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HomosexualitŠt dort nicht nur ein gro§es Tabu darstellt, sondern sogar<br />
unter Todesstrafe steht. Dass sie eine MŠnnerrolle annehmen muss, um<br />
in Deutschland bleiben zu kšnnen ist eine weitere Zuspitzung.<br />
? Du hast schon in deinen anderen Filmen mit Kamerafrau Judith<br />
Kaufmann gearbeitet, nun habt ihr auch zusammen das Drehbuch geschrieben.<br />
Was hat es für Vorteile mit der Frau, die die „Augen des<br />
Films“ hat, zusammen am Drehbuch zu arbeiten?<br />
! Wir haben bei den anderen Filmen viel Ÿber die Geschichten gesprochen,<br />
als es um die filmische Umsetzung ging. Dabei ist mir Judiths<br />
dramaturgische Klugheit aufgefallen und ich hatte Lust, etwas<br />
von Anfang an mit ihr gemeinsam zu entwickeln. Das hat gro§en Spa§<br />
gemacht. Beim Schreiben ist der Fokus allerdings ein anderer. Die Geschichte<br />
diktiert wichtige Elemente. Wir haben irgendwann entsetzt<br />
festgestellt, dass wir uns eine ganze Reihe ãunattraktiverÒ und schwieriger<br />
Drehorte hineingeschrieben haben: BŸros, Auffanglager, FlŸchtlingsheim.<br />
Nicht gerade der Traum fŸr szenische Auflšsung, aber unerlŠsslich<br />
fŸr die Geschichte.<br />
? Hattest du beim Schreiben des Drehbuchs schon im Kopf, mit Jasmin<br />
Tabatabai zu drehen, weil sie im Iran geboren wurde und Farsi<br />
spricht? Oder wieso hast du dir den Iran ausgesucht?<br />
! Iran ist eines von vier LŠndern, in denen auf HomosexualitŠt die<br />
Todesstrafe steht. Jasmin tauchte ziemlich bald als Mšglichkeit auf,<br />
aber nicht nur aufgrund der Tatsache, dass sie in Teheran geboren ist.<br />
Ich wollte schon bei âEin Engel schlŠgt zurŸckÕ mit ihr arbeiten, das<br />
ging aus zeitlichen GrŸnden nicht. Dass sie Farsi spricht kam als weiterer<br />
Vorteil dazu.<br />
? Wie hast du die Geschichte von Fariba recherchiert? Auf welche<br />
Erfahrungen, welches Wissen konntest du zurückgreifen?<br />
! Ich habe alles gelesen, was ich zum Thema finden konnte. â<strong>Fremde</strong><br />
<strong>Haut</strong>Õ ist ja auch ein Film Ÿber Deutschland und deutsche Asylpolitik.<br />
Die Quellen widersprechen sich teilweise, Gesetze und Regelungen<br />
verŠndern sich, manches ist Bund-, anderes LŠndersache. Es ist ein Paragraphendschungel.<br />
Selbst die BGS-Beamten, mit denen wir natŸrlich<br />
auch gesprochen haben, mussten zugeben, dass es kompliziert ist, da<br />
durchzublicken. Ich habe fast den Eindruck, das ist Absicht. Es war<br />
auch nicht so leicht, eine iranische Lesbe zu finden, aber durch den einen<br />
Kontakt kamen dann weitere. Diese GesprŠche waren sehr wichtig<br />
und aufschlussreich.<br />
? Du hast ein gutes Gespür dafür, die Enge der Provinz darzustellen<br />
- in diesem wie auch in deinen anderen Filmen. Was verbindet dich<br />
damit?<br />
! Ich komme selber aus der Provinz und hatte so lange ich denken<br />
kann Fluchttendenzen.<br />
? Deine Filme handeln alle in irgendeiner Art von Fremdsein. Am<br />
vordergründigsten in ‚Ein Engel schlägt zurück’ und jetzt in ‚<strong>Fremde</strong><br />
<strong>Haut</strong>’. Warum ist das so ein Thema für dich?<br />
! Vielleicht ist das Thema eher Zugehšrigkeit. Dazugehšren wollen.<br />
Aber dann doch nicht ganz, eben der Enge der Provinz entfliehen zu<br />
wollen. Das kennen bestimmt viele Menschen. Als ãGastarbeiterkindÒ<br />
habe ich mich zusŠtzlich immer als irgendwie anders empfunden. Der<br />
Name war das sichere Indiz, auch wenn ich hier geboren bin und nicht<br />
mal Italienisch spreche, wurde ich oft fŸr meine deutschen Sprach-<br />
lespress ❘ oktober 2005<br />
kenntnisse gelobt.<br />
? Ich finde es gibt einen sehr großen Schritt zwischen deinen vorherigen<br />
Filmen, die Produktionen fürs Fernsehen waren, und deinem<br />
ersten Kinofilm „<strong>Fremde</strong> <strong>Haut</strong>“.<br />
! FŸr mich spielt â<strong>Fremde</strong> HauÕÒ in einer ganz anderen Liga als die<br />
TV-Produktionen. Was ist passiert? Sowohl ãKommt Mausi rausÒ als<br />
auch ãAlles wird gutÒ sind Geschichten Ÿber Coming-Out und gro§e<br />
Lieben im Jugendwahn.<br />
ã<strong>Fremde</strong> <strong>Haut</strong>Ò dagegen ist erwachsen, politisch und nicht mehr so<br />
locker-leicht wie die anderen Filme É<br />
NatŸrlich ist mein Bestreben, mich weiterzuentwickeln, und wenn<br />
du das so empfindest, freut mich das. Ich war ja nicht auf der Filmschule.<br />
Mein ã†benÒ fand šffentlich statt. âMausiÕ war eine gro§e Chance.<br />
Das war damals der Film, den ich gerne gesehen hŠtte. Da war ich 27<br />
und das Thema Coming-Out war wichtig. Ich habe die Komšdienform<br />
gewŠhlt, um zu zeigen, wie absurd dieser ganze Bekenntnis-Vorgang<br />
ist. Lesben, die als tragische Figuren durch die Filmgeschichte geistern<br />
und ihr Begehren mit dem Leben bezahlen, brauchten meiner Meinung<br />
nach dringend ein positives Gegengewicht. Das habe ich durchaus auch<br />
als politisch empfunden. Der politische Fokus und ernstere Ton in<br />
â<strong>Fremde</strong> <strong>Haut</strong>Õ sollen ja andererseits die Schaulust nicht mindern. GefŸhle,<br />
emotionale Identifikationsangebote, sind im Kino das Wichtigste<br />
fŸr mich.<br />
? Du hast großartige Schauspielerinnen für den Film gewählt. Warum<br />
die Wahl auf Jasmin Tabatabai fiel, hast du eben erklärt. Was hat<br />
dich dazu inspiriert, Anneke Kim Sarnau zu casten?<br />
! Auch Anneke hatte ich schon fŸr eine Rolle in einem anderen Film<br />
vorgesehen, der sich dann aber auf unbestimmte Zeit verschoben hat.<br />
Die Vorstellung, sie und Jasmin als Paar zu besetzen fand ich aufregend.<br />
? Was war für dich die größte Herausforderung am Dreh zu „<strong>Fremde</strong><br />
<strong>Haut</strong>“?<br />
! Ich hatte vorher Bedenken, einen Teil des Films in einer Sprache<br />
zu drehen, die ich selber nicht spreche. Trotzdem war es dann beim<br />
Drehen fŸr mich sehr klar nachvollziehbar, wann welcher Satz gesprochen<br />
wurde, weil Jasmin und Navid (der den Siamak spielt, dessen<br />
IdentitŠt sie nach seinem Selbstmord annimmt) tolle Schauspieler sind,<br />
und ich den Emotionen folgen konnte. Die mŠnnliche Verkleidung hat<br />
mich auch lange beschŠftigt. Wie wir das glaubhaft machen kšnnen.<br />
Welches KostŸm, welche Maske, welcher Habitus. Das war eine Gratwanderung.<br />
? Du drehst jetzt gerade in Hamburg an einem neuen Film. Was ist<br />
sein Thema?<br />
! Der Titel ist âVerfolgtÕ. Das Buch hat Susanne Billig geschrieben.<br />
Es geht um eine 50-jŠhrige BewŠhrungshelferin die sich auf eine S/M-<br />
AffŠre mit ihrem minderjŠhrigen Probanden einlŠsst. Sie fŸgt ihm<br />
Schmerzen zu und entdeckt darin ihre eigene Verletzlichkeit. FŸr diese<br />
IntensitŠt und diesen Aufbruch riskiert sie ihr gesichertes Leben.<br />
Dagmar Trüpschuch<br />
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