwiderung gefasst und an das Gericht geschickt, wir erhalten<br />
die Klageerwiderung in Kopie zur Stellungnahme. Ganz wichtig<br />
ist es zu wissen, dass bei Verfahren nichts ãheimlichÒ dem Gericht mitgeteilt<br />
werden kann, ohne dass die Gegenseite davon erfŠhrt.<br />
Alles was dem Gericht mitgeteilt wird, wird in Abschrift an die Gegenseite<br />
zugeleitet, ebenso natŸrlich umgekehrt.<br />
Oft werde ich gefragt, ob ich wŸsste, was sich die Gegenseite denkt<br />
oder warum die AnwŠltIn denn nicht merkt, dass die Gegenseite eine<br />
LŸgengeschichte auftischt oder aber auch, wie ich denn meine, wie das<br />
Gericht entscheiden wird.<br />
Das Dumme an der Sache ist nur: Wenn ich all diese Fragen beantworten<br />
kšnnte, wŸrde ich als Wahrsagerin auftreten und unheimlich<br />
viel Geld verdienen.<br />
Im ersten Termin, zu dem in der Regel keine ZeugInnen geladen<br />
werden, versucht das Gericht eine Einigung herbeizufŸhren.<br />
Eine Einigung bzw. ein sogenannter Vergleich ist immer etwas Freiwilliges.<br />
D.h. das Gericht kann euch nicht dazu zwingen, diese Einigung<br />
abzuschlie§en, auf der anderen Seite sagt das Gericht im Normalfall in<br />
diesem ersten Termin auch schon einmal seine vorlŠufige Rechtsmeinung,<br />
so dass es manchmal durchaus Sinn macht, einen Vergleich abzuschlie§en,<br />
wie vom Gericht vorgeschlagen.<br />
Kommt es zu keiner Einigung, hŠngt es davon ab, ob das Gericht eine<br />
Beweisaufnahme fŸr notwendig erachtet oder nicht.<br />
Nehmen wir einmal an, in diesem Fall hŠtte Petra jetzt behauptet,<br />
sie hŠtte eine ZeugIn dafŸr, dass sie Alexandra unmittelbar nach dem<br />
Unfall angerufen hat und gesagt hat, es sei doch nicht so schlimm und<br />
sie mŸsse nicht bezahlen. In diesem Fall wird das Gericht dann einen<br />
neuen Termin anberaumen, in dem dann die ZeugInnen geladen und<br />
angehšrt werden.<br />
Mit den ZeugInnen verhŠlt es sich keineswegs so, wie beim Bruchrechnen.<br />
Das hei§t, wenn ihr fŸnf ZeugInnen aufwarten kšnnt und die Gegenseite<br />
nur drei, dann seid ihr keineswegs im Vorteil, sondern es muss<br />
sich das Gericht, nachdem es alle ZeugInnen angehšrt hat, ein Bild<br />
davon machen, wen es fŸr glaubwŸrdiger hŠlt.<br />
Kann das Gericht dies nicht entscheiden, so ist mšglicherweise das,<br />
was behauptet wird, nicht bewiesen. In diesem Fall wŠre es so, dass<br />
dann Alexandra eventuell nicht bewiesen hŠtte, dass sie mit Petra vereinbart<br />
hat, dass diese den Schaden bezahlen muss.<br />
Nur damit ihr mal so ein GefŸhl dafŸr bekommt, von welchen Faktoren<br />
alles abhŠngen kann werde ich einfach mal drei von mindestens<br />
drei§ig mšglichen Versionen schildern, wie das Verfahren weitergehen<br />
kann. SelbstverstŠndlich ist wieder alles všllig frei erfunden und natŸr-<br />
lespress ❘ oktober 2005