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Oktoberfest herum fuhren und nicht gleich auf die Wiesn gingen.<br />
ãTagsŸber ist es besserÒ, betonte ich ein ums andre Mal, ãda ist es nicht<br />
so voll und weniger Betrunkene sind unterwegs!Ò. Wie zum Beweis<br />
torkelten, wŠhrend wir im Auto an der roten Ampel warteten, zwei Besoffene<br />
zielstrebig auf unseren Wagen zu und kotzten synchron auf die<br />
Motorhaube. Gut, dass es gleich danach zu regnen begann.<br />
Der nŠchste Vormittag brachte einen sonnig-bayrischen, wei§-blauen<br />
Himmel. Oktoberfest-Wetter! Schlag 12 Uhr brachen wir auf. Auf<br />
wundersame Weise ergatterten wir gleich an der Theresienwiese einen<br />
Parkplatz.<br />
ãWir machen das jetzt soÒ, erklŠrte ich, einem pŠdagogisch wertvollen<br />
Vorschlag meines Bruders folgend, ãwir gehen jetzt Ÿber den<br />
ganzen Platz und Ihr schaut euch alles an. Dann dŸrft Ihr euch drei Sachen<br />
aussuchen, mit denen Ihr fahren wollt.Ò Sehr zum Erstaunen meiner<br />
Frau - deren Nichte erst vor kurzem unter ihrer Aufsicht siebenmal<br />
hintereinander Achterbahn gefahren war, um dann den folgenden Tag<br />
mit Drehschwindel im Bett bleiben zu mŸssen - erklŠrten sich Magdalena<br />
und Marie mit dem Plan ohne Murren einverstanden. Gelobt sei<br />
die katholische Erziehung!<br />
Meine Nichten standen mit glŠnzenden Augen da und sagten: ãWir<br />
haben uns im Internet schon informiert, wir wollen zuerst zu den lebenden<br />
Geistern!Ò Von denen hatte ich auch schon gelesen. Irgendwelche<br />
Studenten oder 1-Euro-Jobber verdienten sich in den dunklen Tunneln<br />
einer Geisterbahn wŠhrend des Oktoberfests ihr Geld, indem sie den<br />
Nervenkitzel suchende FahrgŠste ãin echtÒ zwickten. WerÕs mag! ãHaben<br />
Sie lebende Geister?Ò, war nun meine Standardfrage an den Geisterbahn-Kassen.<br />
Die fŸnfte Geisterbahn endlich war die richtige. Eine<br />
aufgeregte Menschentraube stand mehr oder weniger Schlange, Marie<br />
und Magdalena reihten sich geschickt ganz vorne ein, ein bisschen enttŠuscht,<br />
dass ich nicht mitfahren und mich Zwicken lassen wollte. Ich<br />
lasse mich ungern im Dunkeln von fremden MŠnnern begrapschen,<br />
aber das wollte ich den MŠdchen so nicht erklŠren. ãDie lebenden Geister<br />
haben nur buhu geschrien und nur gekitzelt!Ò, beschwerte sich Marie<br />
nach der Geisterbahn-Fahrt. ãNa, wenn euch nach deftigem Kšrperkontakt<br />
ist, da wei§ ich was!Ò Lebenserfahren schlug ich das Teufelsrad<br />
vor. ãDas FahrgeschŠft hat eine lange Tradition, es<br />
ist Ÿber hundert Jahre alt, als ich in eurem Alter war,<br />
bin ich mal als letzte auf dem Teufelsrad gesessen,<br />
ganz toll war das!Ò dozierte ich. Meine Frau und die<br />
beiden MŠdchen schauten mich unglŠubig an.<br />
Drinnen im stickigen Teufelsrad-Zelt ging es zur<br />
Sache. Das Prinzip ist einfach: Ein Schmierlappen<br />
von Anheizer fordert Ÿber sein Mikrophon bestimmte<br />
Zielgruppen auf, auf das ebenerdig angebrachte<br />
Teufelsrad zu springen. In Windeseile ist die gro§e<br />
runde Holzscheibe gefŸllt, beginnt sich erst langsam,<br />
dann immer schneller zu drehen. Die ersten purzeln,<br />
von der Schleuderkraft getrieben, vom Teufelsrad in<br />
die weich gepolsterte Absperrung. Nur wer genau in<br />
der Mitte des riesigen Holztellers sitzt, kann sich lŠnger<br />
halten. Der Letzte wird dann von oben von einer<br />
Art Medizinball an der Angel attackiert, verliert auch<br />
irgendwann das Gleichgewicht und wird unter dem<br />
hŠmischen GelŠchter der Zuschauer vom Teufelsrad<br />
verscheucht.<br />
ãJetzt Sšhne und ihre VŠter!Ò, rief der Anheizer,<br />
und Pulks von kleinen Buben mit ihren Papas stŸrmten<br />
aufs Teufelsrad. Marie und Magdalena staunten,<br />
wie grauhaarige Herren rotgesichtig in die Banden<br />
geschleudert wurden. Freiwillig. ãTante Bella, Du<br />
musst auch mit uns aufs Teufelsrad!Ò, forderte mich<br />
lespress ❘ oktober 2005<br />
Marie auf. ãDa kšnnen wir nicht so einfach raufÒ, erklŠrte ich besserwisserisch,<br />
ãda muss der Mann am Mikrofon schon die richtige Ansage<br />
machen.Ò.<br />
Meine Frau blickte mich streng an. ãFeigling!Ò, las ich in ihren<br />
Augen. Gšttin sei Dank wurden jetzt ãAlle Madeln, die noch in die<br />
Schule gehen!Ò, aufs Teufelsrad gebeten, ich nickte meinen Nichten zu,<br />
und sie stŸrmten aufs Rad. Sie hielten sich ganz gut, hatten aber nicht<br />
die guten PlŠtze in der Mitte der Scheibe ergattert.<br />
Irgendwann bekamen die MŠdchen Durst, und wir verlie§en das<br />
Teufelsrad-Zelt, um etwas zu Trinken zu besorgen. ãWenn wir uns<br />
verlieren, treffen wir uns hier, hier ist es lustig!Ò, schlug Magdalena im<br />
Gehen vor.<br />
ãDu musst endlich mal was mit den Kindern mitfahren, die sind<br />
sonst ganz enttŠuscht von ihrer Tante BellaÒ, flŸsterte mir meine Frau<br />
ins Ohr. Ich entschied mich fŸr die Wildwasserbahn. Wasser ist immer<br />
gut, aber leider las ich erst in der Warteschlange das Schild, das Menschen<br />
mit RŸcken- oder Herzbeschwerden vor der Mitfahrt warnte.<br />
Auch war die Bahn mitnichten ebenerdig, frau sa§ in einer Art Kanu<br />
auf Schienen und wurde ein ums andre Mal viele Meter hochgezogen,<br />
um im freien Fall durch WasserfontŠnen zu Boden zu stŸrzen. Meine<br />
Nichten, die vor mir im Kanu sa§en, johlten begeistert, ich kauerte hinten<br />
geduckt, mir war schlecht.<br />
Meine Frau erwartete uns am Ausgang des FahrgeschŠfts. Sie umarmte<br />
mich und flŸsterte stolz: ãDu warst so tapfer!Ò. Ich genoss den<br />
Trost.<br />
Plštzlich waren die MŠdchen verschwunden. Panik kroch in mir<br />
hoch. Meine einzigen Nichten! Verschwunden, nur, weil ich bei der<br />
Wildwasserbahn schwŠchelte!<br />
ãWo werden sie schon seinÒ, meinte meine Frau ãbeim Teufelsrad,<br />
wo sonst!Ò. Wir stŸrmten durch die Massen zurŸck zum Teufelsrad-<br />
Zelt. Drinnen sahen wir sie gleich, sie standen beide beim Ansager.<br />
Marie und Magdalena winkten mir zu. Der Ansager grinste hŠmisch<br />
und nahm sein Mikrophon: ãSo, auf gehtÕs. Jetzt alle Tanten und ihre<br />
Nichten. Das gilt auch fŸr Tante Bella!Ò<br />
Bernadette Repplinger<br />
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