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Fremde Haut - Lespress

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haben Frauen sowieso schon mal keine SexualitŠt zu haben. Die haben<br />

nur MŠnner. Von Anfang an werden Jungs und MŠdchen auch komplett<br />

anders erzogen. Jungs kommen auf die Welt und dann singt man Lieder<br />

darŸber ãOh mein Goldpimmelchen, oh wie tollÒ und dann spŠter gibt<br />

man damit an wie viele Freundinnen er schon hatte - also immer irgendwie<br />

positiv. Und bei Frauen ist es genau das Gegenteil. Da wird<br />

immer gesagt, bedeck dich, schŠm dich, schŸtze deine JungfrŠulichkeit,<br />

die ja letztlich das einzige ist, was sie haben, um verheiratet werden<br />

zu kšnnen.<br />

? Wie werden Lesben im Iran wahrgenommen?<br />

! Ich habe im Vorfeld im Internet recherchiert, um zu erfahren wie<br />

die Lesben im Iran so leben, aber ich habe nichts gefunden. Die einzige<br />

lesbische Iranerin, mit der ich gesprochen habe, kam Ÿber die Regisseurin<br />

und die lebt auch schon seit 28 Jahren in Deutschland. Und auch<br />

hier erst offen, im Iran war sie verheiratet. Und wenn ich an meine<br />

Kindheit denke, habe ich eigentlich immer nur Witze Ÿber Schwule gehšrt.<br />

Aber weibliche HomosexualitŠt É? Wie gesagt, das ist etwas,<br />

worŸber nicht gesprochen wird.<br />

? Steht auf Homosexualität die Todesstrafe?<br />

! Laut Gesetz ja, aber vollzogen wird sie bis jetzt praktisch nur an<br />

MŠnnern, weil die weibliche gibtÕs ja nicht É<br />

Aber ich war seit 1987 nicht mehr im Iran. Es ist das Land meiner<br />

Kindheit und ich kann auch nur als Au§enstehende berichten.<br />

? Der Film handelt vom Verlust von Identität und davon als <strong>Fremde</strong><br />

in einem neuen Land anzukommen. Wie war es damals für dich, als 12-<br />

Jährige von Teheran nach Deutschland zu kommen? Hast du dich da<br />

auch in „fremder <strong>Haut</strong>“ gefühlt?<br />

! Ja, am Anfang sicherlich, weil ich mich unwohl gefŸhlt habe, einfach<br />

fremd. Das hatte aber sicherlich bei mir damit zu tun, dass ich 12<br />

war, vorpubertŠr und dann ist es sowieso ganz schrecklich, wenn man<br />

seinen Freundeskreis zurŸcklŠsst. Ich hatte gro§e Anpassungsschwierigkeiten.<br />

Klimatisch sowieso. Ich hatte auch einen anderen Entwicklungsstand.<br />

Im Iran war ich noch Kind und dann kam ich hier in eine<br />

sechste Klasse. Da haben halt alle schon geraucht und rumgeknutscht,<br />

was ganz normal ist - aber fŸr mich war das der všllige Schock. Und<br />

obwohl ich deutsch sprach, zweisprachig aufgewachsen war, eine deutsche<br />

Schule besucht hatte und jedes Jahr in den Ferien in Deutschland<br />

war, war es enorm schwer fŸr mich, hier Fu§ zu fassen. Deutschland ist<br />

ja auch nicht unbedingt das Land, wo man mit offenen Armen <strong>Fremde</strong><br />

empfŠngt. Wenn das Eis mal gebrochen ist, dann ist gut. Ich wollte eigentlich<br />

die ersten vier, fŸnf Jahre nur zurŸck.<br />

? Du trägst beide Kulturen, iranische und deutsche, in dir. Was würdest<br />

du sagen ist eher der iranische und was der deutsche Anteil in dir?<br />

lespress ❘ oktober 2005<br />

! Ich denke iranisch ist sicherlich alles in mir, was ums Temperament<br />

geht - cholerisch und emotional aus mir rauszugehen. Das ist sicherlich<br />

etwas, was Iranern zugeschrieben wird. Dann habe ich natŸrlich<br />

auch deutsche Seiten, auf die ich sehr viel Wert lege. Eine bestimme<br />

ZuverlŠssigkeit, eine bestimmte Ernsthaftigkeit. Und ich mag auch<br />

die deutsche Sprache sehr gerne.<br />

? Obwohl Fariba/Siamak in dem Film nicht so temperamentvoll<br />

und überschäumend sonder eher zurückhaltend rüberkommt …<br />

! Das hat den Grund, dass sie sich nicht verraten darf und deswegen<br />

auch wenig spricht. Und dann gibt es natŸrlich auch die gro§e melancholische<br />

Seite bei den Iranern.<br />

? Was hat dich daran gereizt, die Rolle von Fariba/Siamak zu spielen?<br />

! Das ist eine klassische Hosenrolle. Das ist die totale Herausforderung,<br />

dass meine eine absolute Fremdfigur spielen muss. Aber fŸr mich<br />

war einfach die Figur sehr spannend, diese Zerrissenheit, der †berlebensdrang,<br />

dass sie nicht aufgibt. Fariba ist ja wahnsinnig zŠh, und so etwas<br />

ist immer spannend fŸr mich. Gerade bei Frauenrollen, die ja traditionell<br />

eher mit Opfergeschichten besetzt sind und meistens dann auch resignieren.<br />

Und gerade fŸr mein Alter sind gute Frauenrollen eher dŸnn gesŠt.<br />

? Wie hast du dich auf deine männliche Rolle<br />

vorbereitet? Gerade auch, weil sie ziemlich detailgenau<br />

auf den Verkleidungsritus eingeht: Brust abbinden,<br />

Hemd zuknöpfen damit man den Adamsapfel<br />

nicht sieht, Bart stylen, Gang, Habitus - alles<br />

Dinge, die man in einem Drag-King-Workshop erlernen<br />

kann.<br />

! Ich kšnnte jetzt ja Legendenbildung machen.<br />

Es wŠre wahrscheinlich schlauer ich kšnnte jetzt<br />

sagen ãIch habe als Drag King gelebt und so weiterÒ.<br />

Aber es ist ganz einfach. Ich habe einen Bruder,<br />

der ist ein Jahr Šlter, und im Prinzip habe ich<br />

einfach den kopiert und ein bisschen meinen Vater.<br />

Obwohl die Regisseurin mich manchmal korrigieren<br />

musste, wenn ich zu weiblich war. Dann kamen<br />

wir darauf, dass MŠnner einen fester ansehen,<br />

wenn sie sprechen, weniger mit dem Blick ausweichen<br />

als wir Frauen es tun. Und es funktioniert.<br />

Sobald du fester guckst, wirkst du mŠnnlicher.<br />

Aber die Rolle war eine uneitle Rolle, denn mir<br />

die Haare abzuschneiden war schon ein gro§es<br />

Opfer fŸr mich. Ich bin ein richtiges Hippiekind.<br />

? Die Regisseurin Angelina Maccarone hat<br />

sechs Jahre für den Film recherchiert. Wie lange<br />

hast du daran gearbeitet?<br />

! Also ich bin zwei Jahre dabei gewesen. Habe immer wieder rumgemeckert<br />

an dem Buch, wir haben uns viel zu Proben getroffen, viele<br />

Probeaufnahmen gemacht, viel improvisiert. Es ist immer gut, wenn<br />

Schauspieler so frŸh zu einem Film kommen. Man beschŠftigt sich<br />

zwei Jahre lang mit dieser Person und einem wird die Rolle immer<br />

mehr auf den Leib geschrieben.<br />

? Was waren für dich die schwierigsten Momente und die schönsten<br />

Momente im Film?<br />

! Was ich allgemein immer wahnsinnig schwierig finde, weil es anstrengend<br />

ist, sind Heulszenen, wenn jemand begraben wird oder wenn<br />

du einen Toten findest. Das finde ich wahnsinnig unangenehm, weil<br />

man sich ja da reinbegeben muss und das macht ja kein Mensch gerne.<br />

Und das kostet sehr viel Energie. Und ich hatte fast jeden Tag eine<br />

superdramatische Szene zu drehen. Was ich sehr schšn finde, sind die<br />

Szenen zwischen Anneke und mir. Und es war sehr fraglich, ob wir das<br />

hinbekommen wŸrden, zumal wir uns bei den Proben eigentlich Ÿberhaupt<br />

nicht verstanden haben. Aber das ist jetzt wieder das Tolle, denn<br />

ich habe selten in meinem Leben mit so einer begabten Kollegin<br />

gespielt. Und man muss nicht unbedingt beste Freunde sein, um trotzdem<br />

gut zusammen spielen zu kšnnen. Sie ist einfach eine ganz tolle<br />

Schauspielerin. Man muss ihr nur in die Augen gucken und reagieren,<br />

denn es ist alles wahrhaftig, was sie macht. Das ist fŸr mich besonders<br />

spannend an dem Film, wie sich das mit uns entwickelt.<br />

Dagmar Trüpschuch<br />

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