7 Das schweizerische Gesundheitswesen
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7 <strong>Das</strong> <strong>schweizerische</strong> <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
Daniel Pewsner, Matthias Egger, Reto Guetg, Linda Nartey<br />
Dieses neu überarbeitete Kapitel beruht auf dem Wissenstand vom Februar 2006.<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
7.1 Der Begriff <strong>Gesundheitswesen</strong> 2<br />
7.2 Organisation des <strong>schweizerische</strong>n <strong>Gesundheitswesen</strong>s 2<br />
7.2.1 Kompetenzen und Aufgaben von Bund, Kantonen und<br />
Gemeinden<br />
2<br />
7.2.1.1 Kompetenzen und Aufgaben des Bundes 2<br />
7.2.1.1.1 Überwachung und Schutz der Gesundheit 3<br />
7.2.1.1.2 Beaufsichtigung der im <strong>Gesundheitswesen</strong> aktiven<br />
Versicherungen<br />
6<br />
7.2.1.1.3 Überwachung der Arzneimittel und Medizinalprodukte 6<br />
7.2.1.1.4 Förderung der Prävention und der Gesundheit 6<br />
7.2.1.1.5 Aufgaben des Bundes im Bereich Bildung und Berufe 7<br />
7.2.1.1.6 Koordination und Förderung von Wissenschaft, Forschung und<br />
tertiärer Bildung<br />
8<br />
7.2.1.1.7 Statistik im <strong>Gesundheitswesen</strong> als Aufgabe des Bundes 8<br />
7.2.1.2 Kompetenzen und Aufgaben der Kantone 9<br />
7.2.1.3 Kompetenzen und Aufgaben der Gemeinden 10<br />
7.3 Kosten und Finanzierung 11<br />
7.3.1 Die Verteilung der Kosten 11<br />
7.3.2 Die sozialen Krankenversicherungen (KV) 14<br />
7.4 Die Leistungserbringer 20<br />
7.4.1 Ambulante Leistungserbringer 20<br />
7.4.2 Stationäre Leistungserbringer 22<br />
7.5 Medikamente 24<br />
7.5.1 Dem Betäubungsmittelgesetz unterstehende Substanzen 26<br />
7.6 Selbsthilfegruppen, Gesundheitsligen und das Rote Kreuz 26<br />
7.7 Inanspruchnahme des <strong>Gesundheitswesen</strong>s (Daten der<br />
Schweizerischen Gesundheitsbefragung)<br />
27<br />
7.8 Entwicklung der Gesundheitsausgaben: Eine „Kostenexplosion“? 28<br />
7.9 Modelle zur Eindämmung der Kosten im GW 30<br />
7.9.1 Kostenreduktion auf Ebene der Grundversorgung 31<br />
7.9.2 Kostenreduktion auf Ebene der Spitäler 33<br />
7.9.3 Kostenreduktion bei den Medikamenten 35<br />
7.10 Blick über die Grenzen: Internationale Vergleiche 36<br />
7.11 Weiterführende Literatur 42<br />
7.12 Zitierte Literatur 43<br />
7.13 Wichtige Websites 43
7.1 Der Begriff <strong>Gesundheitswesen</strong> (GW)<br />
Definition: <strong>Das</strong> <strong>Gesundheitswesen</strong> (GW) umfasst die Gesamtheit der<br />
Einrichtungen und Massnahmen zur Förderung und Erhaltung<br />
der Gesundheit. Es ermöglicht die Prävention, Diagnostik und Behandlung<br />
von Gesundheitsstörungen, Krankheiten und Unfällen sowie die<br />
Rehabilitation von kranken und verunfallten Menschen.<br />
Ziele: Angestrebt werden die Erhaltung und Förderung der Lebensqualität<br />
und des subjektiven Wohlbefindens aller<br />
Mitglieder der Gesellschaft. Dazu müssen die verfügbaren Mittel möglichst<br />
wirksam eingesetzt werden.<br />
7.2 Organisation des <strong>schweizerische</strong>n <strong>Gesundheitswesen</strong>s<br />
7.2.1 Kompetenzen und Aufgaben von Bund, Kantonen und<br />
Gemeinden<br />
Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss bezeichnete die “Zersplitterung auf den<br />
verschiedensten Ebenen“ als das Hauptmerkmal des Schweizerischen<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong>s. Gründe dieser Zersplitterung zwischen Bund, Kantonen<br />
und Gemeinden sind unter anderem: Parallele und konkurrierende<br />
Bundeskompetenzen; uneinheitlicher kantonaler Vollzug von Bundesrecht<br />
sowie unterschiedliche Konkordate (Verträge) zwischen Kantonen. Es sind<br />
zahlreiche Reformen im Gang, welche die Schaffung klarer Zuständigkeiten<br />
und Verantwortlichkeiten zum Ziel haben.<br />
7.2.1.1 Kompetenzen und Aufgaben des Bundes<br />
<strong>Das</strong> Bundesamt für Gesundheit (BAG), welches dem Departement des Inneren<br />
(EDI) angehört, ist für Belange des <strong>Gesundheitswesen</strong>s auf Ebene des Bundes<br />
meist federführend. Es wird durch spezielle ausserparlamentarische<br />
Kommissionen (z. B. eidgenössiche Kommissionen für AIDS-Fragen,<br />
Alkoholfragen, biologische Sicherheit, Arzneimittelkommission,<br />
Leistungskommission) beraten.<br />
2
Tabelle 3a: Kompetenzen und Aufgaben des Bundes (Auswahl)<br />
Überwachung und Bekämpfung gefährlicher Erkrankungen (z. B.: Sentinella, Meldepflicht,<br />
Grenzsanitätsdienstliche Massnahmen).<br />
Schutz vor übertragbaren Krankheiten (Influenza, Hepatitis, Tbc, HIV etc.)<br />
Handhabung immunbiologischer Produkte, Blutprodukte, Blut und Transplantationsmaterial<br />
(Medizinalprodukte-Verordnung)<br />
Überwachung Lebensmittel (Lebensmittelverordnung) und Gebrauchsgegenstände.<br />
Überwachung Betäubungsmittel (Betäubungsmittelverordnung), Chemikalien und Giftstoffe.<br />
Schutz vor radioaktiver Strahlung (Strahlenschutzverordnung).<br />
Überwachung der Forschung am Menschen (Bundesgesetz über die Forschung am Menschen,<br />
Humanforschungsgesetz, in Vernehmlassung)<br />
Suchtbekämpfung (Tabak, Alkohol), Stiftung „Gesundheitsförderung Schweiz“<br />
Sozialversicherungen:<br />
Obligatorische Krankenversicherung (KV), freiwillige Taggeldversicherung, obligatorische<br />
Mutterschaftsversicherung, obligatorische Unfallversicherung (UV), Invalidenversicherung (IV)<br />
und Militärversicherung (MV).<br />
Privatversicherungen:<br />
Nicht obligatorische Krankenzusatzversicherungen<br />
Medikamente und Medizinalprodukte:<br />
Schweizerisches Heilmittelinstitut: Zulassung und Kontrolle von Medikamenten<br />
Statistik:<br />
Bundesamt für Statistik und Gesundheitsobservatorium Neuenburg<br />
Bildung:<br />
Koordination und Förderung von Wissenschaft, Forschung und tertiärer Bildung.<br />
Akkreditierung der universitären und neu auch der nicht-universitären Gesundheitsberufe.<br />
Weitere Kompetenzen und Aufgaben des Bundes:<br />
Fortpflanzungsmedizin Gentechnologie<br />
Transplantationsmedizin Tierschutz<br />
Arbeitssicherheit Umweltschutz<br />
Körperliche Aktivität & Sport Strategie „Migration & Gesundheit“<br />
7.2.1.1.1 Überwachung und Schutz der Gesundheit<br />
Der Bund versucht mit Hilfe des <strong>Gesundheitswesen</strong>s, die Gesundheit der<br />
Bevölkerung bestmöglich zu bewahren. Wie im Epidemiegesetz festgehalten,<br />
stehen Überwachung und Bekämpfung stark verbreiteter oder virulenter<br />
Erkrankungen im Vordergrund. Dafür stehen verschiedene Instrumente zur<br />
Verfügung:<br />
<strong>Das</strong> Sentinella-Meldesystem ist ein wichtiges Instrument zur Gewinnung der<br />
3
notwendigen epidemiologischen Daten. „Sentinella“ umfasst 250<br />
Allgemeinpraktiker, InternistInnen, Pädiater und GynäkologInnen. Die<br />
anonymisierten Meldungen der Krankheitsfälle werden dem BAG zugestellt.<br />
Diese beinhalten insbesondere „impfverhütbare“ Krankheiten wie Röteln,<br />
Masern, Mumps, Influenzaverdacht, Pertussis sowie Meldungen über Influenza-<br />
und Pneumokokkenimpfungen.<br />
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB) liefert über den<br />
Gesundheitszustand der Bevölkerung Informationen. Insbesondere werden<br />
prognostische Faktoren, Krankheitsfolgen, die Inanspruchnahme des<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong>s und die Versicherungsverhältnisse der Schweizer<br />
Wohnbevölkerung erfragt. Die vom Bundesamt für Statistik alle 5 Jahre<br />
wiederholte repräsentative Umfrage (letzte Befragung 2002), ermöglicht die<br />
Beobachtung von zeitlichen Veränderungen in diesen Themenbereichen und<br />
erlaubt, die Auswirkungen gesundheitspolitischer Massnahmen zu überprüfen.<br />
Im Rahmen der Meldepflicht müssen Ärzte und Laboratorien bestimmte<br />
Erkrankungen (Tabellen 1a und 1b) dem Kantonsarzt bzw. dem BAG melden. 1<br />
Viele dieser gefährlichen Krankheiten (Beispiele: Tbc, Lues, Gonorrhoe,<br />
Influenza-A-Virus, SARS, Polio, Hepatitis-A, -B und -C, Masern, Epiglottitis,<br />
invasive Meningitis, hämorrhagische Fieber) erfordern zwingend die Preisgabe<br />
der Patientenidentität an die zuständigen Stellen.<br />
Tabelle 1a: Meldepflichtige Erkrankungen für Ärzte (gemäss Epidemiegesetz)<br />
Meldung innert 1 Tages (Erkrankungen* erfordern innert 2 Stunden telefonische Meldung)<br />
Anthrax* Diphterie Epiglottitis Häufung Infekt<br />
Influenza-A HxNy* Meningokokken-Meningitis<br />
bzw. Sepsis<br />
Masern Neurosyndrom mit Verdacht<br />
auf Polio, Rabies (Tollwut)<br />
Botulismus*<br />
Pest* Pocken* SARS* Tularämie<br />
Virale hämorrhagische<br />
Fieber*: Ebola u.a.<br />
Meldung innert 1 Woche<br />
Gelbfieber<br />
AIDS-HIV Creutzfeldt-Jakob Malaria Röteln<br />
Tetanus TBC<br />
Meldeweg: ÄrztInnen melden an den kantonsärztlichen Dienst<br />
Aktuelle Liste meldepflichtiger Infekte: http://www.bag.admin.ch/infreporting/index.htm<br />
4
Tabelle 1b: Meldepflichtige Erkrankungen für Laboratorien (gemäss Epidemiegesetz)<br />
Meldung innert 1 Tages (Erkrankungen* erfordern innert 2 Stunden telefonische Meldung)<br />
Bacillus anthracis* Clostridium botulinum* Diphterie Tularämie<br />
Haemophilus influenzae Hämorrhagische<br />
Fieberviren* (Ebola u.a.).<br />
Influenza-A-Virus* HxNy Häufung von Infekten<br />
Gelbfieber Masernvirus Neisseria meningitidis Pockenvirus*<br />
Polioviren SARS-Coronavirus* Tollwutvirus Vibrio cholerae<br />
Yersinia pestis*<br />
Meldung innert 1 Woche<br />
Brucella Campylobacter Chlamydia trachomatis Enterohämorrh. E. coli<br />
Hepatitis A-, B-, C-Viren HIV Influenzaviren Legionella<br />
Listeria monocytogenes Tbc Neisseria gonorrhoeae Plasmodien<br />
Prionen Salmonella Shigella Streptococcus pneumoniae<br />
Treponema pallidum** West-Nile-Virus FSME-Virus<br />
** aufgrund der in den letzten Jahren zunehmenden Inzidenz der Lues wurde die Meldepflicht wieder eingeführt<br />
Meldeweg: Laboratorien melden an den kantonsärztlichen Dienst und zusätzlich an das BAG<br />
Aktualisierte Liste meldepflichtiger Infekte: http://www.bag.admin.ch/infreporting/index.htm<br />
Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) ist ein seit 1995 bestehendes<br />
nationales Erhebungssystem, das gemeinsam von der Schweizerischen<br />
Gesellschaft für Pädiatrie und dem Bundesamt für Gesundheit betrieben wird. 2<br />
Es dient der Erfassung von seltenen pädiatrischen Krankheitsbildern und<br />
seltenen Komplikationen häufigerer Krankheiten bei hospitalisierten Kindern in<br />
der Schweiz. Im Jahr 2004 meldeten 27 der 37 pädiatrischen<br />
Ausbildungskliniken sowie 9 chirurgische Kinderkliniken und 4 pränatale<br />
Ultraschallzentren insgesamt 241 Krankheitsfälle: 107 Fälle mit schwerer<br />
Respiratory Syncytial Viren (RSV) Infektion, 74 Fälle mit Invagination, 22 Fälle<br />
mit Neuralrohrdefekt, 17 Fälle mit hämolytisch-urämischem Syndrom, 14 Fälle<br />
mit akuter schlaffer Lähmung (Indikator für die Poliomyelitisüberwachung),<br />
fünf Fälle mit Schütteltrauma, ein Fall von akutem rheumatischem Fieber und<br />
ein Fall von Herpes neonatalis. Kongenitale Röteln wurden keine gemeldet.<br />
Die grenzsanitätsdienstlichen Massnahmen (GSM) sind vom BAG auf 1. Januar<br />
2006 neu organisiert worden: Alle in die Schweiz einreisenden asylsuchenden<br />
Personen werden über das Schweizer Gesundheitssystem, die Tuberkulose,<br />
Impfungen und ab 16-jährig über den Schutz vor HIV/Aids informiert. Eine<br />
5
Pflegefachperson führt eine gezielte Befragung nach Tbc-Symptomen durch.<br />
Nur beim Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte wird die betroffene Person<br />
einem Arzt zugewiesen. Auf ein Tuberkulose-Screening mittels<br />
routinemässigem Röntgenbild und Tuberkulintest wird neu verzichtet. Auch<br />
müssen ausländische Arbeitnehmer nicht mehr auf Tuberkulose untersucht<br />
werden, wenn kein klinischer Verdacht vorliegt. Bezogen auf 10’000<br />
Asylsuchende führt diese neue Politik zu einer Einsparung von ca. 2.5 Mio<br />
Franken.<br />
Die Untersuchung und Behandlung bestimmter Erkrankungen (z. B. Tbc) kann<br />
auf Basis des Epidemiegesetzes staatlich erzwungen werden. Solche<br />
Massnahmen (z. B. auch Quarantäne) werden von den Kantonen durchgeführt.<br />
7.2.1.1.2 Beaufsichtigung der im <strong>Gesundheitswesen</strong> aktiven<br />
Versicherungen<br />
Tabelle 2: Vom Bund beaufsichtigte Versicherungen des GW<br />
Zuständiges Bundesamt Versicherung Bemerkungen<br />
BA für Gesundheit Obligatorische KV<br />
Obligatorische UV (SUVA) Für alle angestellten<br />
ArbeitnehmerInnen<br />
Militärversicherung Seit 2005 in die SUVA<br />
eingegliedert<br />
BA für Sozialversicherung Invalidenversicherung IV<br />
BA für Privatversicherungen Krankenzusatzversicherungen Freiwillige Versicherungen,<br />
kein Solidaritätsprinzip<br />
a) Überwachung der Sozialversicherungen<br />
<strong>Das</strong> Bundesamt für Gesundheit (BAG) überwacht und regelt die Tätigkeiten<br />
der obligatorischen Krankenversicherung (KV), der obligatorischen<br />
Unfallversicherung (UV) und der Militärversicherung (MV). Die<br />
Invalidenversicherung (IV) ist dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)<br />
zugeordnet.<br />
6
) Überwachung der Privatversicherungen<br />
Aufsichtsbehörde über die nicht obligatorischen Krankenzusatzversicherungen<br />
ist das Bundesamt für Privatversicherungen. Dieses ist dem<br />
Finanzdepartement unterstellt.<br />
7.2.1.1.3 Überwachung der Arzneimittel und Medizinalprodukte<br />
Die Zulassung und Kontrolle von Medikamenten (inkl. Impfstoffen, Blut,<br />
Blutprodukten und Betäubungsmitteln) obliegt dem Schweizerischen<br />
Heilmittelinstitut Swissmedic in Bern (siehe 7.5). Im Rahmen der<br />
Kompetenzverschiebung von den Kantonen an den Bund entschied das<br />
Parlament, die Interkantonale Kontrollstelle für Medikamente (IKS) ab 2002 in<br />
die Swissmedic überzuführen.<br />
7.2.1.1.4 Förderung der Prävention und der Gesundheit<br />
Die Suchtbekämpfung (z.B. Tabak, Alkohol) ist ein Schwerpunkt der<br />
Prävention. Die Alkoholgesetzgebung (Herstellung, Einfuhr, Reinigung und<br />
Verkauf) sowie Verbrauchssteuern auf Alkohol und Tabak sind<br />
Steuerungsinstrumente des Bunds. Die Einkünfte der Tabaksteuer fliessen zu<br />
fast 100% in die AHV.<br />
Die Strategie Migration und Gesundheit 2002 – 2006 des BAG strebt eine<br />
verbesserte Integration von Einwanderern an, was den Lebensbedingungen<br />
der ganzen Gesellschaft zugute kommt.<br />
Gemeinsam mit Kantonen und Krankenversicherern beaufsichtigt der Bund die<br />
Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (Website siehe 7.13). Diese hat zum<br />
Zweck, “Massnahmen zur Förderung von Gesundheit und zur Verhütung von<br />
Krankheiten anzuregen, zu koordinieren und zu evaluieren“. Die Stiftung wird<br />
durch einen Zuschlag von Fr. 2.40 auf die obligatorische Krankenversicherung<br />
pro Versicherten und Jahr finanziert, was ein Jahresbudget von ca. 17 Mio Fr.<br />
ergibt. Gegenwärtig überarbeit die Stiftung ihre zukünftige Ausrichtung. Die<br />
langfristige Strategie sieht eine Fokussierung auf drei Kernthemen vor:<br />
7
„Gesundheitsförderung und Prävention stärken“, „Gesundes Körpergewicht“<br />
und „Psychische Gesundheit - Stress“.<br />
7.2.1.1.5 Aufgaben des Bundes im Bereich Bildung und Berufe<br />
Seit 1877 (Freizügigkeitsgesetz für die Medizinalberufe) ist der Bund für die<br />
Akkreditierung von ÄrztInnen, ZahnärztInnen, VeterinärInnen und<br />
ApothekerInnen verantwortlich. Mit dem Inkrafttreten des neuen<br />
Berufsbildungsgesetzes ist 2004 die Verantwortung für die Ausbildungen der<br />
nicht universitären Gesundheitsberufe von privaten Organisationen (z. B.<br />
Schweizerisches Rotes Kreuz) an Bund und Kantone übergegangen.<br />
7.2.1.1.6 Koordination und Förderung von Wissenschaft, Forschung<br />
und tertiärer Bildung<br />
Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen<br />
Forschung unterstützt im Auftrag des Bundes die Forschung. Auch regelt der<br />
Bund die Subventionierung und Koordination der Universitäten.<br />
7.2.1.1.7 Statistik im <strong>Gesundheitswesen</strong> als Aufgabe des Bundes<br />
<strong>Das</strong> Bundesamt für Statistik und das Gesundheitsobservatorium Neuenburg<br />
(letzteres zusammen mit den Kantonen) stellen regelmässig Daten zum<br />
<strong>schweizerische</strong>n <strong>Gesundheitswesen</strong> zusammen. Für die Statistiken über<br />
Infektionserkrankungen allerdings ist das BAG verantwortlich (Websites siehe<br />
7.13).<br />
7.2.1.2 Kompetenzen und Aufgaben der Kantone<br />
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektoren und<br />
-direktorinnen (Website siehe 7.13) koordiniert die Gesundheitspolitik der<br />
Kantone.<br />
Die medizinischen Fakultäten sind Teil der kantonalen Hochschulen. Die<br />
meisten Kantone betreiben eigene Spitäler (siehe 7.4.2) – einige<br />
subventionieren auch Privatspitäler. Auch können die Kantone Alters- und<br />
8
Pflegeheime betreiben. Diese Tätigkeit wird allerdings häufig an Gemeinden<br />
delegiert und lediglich finanziell unterstützt.<br />
Im ambulanten Bereich liegen Spitex (siehe 7.4.1) und sozialpsychiatrische<br />
Dienste im kantonalen Verantwortungsbereich. Allerdings bestehen<br />
Überschneidungen mit den Gemeinden.<br />
Die Prämienverbilligung für wirtschaftliche schwächere Versicherte erfolgt über<br />
die Kantone, sie wird durch Bund und Kantone finanziert (siehe 7.3.2).<br />
Die Kantone definieren die notwendigen Bedingungen zur Berufszulassung von<br />
ÄrztInnen, ZahnärztInnen, ApothekerInnen, ChiropraktorInnen und<br />
Hebammen und erteilen die entsprechenden Praxisbewilligungen. Die<br />
kantonalen Gesundheitsgesetze sehen für Ärzte generell oder zumindest in<br />
Notfällen eine weitgehende Behandlungspflicht vor, weswegen zahlreiche<br />
kantonale, regionale und lokale Ärzteorganisationen einen Notfalldienst<br />
betreiben.<br />
Die wichtigsten Kompetenzen und Aufgaben der Kantone sind in Tabelle 3b<br />
zusammengestellt.<br />
Tabelle 3b: Kompetenzen und Aufgaben der Kantone (Auswahl)<br />
Betrieb von Spitälern und Subvention von Privatspitälern<br />
Betrieb von Alters- und Pflegeheimen (häufig an Gemeinden delegiert)<br />
Spitex und Sozialpsychiatrische Dienste (z. T. Überschneidungen mit Gemeinden)<br />
Prämienverbilligung für wirtschaftlich Schwächere (Finanzierung auch durch den Bund)<br />
Berufszulassung bzw. Praxisbewilligungen für ÄrztInnen, ZahnärztInnen, ApothekerInnen,<br />
Hebammen<br />
Medizinische Fakultäten als Teil der kantonalen Hochschulen, Fachhochschulen<br />
7.2.1.3 Kompetenzen und Aufgaben der Gemeinden<br />
Der Betrieb von Spitälern, Pflegeheimen, Spitex, Gemeindepsychiatrie,<br />
Sozialhilfe, schulärztlicher Dienst und ähnliche Aufgaben wird von den<br />
9
Gemeinden (oft in Zusammenarbeit zwischen mehreren Gemeinden)<br />
wahrgenommen oder an private Vereine delegiert.<br />
Die Trinkwasserversorgung, Überwachung der Lebensmittelhygiene,<br />
Abwasserentsorgung, Kehrichtbeseitigung und Strassenreinigung sind typische<br />
Gemeindeaufgaben. Im Prinzip übernehmen die Gemeinden jene Aufgaben,<br />
welche sie besser als Kanton und Bund lösen können.<br />
Zusammen mit Bund, Kantonen und privaten Organisationen (siehe 7.6) sind<br />
die Gemeinden in den koordinierten Sanitätsdienst eingebunden. Dieser<br />
umfasst den koordinierten Einsatz von Mitteln der Armee, des Zivilschutzes<br />
(Bevölkerungsschutz) und von zivilen Organisationen. Damit soll in<br />
schwierigen Situationen die medizinische Versorgung der Bevölkerung<br />
sichergestellt werden.<br />
Die wichtigsten Kompetenzen und Aufgaben der Gemeinden sind in Tabelle 3c<br />
zusammengestellt.<br />
Tabelle 3c: Kompetenzen und Aufgaben der Gemeinden (Auswahl)<br />
Betrieb von Spitälern, Pflegeheimen, Spitex, Gemeindepsychiatrie, Sozialhilfe und<br />
schulärztlichem Dienst (Überschneidungen mit Kantonen)<br />
Trinkwasserversorgung, Überwachung Lebensmittelhygiene, Abwasserentsorgung,<br />
Kehrichtbeseitigung und Strassenreinigung<br />
Koordinierter Sanitätsdienst (Überschneidungen mit Kantonen und Bund)<br />
7.3 Kosten und Finanzierung<br />
Die sozioökonomische Belastung durch das GW kann in folgende Kategorien<br />
unterteilt werden:<br />
Kasten 1: Definition von Kostenkategorien, welche das <strong>Gesundheitswesen</strong> belasten<br />
Direkte Kosten Stellen den bewerteten Verbrauch an Ressourcen, die in Form<br />
von Gütern und Dienstleistungen für die Behandlung der<br />
Krankheiten in Anspruch genommen werden, dar.<br />
10
Indirekte Kosten Messen den bewerteten Verlust an Ressourcen, der sich als<br />
Verlust menschlicher Produktivität (Arbeitskraft) infolge von<br />
Krankheit, Invalidität und vorzeitigem Tod ergibt.<br />
Intangible Kosten Sind die Schmerzen, Leiden oder Einschränkungen der<br />
Lebensqualität der Erkrankten und des Umfelds.<br />
7.3.1 Die Verteilung der Kosten<br />
Drei staatliche Ebenen (Bund, Kantone und Gemeinden) sind an der<br />
Finanzierung des <strong>Gesundheitswesen</strong>s mitbeteiligt: 2003 betrugen die<br />
Gesamtausgaben der öffentlichen Hand für das GW 13.2 Mrd. Fr. In erster<br />
Linie wurden dabei die Kantone, in zweiter Linie die Gemeinden und zuletzt der<br />
Bund belastet. Im Vergleich zu den Vorjahren war eine Verminderung der<br />
Ausgaben des Bundes zulasten der Kantone und Gemeinden zu beobachten.<br />
Die Gesundheitskosten in der Höhe von rund 50 Milliarden Franken werden<br />
etwa zur Hälfte von den Sozial- und Privatversicherungen getragen. Rund ein<br />
Drittel bezahlen die Haushalte direkt an die Leistungserbringer. Tatsächlich<br />
übernehmen die Haushalte aber knapp zwei Drittel der Finanzlast in Form von<br />
Prämien, Steuern und Direktzahlungen.<br />
Nur der durch Steuern finanzierte Anteil kennt eine Progression (Begüterte<br />
zahlen einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens als weniger Bemittelte).<br />
Trotz der Prämienverbilligung für wirtschaftlich Schwächere und dem Umstand,<br />
dass die stationäre Pflege - welche den grössten Anteil der Gesundheitskosten<br />
ausmacht - proportional am stärksten über Steuern finanziert wird<br />
(Kantonsbeiträge), weist die Schweiz im Vergleich zu Ländern der EU ein<br />
Gesundheitssystem auf, dessen Finanzierung im Verhältnis zum Einkommen<br />
am wenigsten progressiv bzw. am regressivsten ist (siehe 7.10). Volk und<br />
Stände haben die Einführung einkommensabhängiger Prämien mehrfach<br />
abgelehnt, das letzte Mal am 18. Mai 2003. Eine weitere eidgenössische<br />
Abstimmung steht bevor: Es geht um die Einführung einer Einheitskasse.<br />
Diese soll teilweise über Lohnprozente finanziert werden.<br />
11
Eine Zusammenstellung der Leistungen an den Gesundheitskosten 2003 findet<br />
sich in Abbildung 1.<br />
Abbildung 1 – Anteil der verschiedenen Leistungen an den Gesundheitskosten 2003 (total 49.9<br />
Mia Franken) in %. Die stationär abgegebenen Medikamente sind in der stationären<br />
Behandlung enthalten.<br />
Die Gesundheitskosten sind regional (Kantone, Stadt-Land) unterschiedlich,<br />
was sich auch in der Höhe der obligatorischen KV-Prämie niederschlägt. Die<br />
höchsten Kosten finden sich im Tessin und Genf (2004: 3500 Fr. pro<br />
Versicherten), die tiefsten in der Zentral- und Ostschweiz (Appenzell<br />
Innerrhoden: 1750 Fr. - also die Hälfte von Genf - pro Versicherten). Die<br />
kantonalen Gesundheitskosten pro Person und die Dichte der Arztpraxen<br />
(Abbildung 2) sind positiv korreliert. Dies ist auf Unterschiede des<br />
Patientenalters, des Urbanisationsgrads, der Kultur und auf das Element der<br />
Mengenausweitung auf Seiten der Leistungserbringer – auch der Spitäler -<br />
(siehe 7.4.2) zurückzuführen. Somit ist die Korrelation zwischen Dichte der<br />
Arztpraxen und Gesundheitskosten nur teilweise kausal. Vielmehr ist<br />
12
anzunehmen, dass Alter, Urbanisationsgrad, Kultur und Dichte der Spitäler<br />
weitere Gründe der vermehrten Gesundheitskosten sind - alles Faktoren, die<br />
ebenfalls mit der Ärztedichte korrellieren. Es liegt also teilweise ein<br />
„Confounding“ durch diese Faktoren vor. 3<br />
Abbildung 2 – Anzahl praktizierender Ärzte und Ärztinnen pro 100'000 Einwohner und jährliche<br />
Gesundheitsausgaben pro Einwohner in Franken nach Kanton im Jahr 2002<br />
7.3.2 Die sozialen Krankenversicherungen (KV)<br />
Vorbemerkung: Wir verweisen auf das Skript: „Texte zur Versicherungsmedizin“, welches<br />
Fragen zur Krankenversicherung, dem Lernzielkatalog gemäss, ausführlich abhandelt.<br />
Die ersten Krankenkassen der Schweiz entstanden im frühen 19. Jahrhundert.<br />
Der entsprechende Artikel der Bundesverfassung wie auch das 1.<br />
Krankenversicherungsgesetz definierte 1911 deren Funktion. Anlässlich der<br />
Volksabstimmung vom 18.3.1994 wurde das Bundesgesetzes über die<br />
Krankenversicherung (Krankenversicherungsgesetz, KVG) angenommen: Die<br />
Einführung des KV-Obligatoriums, des Risikoausgleichs zwischen den KV und<br />
der Prämienverbilligung für Versicherte mit geringem Einkommen<br />
ermöglichten eine Verstärkung der Solidarität und die volle Freizügigkeit<br />
(keine Versicherungsvorbehalte im Bereich der obligatorischen<br />
13
Grundversicherung). Auch erfuhr der Leistungskatalog eine Ausweitung. Mit<br />
dem Beschluss des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI) vom<br />
9.7.1998 wurden die fünf komplementären Verfahren anthroposophische<br />
Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie und traditionelle<br />
chinesische Medizin mit Wirkung ab 1.7.1999 und zeitlich befristet bis zum<br />
30. Juni 2005 in die Krankenpflege-Leistungsverordnung aufgenommen. Der<br />
Entscheid über den Verbleib dieser komplementären Verfahren in der<br />
Grundversicherung war an den Nachweis ihrer Wirksamkeit, Zweckmässigkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit (siehe Kasten 2) gebunden. <strong>Das</strong> zu diesem Zweck<br />
durchgeführte Programm zur Evaluation der Komplementärmedizin (PEK)<br />
konnte diesen Nachweis nicht erbringen, sodass diese Leistungen per Juli 2005<br />
aus dem Leistungskatalog gestrichen wurden. Bei präventiven Leistungen wird<br />
nur ein Teil übernommen (z.B. obligatorische Impfungen, Grippeimpfung bei<br />
über 65-jährigen oder bei Vorhandensein von Risikofaktoren). Diese<br />
Leistungen sind in einem Leistungskatalog aufgeführt. Zahnärztliche<br />
Behandlungen sind nur dann durch die KV gedeckt, wenn die Pathologie durch<br />
einen Unfall verursacht oder durch eine schwere, nicht vermeidbare<br />
Erkrankung des Kau-Systems bzw. durch eine schwere Allgemeinerkrankung<br />
oder ihre Folgen bedingt ist. Dies gilt auch, wenn die Indikation durch die<br />
Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung (oder ihrer Folgen) entsteht.<br />
Kasten 2: Definitionen von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />
Wirksamkeit (Efficacy) Ist die Therapie unter „idealen“ Bedingungen<br />
wirksam? Als „Goldstandard“ für die<br />
Wirksamkeit gilt die Randomisierte<br />
Kontrollierte Studie<br />
Zweckmässigkeit (Effectiveness)<br />
Ist die Wirksamkeit auch im Alltag gegeben?<br />
Was bewirkt die getroffene Massnahme in der<br />
Zielgruppe?<br />
Wirtschaftlichkeit (Efficiency) Wenn eine Therapie wirksam ist, welches ist<br />
deren Kosten-Nutzenverhältnis? Gibt es<br />
billigere Alternativen? Die Kosten betreffen<br />
nicht nur finanzielle Aspekte sondern auch<br />
Einbussen der Lebensqualität, soziale<br />
Stigmatisierung etc.<br />
14
Im Jahr 2003 gab es in der Schweiz noch 93 Krankenkassen, welche die<br />
obligatorische Grundversicherung anboten. Infolge der immer höheren<br />
Anforderungen an Infrastruktur und dem härteren Wettbewerb hat deren<br />
Anzahl in den letzten 20 Jahren erheblich abgenommen. Die soziale KV<br />
umfasst die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die freiwillige<br />
Taggeldversicherung. Erstere deckt Krankheit, Mutterschaft und subsidiär<br />
Unfall ab. Die Taggeldversicherung dient dazu, den vollen oder teilweisen<br />
Lohnausfall infolge Krankheit, Mutterschaft oder Unfall zu decken. Alle<br />
Personen, die in der Schweiz Wohnsitz haben oder erwerbstätig sind und das<br />
15., aber noch nicht das 65. Altersjahr zurückgelegt haben, können eine<br />
Taggeldversicherung gemäss KVG abschliessen. Unfälle sind nur gedeckt,<br />
wenn nicht anderweitig eine obligatorische oder private Unfallversicherung<br />
vorhanden ist. Die Entschädigung des Leistungserbringers erfolgt in der Regel<br />
gemäss dem Prinzip des Tiers garant (der Versicherte bezahlt die Leistungen<br />
direkt und die Krankenkasse erstattet diesem ihre Leistungen). Dies im<br />
Gegensatz zum Tiers payant (die Vergütung durch die Krankenkasse erfolgt<br />
direkt an den Leistungserbringer).<br />
Laut Gesetz wird eine jährliche Franchise von Fr. 300.– oder eine die Prämie<br />
reduzierende Wahlfranchise bis maximal Fr. 2500.- verrechnet. Zusätzlich wird<br />
ein Selbstbehalt von jeweils 10 % bis maximal Fr. 700.– (Kinder Fr. 350.-) pro<br />
Jahr erhoben. <strong>Das</strong> Prinzip der Selbstbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt)<br />
zielt in zwei Richtungen: Der Finanzierungseffekt soll die Budgets der Kassen<br />
bzw. der öffentlichen Hand entlasten. Beim Steuerungseffekt geht es darum,<br />
die Inanspruchnahme nicht notwendiger Leistungen zu reduzieren (siehe 7.9).<br />
Die Krankenversicherer sind aufgrund eines Kontrahierungszwangs (KVG Art.<br />
46 Abs. 2 und 3) verpflichtet, mit allen zugelassenen Leistungserbringern<br />
Verträge abzuschliessen.<br />
Soziale Elemente der obligatorischen KV sind die Prämienverbilligung für<br />
Personen mit geringem Einkommen (diese Bedingung ist dann gegeben, wenn<br />
15
die Prämienlast ungefähr 8% des verfügbaren Einkommens übersteigt – die<br />
genaue Definition liegt im Ermessen der Kantone) und die Begrenzung der<br />
Franchise für Kinder aus kinderreichen Familien auf maximal total Fr. 700.-.<br />
Die Prämienreduktion - mit Steuereinnahmen des Bunds und der Kantone<br />
finanziert – kommt einem Drittel der Bevölkerung zugute. Der Vollzug der<br />
Prämienverbilligung wird kantonal je nach Prämienniveau unterschiedlich<br />
gehandhabt. Einelternfamilien hatten 2004 die geringsten Prämienlasten zu<br />
tragen (5,9% des verfügbaren Einkommens) gefolgt von den Grossfamilien<br />
(7,2%), den RentnerInnen (9,2%) und den Mittelstandsfamilien (9,3%).<br />
Unterschieden wird zwischen der obligatorischen Grundversicherung und der<br />
nicht obligatorischen, für zusätzliche Leistungen bestimmten,<br />
Zusatzversicherung (z.B. Komplementärmedizin, öffentliche Spitäler ganze<br />
Schweiz, Zahnarzt, Spitalversicherungen für die Behandlung in Privat- oder<br />
Halbprivatabteilungen (Spitalzusatz), besserer Schutz im Ausland, Taggeld bei<br />
Krankheit oder Spitalaufenthalt). 90% der Versicherten haben eine „kleine“<br />
Zusatzversicherung (öffentliche Spitäler ganze Schweiz). Dies deshalb, weil<br />
ausschliesslich Grundversicherte nur für öffentliche Spitäler, die auf der<br />
kantonalen Liste aufgeführt sind, auf Kostendeckung Anrecht haben.<br />
Ausserkantonale Hospitalisationen bedingen, wenn keine Zusatzversicherung<br />
vorhanden ist, das Einverständnis des Kantonsarztes.<br />
Die Deckung der Kosten in der halbprivaten bzw. privaten Abteilung wurde<br />
2003 nur noch von ca. 28% aller Versicherten in Anspruch genommen. 1992<br />
vor Inkrafttreten des KVG nahmen noch 52% der Versicherten diese Leistung<br />
in Anspruch. Im Gegensatz zur obligatorischen Grundversicherung sind die<br />
Versicherer frei, die Leistungen der Zusatzversicherung individuell<br />
zusammenstellen und die Prämien risikogerecht abstufen (z.B. Alter,<br />
Geschlecht oder vorbestehende Krankheiten). Auch können sie bei<br />
Gesundheitsrisiken Vorbehalte anbringen, eine Aufnahme verweigern oder die<br />
Versicherung einseitig kündigen. Während Versicherer bei der<br />
Grundversicherung ausser der obligatorischen Pflicht zur Anlegung genau<br />
definierter Reserven (je nach Grösse der Versicherung 15-20% des<br />
16
Jahresumsatzes) keine Gewinne erwirtschaften dürfen, gilt bei der<br />
Zusatzversicherung diese Einschränkung nicht.<br />
Je nach Kanton und Zusammensetzung des Versichertenbestands bestehen<br />
zwischen den KV beachtliche Risikounterschiede der Versicherten, die sich<br />
auch in Prämiendifferenzen niederschlagen. Diese werden durch einen<br />
vorläufig bis Ende 2010 befristeten Risikoausgleich zwischen den KV gemildert,<br />
welcher somit auch einen sozialen Aspekt aufweist. KV mit einem hohen Anteil<br />
von jüngeren und männlichen Versicherten müssen einen Pool äufnen, der KV<br />
mit vielen älteren Versicherten und hohem Frauenanteil zugute kommt. Dieser<br />
Ausgleich ist allerdings unvollständig, da er bisher nur Alter und Geschlecht<br />
der Versicherten berücksichtigt.<br />
Verbindliche Tarife und Preise werden vertraglich durch Versicherer und<br />
Leistungserbringer festgelegt.<br />
Es gibt 3 Tarifarten (Kasten 3): Den Zeit-, den Pauschal- und den<br />
Einzelleistungstarif. Durch “Produktion“ von Krankheitstagen bzw. von “Fällen“<br />
besteht bei Tagespauschalen und Einzelleistungstarifen die Gefahr der<br />
Mengenausweitung. Einzig der Zeittarif ist diesbezüglich weniger<br />
manipulierbar, da Zeit begrenzt ist.<br />
Kasten 3: Tarifarten<br />
Zeittarif<br />
Arbeit im<br />
„Stundenlohn“<br />
Pauschaltarif<br />
Entschädigung<br />
durch Diagnose<br />
definiert<br />
Einzelleistungstarif<br />
Jede einzelne<br />
Leistung wird<br />
separat vergütet<br />
Beispiele Vor- und Nachteile<br />
Psychiatrische Behandlungen Einfache Handhabung. Weniger auf<br />
Mengenausweitung empfindlich. Durch<br />
Patienten einfach kontrollierbar.<br />
Kosten technische Infrastruktur nicht<br />
adäquat berücksichtigt.<br />
Tagesvollpauschalen bei Geringer Verwaltungsaufwand. Wird<br />
stationärer Behandlung von dem Einzelfall selten gerecht.<br />
Paraplegikern<br />
Versuchung des Leistungserbringers zu<br />
Diagnosebezogene Pauschalen „sparen“ und bei Komplikationen<br />
wie z. B. bei Appendektomie Patienten abzuschieben.<br />
Tarmed (s.u.) Hohe Transparenz für Patienten und<br />
Versicherer.<br />
Grosser Verwaltungsaufwand. Tarif<br />
muss ständig angepasst werden.<br />
Versuchung des Leistungserbringers,<br />
Leistungen zu akkumulieren.<br />
17
Am 1. Januar 2004 ist ein neues Tarifsystem Tarmed in Kraft gesetzt worden.<br />
Dies mit dem Ziel, die Tarife von ambulanten Behandlungen in Spitälern,<br />
Arztpraxen oder bei Patienten zu Hause gesamtschweizerisch zu<br />
vereinheitlichen. Jeder ärztlichen Leistung ist ein bestimmter Taxpunktwert<br />
zugeordnet. Je nach Kostenniveau der bisherigen Leistungen sind die<br />
Taxpunkte kantonal unterschiedlich bewertet. Die Taxpunktwerte können<br />
gemäss der Kostenentwicklung kantonal angepasst werden. Die damit erzielte<br />
Kostenneutralität während der Einführungsphase entspricht einer befristeten<br />
Rationierung oder Globalbudgetierung. Die einzelnen Leistungen sind in eine<br />
ärztliche und in eine technische Komponente unterteilt. Neu sind ärztliche<br />
Leistungen wie das Gespräch mit dem Patienten höher bewertet, als dies bei<br />
technischen Verrichtungen der Fall ist. Die nichttechnischen Leistungen<br />
gehorchen weitgehend dem Zeittarif, wogegen technische Leistungen wie EKG<br />
und Labor pauschal abgegolten werden. Mit Tarmed wird keine unmittelbare<br />
Senkung der Gesundheitskosten angestrebt. Vielmehr soll dessen Transparenz<br />
und hochdifferenzierte Struktur mit etwa 5000 Positionen die Planung solcher<br />
Massnahmen erlauben. Es ist ÄrztInnen nicht gestattet, neben den durch die<br />
Versicherung abgedeckten Leistungen zusätzlich Rechnung zu stellen<br />
(Tarifschutz).<br />
7.4 Die Leistungserbringer<br />
Als Leistungserbringer, welche zulasten der obligatorischen KV anerkannt sind,<br />
gelten: ÄrztInnen, ApothekerInnen, ChiropraktorInnen, Hebammen,<br />
Laboratorien, Abgabestellen für Mittel und Gegenstände (z. B. Rollstühle,<br />
Krücken), Spitäler, teilstationäre Einrichtungen, Pflegeheime und Heilbäder.<br />
Für (para)medizinisch-therapeutische Berufe (z. B. Physiotherapie,<br />
Psychotherapie) gilt, dass sie zulasten der KV nur auf ärztliche Anordnung hin<br />
Leistungen erbringen dürfen. Über Wirtschaftlichkeit und Qualität der<br />
ÄrztInnen und Spitäler gab es bisher keine öffentlich zugänglichen Angaben.<br />
Tarmed soll im ambulanten Bereich dazu mehr Transparenz schaffen.<br />
18
7.4.1 Ambulante Leistungserbringer<br />
2004 arbeiteten etwa 15200 Ärzte und Ärztinnen frei praktizierend in der<br />
Schweiz. Davon waren rund 60% in Einzelpraxen, 25% in Gruppenpraxen und<br />
15% in einem Spital tätig. Die Zahl der Praxen nahm seit 10 Jahren bis 2002<br />
um ca. 300 jährlich zu. Als Reaktion auf das Inkrafttreten der bilateralen<br />
Verträge mit der EU 2002 wurde vom Bundesrat ein Zulassungsstopp für 3<br />
Jahre veranlasst, der Mitte 2005 um weitere 3 Jahre verlängert wurde. Dies<br />
bedeutet, dass keine neuen Praxen mehr eröffnet werden dürfen –<br />
Praxisübernahmen allerdings sind erlaubt. 50% der berufstätigen ÄrztInnen<br />
arbeiten im Angestelltenverhältnis (1939: 71%). Die Einwohnerzahl pro Arzt<br />
mit Praxistätigkeit in der Schweiz hat seit 1970 stark abgenommen (1950:<br />
1150; 1970: 1130; 2000: 517; 2004: 488). Grosstadtzentren weisen eine drei<br />
Mal höhere Ärztedichte als die Peripherie auf (200 bzw. 560 Einwohner/Arzt).<br />
Spitex-Pflegeleistungen sind seit 1995 Bestandteil des kassenpflichtigen<br />
Leistungskatalogs des KVG. Pflege und Hauswirtschaft sind die wichtigsten<br />
Dienstleistungen dieser Organisation. Pflegeleistungen werden von der<br />
obligatorischen KV übernommen. Dies ist für die Hauswirtschaft nicht der Fall<br />
(Kasten 4):<br />
Kasten 4: Wichtige Leistungen der Spitex<br />
Pflege Hauswirtschaft<br />
Grundpflege<br />
• Hilfe beim An- und Auskleiden<br />
• Hilfe beim Essen und Trinken<br />
• Hilfe bei der Mund- und Körperpflege<br />
• Betten, lagern<br />
• Bewegungsübungen, Mobilisation<br />
• Dekubitusprophylaxe, Hautpflege<br />
• Beine einbinden, Kompressionsstrümpfe an- und<br />
ausziehen<br />
• Hilfe beim Baden oder Duschen<br />
Behandlungspflege<br />
• Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck usw.)<br />
• Bestimmung des Zuckers in Blut und Urin<br />
Einkauf und Ernährung<br />
• Einkaufen<br />
• Menüplanung<br />
• Diät kochen<br />
• Mahlzeiten zubereiten<br />
Haushaltspflege<br />
• Aufräumen und Abwaschen<br />
• Reinigungsarbeiten und<br />
19
• Verabreichung von Medikamenten<br />
• Wundversorgung<br />
• Alle Arten von Injektionen<br />
Abklärung<br />
• Abklärung des Hilfe- und Betreuungsbedarfes mit<br />
Ärzten, Angehörigen usw.<br />
• Abklärungen mit anderen Institutionen<br />
(z.B. Pro Senectute)<br />
Anleitung<br />
• Anleitung bei der Handhabung von Geräten und<br />
anderen Hilfsmitteln<br />
• Anleitung von Verrichtungen z.B. Insulin<br />
selbst spritzen, Blasenkatheter<br />
Beratung<br />
• Beratung und Unterstützung in der letzten<br />
Lebensphase und beim Sterben zu Hause<br />
• Gesundheitsberatung<br />
• Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema<br />
Betreuung von Angehörigen<br />
Abfallentsorgung<br />
• Haushalt organisieren<br />
• Begleitung ausser Haus<br />
• Pflanzen- und Tierpflege<br />
Wäschepflege<br />
• Maschinen- und Handwäsche<br />
• Kleider auffrischen<br />
• Flickarbeiten, Bügeln<br />
• Schuhpflege<br />
Spitex wurde mit dem Ziel geschaffen, Spitalbehandlungen zu verkürzen und<br />
pflegebedürftigen Menschen zu erlauben, möglichst lange bei sich zuhause zu<br />
leben. Nachdem die Hauswirtschaft ursprünglich ein grösseres Gewicht hatte,<br />
nimmt die Pflege inzwischen einen immer wichtigeren Raum ein. Dies rührt<br />
daher, dass Spitäler aufgrund veränderter Kostenanreize Patienten vermehrt in<br />
pflegebedürftigem Zustand entlassen und immer mehr Behandlungen<br />
ambulant erfolgen. Der Hauswirtschaftsteil wird durch die KV nicht abgegolten.<br />
Viel mehr erfolgt die Finanzierung privat, über Privatversicherungen,<br />
Gemeinden oder Kantone.<br />
7.4.2 Stationäre Leistungserbringer<br />
Die Spitäler der Schweiz können in 3 Kategorien eingeteilt werden: Öffentlich-<br />
rechtliche Krankenhäuser sowie privatrechtliche Institutionen mit oder ohne<br />
kantonale Subventionen. Alle von den Kantonen zumindest teilweise<br />
subventionierten Spitäler sind verpflichtet, die entsprechenden<br />
20
Kantonsbewohner aufzunehmen, eine Notfallstation zu führen und Mittel für<br />
Lehre und Forschung einzusetzen.<br />
2004 wies die Schweiz 345 Spitäler mit ca. 42.000 Betten auf (2001 waren es<br />
noch 366 bzw. 43.000), was einer Rate von 5.7 Spitalbetten/1000 Einwohner<br />
(2001: 6.0) entspricht. Im gleichen Jahr wurden in den Schweizer Spitälern<br />
1,4 Mio. Fälle behandelt. Häufigste Einweisungsgründe waren Erkrankungen<br />
des Muskel-Skelett-Systems, Verletzungen sowie Herz-Kreislaufprobleme. Im<br />
Gegensatz zu den Heimen wiesen die Spitäler 2004 einen Personalrückgang<br />
auf. Bei 1/3 der Aufenthalte erfolgte der Spitaleintritt als Notfall.<br />
Die Kosten eines Akutspitals verteilen sich grob auf 2/3 Personalkosten und<br />
1/3 übrigen Betriebsaufwand. Die Stellen verteilten sich Ende 2000 auf 14%<br />
Ärzte und andere Akademiker, auf 59% medizinisches Personal und auf 27%<br />
auf Personal der Verwaltung und des Unterhalts. Die Baukosten des öffentlich-<br />
rechtlichen Spitals werden über Steuergelder finanziert. Die Betriebsausgaben<br />
der Allgemeinabteilungen werden im Rahmen der dualen Finanzierung durch<br />
die Krankenkassen und die Kantone getragen. Je nach Kanton handeln dabei<br />
Krankenversicherer, kantonale Sanitätsdirektionen und Spitäler<br />
Kostenvergütungen der öffentlichen Hand aus, deren Höhe sich auch auf das<br />
Prämienniveau der KV niederschlägt. Die Kantone bezahlen gegenwärtig etwa<br />
55% der Betriebskosten. Ein Viertel der Spital-Gesamtkosten entfällt auf<br />
Ausgaben der Halbprivat- bzw. Privatabteilungen, diese werden von<br />
Zusatzversicherungen und/oder den Kranken direkt finanziert und voll<br />
gedeckt.<br />
In den allgemeinen Krankenhäusern sind die durchschnittlichen Kosten pro<br />
Pflegetag umso höher, je grösser ein Spital ist. So kostete im Jahr 2003 ein<br />
Pflegetag in den Universitätsspitälern durchschnittlich 2’000 Franken (alles<br />
eingerechnet: Investitionen, Subventionen und Entschädigungen durch<br />
Versicherungen und Private). <strong>Das</strong> ist dreimal so viel wie in den kleinen<br />
allgemeinen Krankenhäusern für somatische Akutversorgung, wo ein Pflegetag<br />
21
durchschnittlich mit rund 750 Franken zu Buche schlägt. Es ist anzunehmen,<br />
dass die Differenz zwischen grossen und kleinen Spitälern teilweise auf die<br />
grössere Komplexität der Behandlungen in den Zentrumsspitälern<br />
zurückzuführen ist. Ebenfalls in diesen Gesamtkosten enthalten sind die<br />
Aufwendungen für Forschung und Lehre, die in den grossen Spitälern anfallen<br />
und in den Entschädigungen der Versicherer nicht enthalten sind.<br />
Je grösser ein Allgemeinspital, umso länger war 2003 die durchschnittliche<br />
Aufenthaltsdauer der Patienten. In den Universitätsspitälern betrug sie 9,7<br />
Tage. Infolge der politischen Massnahmen zur Rationalisierung des Schweizer<br />
Spitalnetzes war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zwischen 1999 und<br />
2004 rückläufig. Dies mit Ausnahme der Universitätsspitäler, welche v.a.<br />
aufgrund der Komplexität der Erkrankungen eine leichte Zunahme der<br />
Aufenthaltsdauer verzeichnen mussten. Die durchschnittliche Aufenthaltdauer<br />
verringerte sich gegenüber dem Vorjahr bei 1 Mio Fällen (davon 275.000<br />
Eintagesbehandlungen) durchschnittlich um einen halben Tag auf 12 Tage.<br />
Tatsächlich konnte eine vom Bundesamt für Statistik in Auftrag gegebene<br />
Studie der ETH und Universität Lugano belegen, dass im Zeitraum 1998-2001<br />
eine deutliche – allerdings nicht optimale - Effizienzsteigerung aller Spitäler,<br />
insbesondere der Universitätsspitäler, stattgefunden hat. 4<br />
7.5 Medikamente<br />
Seit 2001 ist das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic für die<br />
Zulassung von Medikamenten, Blutprodukten und Impfstoffen in der Schweiz<br />
verantwortlich (siehe 7.2.1.1.3). Nach dem geschätzten Nutzen-Risiko<br />
Verhältnis werden die Medikamente in die Listen A bis E aufgeteilt, welche<br />
auch über die Abgabeberechtigung bestimmen (Tabelle 5).<br />
Tabelle 5: Abgabekategorien zugelassener Medikamente in der Schweiz<br />
Kategorie A Einmalige Abgabe auf ärztliches oder tierärztliches Rezept<br />
Beispiel: Opiate wie Fentanyl®<br />
Kategorie B Abgabe auf ärztliches oder tierärztliches Rezept (evt. auch Mehrfachabgabe)<br />
Beispiel: Antidepressiva<br />
22
Kategorie C Abgabe in Apotheke ohne Rezept<br />
Beispiel: Paracetamol oder Aspirin<br />
Kategorie D Abgabe in Apotheke oder Drogerie ohne Rezept (Publikumswerbung zulässig)<br />
Kategorie E Abgabe auch ausserhalb Apotheke oder Drogerie (Publikumswerbung<br />
zulässig)<br />
1985 waren 10778 Human- und Tierpräparate registriert, 2004 betrug deren<br />
Zahl 7378.<br />
Die Registrierung ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Spezialitätenliste<br />
(SL). Die KV sind verpflichtet, Arzneimittel, welche in der SL des BAG<br />
aufgeführt sind (Positivliste), zu vergüten. Allerdings unter der Voraussetzung,<br />
dass sie ärztlich verordnet sind. Ein nicht rezeptpflichtiges Medikament,<br />
welches ohne ärztliche Verordnung gekauft wird, muss von der<br />
Grundversicherung nicht übernommen werden.<br />
Für die Aufnahme massgebend sind Wirksamkeit im Vergleich zu<br />
Medikamenten gleicher Indikation und Wirkungsweise sowie Zweckmässigkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit (Definitionen siehe Kasten 2). Hier werden die<br />
anfallenden Kosten pro Tag bzw. pro Kur berücksichtigt. Ein<br />
Innovationszuschlag trägt während maximal 15 Jahren den Forschungs- und<br />
Entwicklungskosten eines neuen Medikaments Rechnung.<br />
In bestimmten Kantonen sind Arztpraxen berechtigt, im Rahmen der<br />
Selbstdispensation Medikamente abzugeben (AI, AR, BL, GL, LU, NW, OW, SH,<br />
SO, SG, TG, UR, ZG). In einigen Kantonen dürfen nur Rezepte ausgestellt<br />
werden (AG, BS, FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS). Andere Kantone (BE, GR, SH,<br />
ZH) kennen Mischsysteme.<br />
Im Jahr 2004 wurden zulasten der KV für Medikamente 4.15 Milliarden Fr.<br />
ausgegeben (diese Zahl bezieht sich nur auf den ambulanten Bereich. Da<br />
Medikamente im stationären Bereich Teil der Pauschale sind, können diese<br />
anhand der Rechnungen, welche die KK erhalten, nicht ausgeschieden<br />
werden). Der Anteil der Ausgaben für Medikamente in Beziehung zu den<br />
23
Kosten des <strong>Gesundheitswesen</strong>s beträgt etwa 10% (siehe auch Abbildung 5,<br />
internationale Vergleiche).<br />
Ein leistungsorientiertes Abrechnungssystem (LOA) hat seit 2001 zum Ziel, die<br />
Medikamentenkosten weiter zu stabilisieren, indem die fixen Margen für Ärzte<br />
und Apotheker aufgehoben wurden. Apotheken werden – unabhängig vom<br />
Medikamentenpreis – für die Beratung honoriert. Dazu kommt eine<br />
preisabhängige Abgeltung für den Geschäftsaufwand der Apotheken. Dieses<br />
neue System, welches den Anreiz zur Abgabe teurer Medikamente vermindert,<br />
hat die Margen verkleinert. Medikamente unter Fr. 43.- sind teurer, solche<br />
über Fr. 43.- billiger geworden. Bis 2003 konnten infolge der Einführung von<br />
LOA über 300 Mio. Fr. gespart werden. Im Jahr 2005 wurde das LOA revidiert<br />
und vereinfacht.<br />
ApothekerInnen (wenn vom Arzt nicht ausdrücklich anders verlangt) dürfen,<br />
gestützt auf das Substitutionsrecht, Originalpräparate durch Generika<br />
ersetzen, wenn der Arzt dies auf dem Rezept nicht ausdrücklich untersagt. Der<br />
Generikamarkt ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen.<br />
(1990: 27 Mio. Fr., 2004: 184 Mio. Fr.). Der Patentschutz für<br />
Originalpräparate beträgt ab Anmeldung 20 bis maximal 25 Jahre, darf ab<br />
Markteinführung allerdings höchstens 15 Jahre dauern. Erst nach Ablauf des<br />
Patentschutzes können Generika angeboten werden.<br />
7.5.1 Dem Betäubungsmittelgesetz unterstehende Substanzen<br />
Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes sind abhängigkeitserzeugende Stoffe<br />
und Präparate der Wirkungstypen Morphin, Kokain und Cannabis. Kokain und<br />
Cannabis allerdings sind nicht rezeptierbar, da sie nicht bei Swissmedic<br />
registriert sind. Dies gilt auch für die sogenannten psychotropen Substanzen<br />
wie Halluzinogene und Amphetamine mit Ausnahme des Methylphenidat<br />
(Ritalin®).<br />
24
7.6 Selbsthilfegruppen, Gesundheitsligen und das Rote Kreuz<br />
Über 2000 Selbsthilfegruppen sind in der Schweiz zu 131 verschiedenen<br />
Themen tätig. Durch Informationsaustausch und gegenseitige Unterstützung<br />
erleichtern es diese autonomen Gruppen direkt oder indirekt Betroffenen, mit<br />
einer Erkrankung besser umzugehen. Es konnte gezeigt werden, dass solche<br />
Gruppen die Lebensqualität, Autonomie und Adherence von Kranken<br />
verbessern und den Medikamentenverbrauch reduzieren können.<br />
Gesundheitsligen sind gemeinnützige, meist professionell geführte<br />
Organisationen, die sich in der Primär- und Sekundärprävention (siehe Kapitel<br />
4.4.1) sowie Rehabilitation chronischer Krankheiten engagieren. Als Beispiele<br />
seien die Lungenliga Schweiz oder die AIDS-Hilfe Schweiz genannt. Im Bereich<br />
der Primärprävention tätige Ligen werden häufig durch den Bund teilfinanziert.<br />
In der Sekundärprävention aktive Ligen können finanzielle Zuschüsse durch<br />
die IV erhalten.<br />
<strong>Das</strong> Schweizerische Rote Kreuz (SRK) ist die vom Bund anerkannte nationale<br />
Rotkreuzgesellschaft mit ungefähr 350’000 Aktiv- und Passivmitgliedern.<br />
Beiträge der Mitglieder, von Gönnern sowie von Bund, Kantonen und<br />
Gemeinden sichern die Finanzierung. Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz ist<br />
die Verantwortung der nicht-universitären Gesundheitsberufe 2004 von den<br />
Kantonen an den Bund übergegangen. <strong>Das</strong> SRK hat die Aufgabe, die<br />
Bildungsgänge anzuerkennen und die Diplome zu registrieren. Auch obliegen<br />
dem SRK die Anerkennung ausländischer Berufstitel, das Führen einer Statistik<br />
und die Information über die Berufe im <strong>Gesundheitswesen</strong>. Der<br />
Blutspendedienst ist eine wichtige Teilaufgabe des SRK, der mit über 60<br />
Blutspendezentren die Spitäler versorgt. Die <strong>schweizerische</strong> Rettungsflugwacht<br />
(REGA) ist eine selbständige, gemeinnützige Stiftung.<br />
7.7 Inanspruchnahme des <strong>Gesundheitswesen</strong>s (Daten der<br />
Schweizerischen Gesundheitsbefragung)<br />
Aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002 ging hervor, dass<br />
ungefähr 3/4 der Befragten im letzten Jahr ambulante ärztliche Hilfe in<br />
Anspruch genommen hatten (Männer etwas weniger als Frauen). Dabei<br />
25
variierte der Anteil der Personen vom tiefsten bis zum höchsten<br />
Einkommensdrittel kaum. Allerdings suchten Personen mit niedrigerem<br />
Einkommen den Arzt häufiger wegen Beschwerden, Krankheit oder Unfall auf,<br />
wogegen solche mit höherem Einkommen dies vermehrt wegen<br />
Vorsorgeuntersuchungen taten. Diese Ergebnisse stimmen mit der Tatsache<br />
überein, dass Personen aus tieferen sozialen Schichten einen schlechteren<br />
Gesundheitszustand aufweisen.<br />
Ungefähr 2.6% der Befragten (Männer 1.1%, Frauen 4%) hatten innerhalb des<br />
letzten Jahres Spitex-Leistungen in Anspruch genommen hatten – bei den über<br />
70-jährigen waren es sogar insgesamt 10%.<br />
12% der Befragten waren innerhalb des letzten Jahres mindestens einmal<br />
hospitalisiert. Knapp die Hälfte der Hospitalisierten gelangte direkt über eine<br />
Notfallstation ins Spital, wogegen es sich sonst um Einweisungen durch<br />
niedergelassene Ärzte handelte.<br />
7.8 Entwicklung der Gesundheitsausgaben in der Schweiz: Eine<br />
„Kostenexplosion“?<br />
Seit 1950 hat sich aufgrund der Wirtschaftsentwicklung das<br />
Bruttoinlandprodukt (BIP), ein monetäres Mass der durch ein Land<br />
erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen, vervierfacht. Im gleichen<br />
Zeitraum verdreifachte sich der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP. Allein<br />
von 2001 bis 2003 nahm dieser Anteil von 10,9% auf 11,5% zu.<br />
Seit 1950 haben die realen Ausgaben rund um den Faktor 12 zugenommen.<br />
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in diesem Zeitraum die<br />
Einwohnerzahl um etwa die Hälfte anwuchs, ergibt das pro Kopf eine Erhöhung<br />
um das 8-fache. Weltweit gehört die Schweiz zu den Ländern mit den<br />
höchsten Gesundheitsausgaben (siehe 7.10).<br />
2003 sind die Kosten des <strong>Gesundheitswesen</strong>s in der Schweiz um 4% auf 50<br />
Milliarden Fr. gestiegen. Dies ist weniger als in den Vorjahren, wo die jährliche<br />
26
Kostensteigerung seit 1990 doch durchschnittlich fast 5% betrug. Insgesamt<br />
haben die Gesundheitskosten zwischen 1996 und 2003 um 32% zugenommen.<br />
Der Ausdruck „Kostenexplosion“ ist nicht gerechtfertigt, da ein lineares<br />
Kostenwachstum vorliegt.<br />
Mit 48% nahm die stationäre Behandlung weiterhin den Höchstanteil der<br />
Gesundheitskosten ein. Im Vergleich zu den Vorjahren allerdings reduzierte<br />
sich die jährliche Kostensteigerung auf 3,5% (2001: 7,4%, 2002: 5,8%).<br />
Der Kostenanteil der Akutspitäler hat sich in den letzten 8 Jahren von 30 auf<br />
28% verringert. Dies trotz der Tatsache, dass in sämtlichen Kategorien von<br />
Akutspitälern die Durchschnittskosten pro Pflegetag zwischen 1999 und 2003<br />
um rund 20-30% angestiegen sind. Am besten schnitten die<br />
Universitätsspitäler ab, die im gleichen Zeitraum mit 15% eine geringere<br />
Kostensteigerung pro Pflegetag verzeichneten als die anderen Betriebe. Die<br />
Kosten für ambulante Behandlungen im Spital stiegen im gleichen Zeitraum<br />
von 4 auf 6%.<br />
Auf die ambulante Behandlung entfielen 2003 29,4% der Gesundheitskosten<br />
(2002: 29,8%).<br />
Der Anteil der Leistungen für Medikamente, ist seit 1960 beinahe um die<br />
Hälfte zurückgegangen, nämlich auf 10.5%.<br />
Die steigenden Kosten für Leistungen, die Einführung des KVG und die<br />
Kostenverlagerungen von der öffentlichen Hand auf die Krankenversicherer<br />
haben zu einem starken Prämienschub in der Grundversicherung geführt<br />
(zwischen 1996 bis 2003: Zunahme der Prämie pro Versicherten um 47%, dies<br />
bei einer Zunahme des Landesindexes der Konsumentenpreise um nur ca.<br />
5%). Die Krankenkassenprämien sind dabei in einem stärkeren Ausmass als<br />
die Kosten des GW angestiegen. Trotzdem ist es im Verlauf der Jahre zu einer<br />
erheblichen Verringerung der Kapitalreserven der KV gekommen.<br />
Gemäss der Einkommens- und Verbrauchserhebung des Bundesamts für<br />
Statistik (BFS) 2003 wurde für die Gesundheit etwa 11.5% (direkte<br />
27
Zahlungen, Zahnarzt, KV-Prämien) des Monatsbudgets eines Haushalts<br />
ausgegeben. Zum Vergleich: Für das Auto (Anschaffung, Unterhalt, Garage,<br />
Versicherung ohne Steuern) betrug der Anteil durchschnittlich ungefähr 7.5%.<br />
7.9 Modelle zur Eindämmung der Kosten im <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
Aufgrund weiterer Fortschritte im Bereich der Diagnostik und der Therapie<br />
sowie der zunehmenden Lebenserwartung mit Verschiebung des<br />
Krankheitsspektrums von vorwiegend akuten zu mehr chronisch degenerativen<br />
Erkrankungen ist mit einem weiteren Kostenwachstum im GW zu rechnen. In<br />
den letzten 100 Jahren hat sich der Anteil der über 65-jährigen verdoppelt.<br />
Dies ist bedeutungsvoll, da die stationären Gesundheitskosten mit<br />
zunehmendem Lebensalter exponentiell zunehmen. Vor dem Hintergrund des<br />
bestehenden Kostenwachstums von über 4% jährlich und des verminderten<br />
Wirtschaftswachstums der letzten Jahre werden nachdrücklich Massnahmen<br />
zur Eindämmung der Gesundheitskosten gefordert. Die Gesundheit ist<br />
allerdings ein nicht quantifizierbares Gut. Somit gilt es, ökonomische Prinzipien<br />
und Grundsätze von Kultur und Ethik (z. B.: wie viel ist einer Gesellschaft die<br />
Gesundheit ihrer Individuen wert?) gegeneinander abzuwägen (Tabelle 6).<br />
Tabelle 6: Modelle zur Eindämmung der Kosten im <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
Massnahme Vor- bzw. Nachteile<br />
Aufhebung des Kontrahierungswangs Gefahr der verstärkten Risikoselektion. Ärzte mit<br />
kränkeren Patienten würden existentiell bedroht.<br />
Dieser Massnahme müsste ein verbesserter<br />
Risikoausgleich zwischen den Krankenversichern<br />
vorausgehen.<br />
Erhöhung des Selbstbehalts Gefahr der Verzögerung notwendiger Behandlungen<br />
Förderung von „Managed Care“ Problem der Risikoselektion. Belastung der Ärzte als<br />
„Diener zweier Herren“.<br />
Verbesserung der „dualen“<br />
Spitalfinanzierung<br />
Förderung von Generika Kaum umstritten.<br />
KV befürchten Prämienanstieg, Kantone Mehrkosten.<br />
7.9.1 Kostenreduktion auf Ebene der Grundversorgung<br />
Bei einer Aufhebung des Kontrahierungszwangs (Definition siehe 7.3.2)<br />
28
könnten nicht mehr alle Leistungserbringer der Grundversorgung zulasten der<br />
Grundversicherung abrechnen. Vielmehr würden die Krankenkassen nur noch<br />
mit ÄrztInnen ihrer Wahl Verträge abschliessen. Aufgrund der Vertragsfreiheit<br />
hätten die Kassen die Möglichkeit, vermehrt kostengünstigere<br />
Abgeltungsmodelle (z.B. „Capitations“, siehe Managed Care, 7.9.1)<br />
einzusetzen. Davon verspricht man sich eine Stabilisierung oder sogar<br />
Reduktion der Ärztezahl sowie eine Reduktion der Kosten zulasten der KV.<br />
Allerdings birgt dieses Szenario die Gefahr einer verstärkten Risikoselektion,<br />
indem Ärzte kein Interesse mehr daran haben, “aufwändige“ Patienten zu<br />
behandeln. Die ersteren riskieren sonst, den Krankenkassenvertrag zu<br />
verlieren. Deswegen wird gefordert, dass der Aufhebung des<br />
Kontrahierungszwangs ein verbesserter Risikoausgleich unter den Kassen und<br />
wirksame Qualitätssicherungsprogramme vorausgehen müssen.<br />
Es wird diskutiert, den bisherigen Selbstbehalt von 10 auf 20% zu erhöhen.<br />
Die maximale jährliche Belastung zusätzlich zu den Prämien und der<br />
Wahlfranchise wäre weiterhin auf Fr. 700.- begrenzt. Davon erhofft man sich<br />
eine Verminderung der Arztbesuche in Bagatellsituationen. Allerdings machen<br />
Bagatellfälle nur einen kleinen Teil der Gesundheitskosten aus. Auch besteht<br />
die Gefahr der kostspieligen Verzögerung von notwendigen Behandlungen –<br />
insbesondere bei Patienten niedrigerer Einkommensschichten. Zur Diskussion<br />
steht auch ein „differenzierter Selbstbehalt“. Dieser würde bei konventionell<br />
Versicherten 20%, bei Managed Care-Versicherten nur 10% betragen. Dies<br />
würde dazu führen, dass Versicherte mit hohen Gesundheitskosten vermehrt<br />
in solche Modelle eintreten würden.<br />
Managed Care (MC) zeichnet sich dadurch aus, dass die Leistungserbringer die<br />
Betreuung über die ganze Behandlungskette koordinieren und steuern und am<br />
Versicherungsrisiko beteiligt sind (Budgetmitverantwortung). Dies geschieht<br />
über das Prinzip der Capitations, bei der die Entschädigung über Jahres- bzw.<br />
Monatspauschalen pro Versicherte erfolgt und die Ärzte dadurch für eine<br />
„optimale“ und nicht für eine „maximale“ Medizin belohnt werden. Versicherte<br />
29
sind ihrerseits verpflichtet, sich ausser in Notfällen an ihren einem solchen<br />
Modell (Health Maintenance Organisation, HMO) zugehörigen Hausarzt<br />
(Gatekeeper) zu wenden. Die Möglichkeit des Gatekeepers, Patienten an<br />
Leistungserbringer seiner Wahl zuzuweisen, trägt zur Vermeidung von<br />
Doppelspurigkeiten und unnötigen Behandlungen bei. Es bestehen klar<br />
definierte Massnahmen zur Qualitätssicherung (Qualitätszirkel, interne<br />
Behandlungsrichtlinien, Medikamentenbewirtschaftung, Qualitäts-<br />
Zertifizierung). Kontrollinstrumente sollen die Versicherten vor medizinischer<br />
Unterversorgung schützen. Die Versicherten profitieren von geringeren KV-<br />
Prämien.<br />
Eine mildere Form von MC bilden Hausarztmodelle (HAM), welche keine<br />
Budgetverantwortung tragen und über den geltenden Arzttarif entschädigt<br />
werden. Hier steht für die Leistungserbringer das Gatekeeping im<br />
Vordergrund. Die Kosteneinsparungen von MC-Modellen bewegen sich<br />
zwischen 5% (HAM) bis 30% (HMO) und korrelieren mit dem<br />
Organisationsgrad der Leistungserbringer.<br />
In den letzten ein bis zwei Jahren ist der Anteil von Versicherten, welche MC-<br />
Modelle wählten, markant gewachsen. Dies ist wohl nur teilweise auf den jedes<br />
Jahr steigenden Prämiendruck zurückzuführen. So konnte aufgrund einer<br />
Statistik der santésuisse im Jahr 2004 kein direkter Zusammenhang zwischen<br />
der Höhe der Prämien und dem Anteil der Versicherten, die ein alternatives<br />
Versicherungsmodell wählten, feststellt werden. Ein weiterer möglicher Grund<br />
für diesen Zuwachs besteht deshalb wohl auch darin, dass eine aktivere<br />
„Verkaufspolitik“ von Versicherern MC-Produkte in vielen Regionen zur<br />
günstigsten Möglichkeit der Grundversicherung machten. Dabei spielte eine<br />
Rolle, dass Versicherer mit schlechter Risikostruktur für gesunde und damit<br />
prämienbewusste Versicherte ein attraktives Angebot lancieren wollten. Total<br />
sind heute in der Schweiz ca. 10% der Versicherten in einem mehr oder<br />
weniger gesteuerten Versicherungsmodell eingeschrieben, wobei dies<br />
vorwiegend gesündere Personen sind. Unter dem Blickwinkel der<br />
30
Kostendämmung sollte der Zweck von MC allerdings nicht die Selektion guter<br />
Risiken, sondern vielmehr die Steigerung der Versorgungseffizienz sein. Vor<br />
allem Versicherte mit hohen Krankheitskosten sollten in solche Modelle<br />
eingebunden werden. Aufgrund des ungenügenden Risikoausgleichs haben<br />
Kassen jedoch nur ein geringes Interesse, Chronischkranken attraktive MC-<br />
Modelle anzubieten. Nur politische Entscheide auf Gesetzesebene sind<br />
imstande, solchen Modellen das für eine wirksame Kostendämmung<br />
notwendige Gewicht zu geben.<br />
7.9.2 Kostenreduktion auf Ebene der Spitäler<br />
Die Kantone haben in den letzten Jahren einschneidende Sparmassnahmen<br />
ergriffen. So wurden beispielsweise in den Kantonen Zürich und Bern mehrere<br />
öffentliche Akutspitäler geschlossen bzw. zusammengelegt. So verpflichtet<br />
doch das revidierte KVG die Kantone, ihre Spitalkapazitäten den<br />
Notwendigkeiten anzupassen.<br />
Bei den unabhängigen Privatspitälern, die weder über eine Betriebsgarantie<br />
noch eine garantierte Defizitdeckung durch die öffentliche Hand verfügen,<br />
findet im Gegensatz zu den öffentlichen Spitälern ein Kapazitätsausbau statt.<br />
So betrieb eine, britischen Investoren gehörende, Firmengruppe 2004 in der<br />
Schweiz 12 Kliniken. Mit freier Arztwahl und hohem Hotelleriekomfort werden<br />
diese nach streng betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt. Diese Spitäler<br />
liegen vorwiegend in finanziell attraktiven Regionen (Städte Zürich, Basel,<br />
Bern, Lausanne) und beschränken sich auf lukrative Fachgebiete (z. B.<br />
Orthopädie, Ophtalmologie, Geburtshilfe). Auch sind sie nur beschränkt in die<br />
Lehre und in die Notfallversorgung eingebunden. Durch eine Spezialisierung<br />
auf Patienten mit überblickbarem Krankheitsverlauf wie elektive Chirurgie,<br />
Gynäkologie, Geburtshilfe und interventionelle Kardiologie, findet eine<br />
zusätzliche Risikoselektion zu ungunsten der öffentlichen Spitäler statt. Im<br />
Gegensatz zu öffentlichen Spitälern erlaubt dies Privatspitälern, ihren Anteil an<br />
monomorbiden in geordneten Verhältnissen lebenden Patienten zu erhöhen<br />
und die Ertragssituation zu verbessern. Silverman 5 et al untersuchten den<br />
31
Einfluss von “For-Profit“-Spitälern auf die Gesundheitskosten in den USA. Sie<br />
kamen zum Schluss, dass solche Spitäler nicht nur kostentreibend sind,<br />
sondern auch eine qualitativ schlechtere Medizin anbieten. <strong>Das</strong>s diese<br />
Einschätzungen zumindest bezüglich der Kosten auch für die Schweiz zutreffen<br />
könnten, ist nicht auszuschliessen. 6 Eine vom Bundesamt für Statistik in<br />
Auftrag gegebene Studie der ETH und Universität Lugano konnte 2002<br />
allerdings keine Effizienzunterschiede zwischen privaten bzw. öffentlichen<br />
Spitälern belegen. 4<br />
Die duale Spitalfinanzierung ist uneinheitlich und setzt problematische<br />
Kostenanreize. Statt durch leistungsorientierte Pauschalen werden die meisten<br />
Spitäler noch immer mitttels Kosten- und Defizitdeckung finanziert, was zu<br />
fehlender Transparenz und Effizienz führt. Privatspitäler sind gegenüber<br />
öffentlichen Spitälern benachteiligt, weil sie für gleiche Leistungen den<br />
Krankenversicherern höhere Tarife verlangen müssen. Wenn ein Eingriff<br />
ambulant oder tagesstationär durchgeführt wird, trägt der Versicherer die<br />
Kosten vollumfänglich, da der Kanton keine Subventionen leistet. Dies führt<br />
dazu, dass Kassen auf Kosten von Kurzhospitalisationen kostengünstige<br />
tagesstationäre Behandlungen wenig fördern. Die Kantone sind finanziell wenig<br />
daran interessiert, dass Patienten sich in öffentlichen Spitälern behandeln<br />
lassen. Die KV ihrerseits haben ein Interesse daran, dass sich die halb- und<br />
ganzprivat versicherten Kunden in öffentlichen Spitälern behandeln lassen, da<br />
der Kanton dann im Gegensatz zu privaten nicht subventionierten Spitälern<br />
seinen Kostenanteil übernimmt. 7<br />
Es wird diskutiert, im Rahmen einer „dualfixen“ Spitalfinanzierung vermehrt<br />
Leistungen und weniger Kosten abzugelten. Es werden nicht mehr die<br />
effektiven Behandlungskosten oder der durchschnittliche Spitaltag, sondern<br />
eine Pauschale, die sich aus Art der Erkrankung errechnet (diagnosebezogene<br />
Fallpauschale), vergütet. Die zu leistenden Beiträge an öffentliche und private<br />
Spitäler auf der vom Kanton definierten Spitalliste würden zwischen<br />
Versicherer und Kantonen nach einem fixen Schlüssel aufgeteilt. Die Kantone<br />
32
allerdings stehen diesem Modell skeptisch gegenüber, da sie mit Mehrkosten<br />
rechnen. Die Privatspitäler ihrerseits befürchten, von der Spitalliste gestrichen<br />
zu werden. Die Kassen schliesslich erwarten infolge der vermehrten Kosten<br />
einen Prämienanstieg, weswegen sie einen Verteilschlüssel anstreben, der die<br />
Kantone vermehrt belastet.<br />
7.9.3 Kostenreduktion bei den Medikamenten<br />
Der Absatz preisgünstige Originalpräparate bzw. Generika soll gefördert<br />
werden, indem die Ärzte gehalten werden, «bei gleicher Eignung» das<br />
«preisgünstigste» Medikament zu verordnen (siehe Substitutionsrecht 7.5).<br />
Zudem ist am 1. Januar 2006 eine neue Verordnung des BAG in Kraft gesetzt<br />
worden, welche zum Ziel hat, mittels eines differenzierten Selbstbehalts die<br />
Abgabe von Generika zu fördern. So wird der Selbstbehalt für<br />
Originalpräparate, von denen ein Generikum erhältlich ist, von 10 auf 20%<br />
erhöht. Dies unter der Voraussetzung, dass kein medizinischer Grund dagegen<br />
spricht und das Originalpräparat mehr als 20% teurer als das Generikum ist.<br />
Über das Patienten zur Verfügung stehenden Einsparpotential bei den Prämien<br />
der obligatorischen KK gibt Kasten 5 Aufschluss:<br />
Kasten 5: Einsparmöglichkeiten für Patienten bei den Krankenkassenprämien<br />
Einsparmöglichkeit Einsparpotential<br />
Erhöhung der Jahresfranchise Ca. 150.- bis 1500.-/Jahr<br />
Jahreszahlung der Prämie einmalig Bis 2%<br />
Verzicht auf Unfalldeckung wenn diese anderweitig<br />
gegeben ist<br />
Maximal 10% (ab 2007: 7%)<br />
Hausarzt- oder Managed Care-Modell 5-20%<br />
7.10 Blick über die Grenzen: Internationale Vergleiche<br />
Die Gesundheitssysteme der westlichen Industrienationen Staaten können<br />
aufgrund ihrer Finanzierung grob-schematisch wie folgt eingeteilt werden:<br />
I Staatliche Gesundheitssysteme (z. B.: DK, GB, S, I): <strong>Das</strong><br />
Gesundheitssystem wird vorwiegend über Steuermittel finanziert. Die<br />
33
ganze Bevölkerung hat zu den staatlich organisierten medizinischen<br />
Einrichtungen kostenlosen Zugang. Über Selbstbehalte, Zuzahlungen und<br />
Franchisen müssen Versicherte allerdings einen Teil der Kosten selbst<br />
übernehmen.<br />
II Sozialversicherungsmodelle (z. B.: D, Ö, B, NL, F, Lux):<br />
Einkommensabhängig finanzieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer das<br />
Gesundheitssystem über eine obligatorische Sozialversicherung. Die<br />
ambulanten Leistungserbringer arbeiten privat, die stationären teilweise<br />
selbständig bzw. unselbständig. Auch hier sind die Versicherten in<br />
unterschiedlichem Ausmass finanziell selbstbeteiligt.<br />
III Die Gesundheitskosten werden in den USA über freiwillige private<br />
Krankenversicherungsbeiträge finanziert. Dabei bestimmt die Höhe<br />
der Beiträge (und auch der Selbstbehalte) den Umfang der möglichen<br />
Leistungen. Die Leistungserbringer arbeiten meist privat. Für ärmere und<br />
ältere Menschen gibt es ausserdem die mit Steuergeldern finanzierten<br />
Medicaid- und Medicare-Programme, die zusammen einen wachsenden Teil<br />
der Ausgaben ausmachen.<br />
Die Schweiz kann nicht eindeutig einem dieser drei Modelle zugeordnet<br />
werden. In vielen Punkten sind wir zwar dem Sozialversicherungsmodell<br />
zuzuordnen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wird unsere<br />
Sozialversicherung jedoch nicht mit einkommensabhängigen Arbeitgeber- bzw.<br />
Arbeitnehmerbeiträgen finanziert, sondern durch Kopfprämien. Durch die<br />
Prämienverbilligung werden Personen mit bescheidenen Mitteln zwar entlastet,<br />
dafür werden begüterte Versicherte geschont. Die finanzielle Selbstbeteiligung<br />
ist in der Schweiz hoch, dies auch aufgrund der fehlenden Deckung für<br />
zahnmedizinische Behandlungen und zurückhaltenden Leistungen bei der<br />
Rehabilitation. Bei der Leistungserbringung kennen wir ein gemischtes<br />
System: Die ambulante Leistungserbringung erfolgt weitgehend privat, für<br />
stationäre Leistungen sind mehr öffentliche Institutionen zuständig. Durch die<br />
34
Zusatzversicherungen sind bei uns zusätzlich gewisse Elemente des<br />
Privatversicherungssystems gegeben.<br />
Als ein Mass der Chancengleichheit eines GW kann die Inanspruchnahme<br />
präventiver Massnahmen, welche durch die Grundversicherung gedeckt sind,<br />
herangezogen werden. Im Vergleich zum Rest der Bevölkerung nehmen in der<br />
Schweiz Individuen mit tieferem sozio-ökonomischem Status die Möglichkeit<br />
der Grippeimpfung, des Mammographie- bzw. Zervixabstrich-Screenings in<br />
geringerem Mass in Anspruch. 8 Eine Untersuchung über die Chancengleichheit<br />
in 8 Ländern (USA, DK, I, GB, E, CH, Irland, NL) analysierte, ob Personen mit<br />
identischem Bedarf aber unterschiedlichem Einkommen medizinisch<br />
gleichwertig versorgt wurden. 9 Wenig überraschend fanden sich teilweise<br />
deutliche Hinweise auf Chancenungleichheit. Deutlich weniger gravierend<br />
waren diese in der Schweiz, den Niederlanden und Irland. Bemerkenswert ist,<br />
dass in dieser Untersuchung Länder mit Sozialversicherungssystemen besser<br />
abschnitten als solche mit staatlichen Gesundheitssystemen.<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit von<br />
Gesundheitssystemen zu quantifizieren. Eine Untersuchung 10 verglich in<br />
differenzierter Weise die Länder der EU und der Schweiz. Folgende Indikatoren<br />
wurden dabei verwendet: Zufriedenheit der Bevölkerung, vermeidbare<br />
Mortalität (Mortalität, die aufgrund medizinischer Interventionen bei folgenden<br />
Erkrankungen vermeidbar wäre: Pneumonie, Zervix-Karzinom, M. Hodgkin,<br />
Appendizitis, rheumatisches Fieber, Tbc, Hypertonie, chron.<br />
Lebererkrankungen inkl. Zirrhose, koronare HK), Säuglingssterblichkeit,<br />
Müttersterblichkeit und Gesundheitsausgaben pro Einwohner. Bei all diesen<br />
Indikatoren (ausser den Gesundheitsausgaben, wo die Schweiz den<br />
Spitzenplatz belegte) bewegte sich die Schweiz im Mittelfeld. Im Rahmen der<br />
Schweizerischen Gesundheitsbefragung wird auch der selbst wahrgenommene<br />
Gesundheitsstatus evaluiert. Dabei gaben im Jahr 2002 durchschnittlich 86%<br />
der Erwachsenen an, dass sie sich gesundheitlich gut bzw. sehr gut fühlten.<br />
Rund 3% fühlten sich schlecht bzw. sehr schlecht. Ältere Menschen, Frauen,<br />
35
Individuen aus tieferen sozialen Schichten und auch MigrantInnen gehörten<br />
eher zur zweiten Gruppe. Im internationalen Vergleich sind dies hervorragende<br />
Bewertungen. Allerdings schränken kulturelle Faktoren die Vergleichbarkeit<br />
solcher Aussagen ein.<br />
Als ein Mass der Bedarfsgerechtigkeit werden vielfach Akutbettendichte,<br />
Aufenthaltsdauer im Akutspital, Akutspitaltage/Einwohner,<br />
Pflegepersonendichte, Ärztedichte und MRI-Dichte verwendet. Im Vergleich<br />
mit den OECD-Ländern von 2003 liegt die Schweiz mit 3.9 Akutbetten/1000<br />
Einwohner im oberen Mittelfeld (Abbildung 3).<br />
Abbildung 3 – Akutbettenzahl/1000 Einwohner 1993 und 2003. Im internationalen Vergleich<br />
nimmt die Schweiz bezüglich der Akutbettenzahl 2003 nach Deutschland, Ungarn und<br />
Österreich den 4. Platz ein. Infolge politischer Massnahmen hat in der Schweiz in den letzten<br />
10 Jahren ein bemerkenswerter Abbau stattgefunden. (Quelle: OECD Health Data 2005)<br />
36
Bei der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer im Akutspital belegte die Schweiz<br />
im gleichen Jahr den wenig vorteilhaften Spitzenplatz (9.2 Tage). In Bezug auf<br />
die Ärztedichte wird die Schweiz nur noch von Italien, Griechenland und<br />
Belgien überboten. Einzig Japan (35.3/Mio. Einwohner) weist eine höhere MRI-<br />
Dichte als die Schweiz auf (2003: 14.2/Mio. Einwohner). Aufgrund dieser<br />
Indikatoren erscheint die Effizienz des <strong>schweizerische</strong>n GW nicht optimal.<br />
Abbildung 4 – Internationaler Vergleich der jährlichen Gesundheitsausgaben in % des BIP,<br />
1993 und 2003. Die Schweiz nimmt nach den USA den 2. Platz ein – dies nach der Türkei auch<br />
in Bezug auf die Zunahme in den letzten 20 Jahren. (Quelle: OECD Health Data 2005)<br />
Beim Vergleich der Gesundheitsausgaben der OECD-Länder in % des<br />
Bruttoinlandprodukts (BIP) 2003 fällt auf, dass die Schweiz (11.5%) knapp vor<br />
Deutschland nach den USA den 2. Platz belegt (Abbildung 4). Systeme, die in<br />
hohem Ausmass über Steuern finanziert werden wie Grossbritannien, Italien<br />
und Dänemark, fallen durch eher geringere Anteile auf. Bemerkenswert ist,<br />
dass die Kosten seit 1990 nicht in allen Ländern in gleichem Ausmass<br />
37
zugenommen haben. So ist es Dänemark gelungen, seinen Anteil weitgehend<br />
konstant zu halten – Finnland konnte diesen sogar reduzieren. Die USA und<br />
die Schweiz, deren <strong>Gesundheitswesen</strong> sich besonders durch<br />
marktwirtschaftliche Strukturen auszeichnen, belegen die beiden<br />
Spitzenplätze.<br />
Für Medikamente wird bei uns ein geringerer Anteil der Gesundheitsausgaben<br />
aufgewendet als in den meisten OECD-Ländern. Auch ist es gelungen, diesen<br />
Anteil in den letzten 20 Jahren weitgehend zu stabilisieren (Abbildung 5).<br />
Abbildung 5 - Internationaler Vergleich der Veränderung zwischen 1993 und 2003 der<br />
Ausgaben für Medikamente in % der Gesamtausgaben für das <strong>Gesundheitswesen</strong>. Für die<br />
Schweiz ist auf mittlerem Niveau nur eine geringe Zunahme zu verzeichnen. (Quelle: OECD<br />
Health Data 2005)<br />
Die Finanzierung des <strong>Gesundheitswesen</strong>s zeichnet sich in Ländern mit einem<br />
hohen Anteil steuerfinanzierter Ausgaben dadurch aus, dass die Einwohner<br />
einkommensabhängig progressiv belastet werden. Bei uns und in noch<br />
38
deutlicherem Ausmass in den USA dagegen fällt bei höherem Einkommen die<br />
Belastung regressiv aus. In geringerem Ausmass trifft dies auch auf Frankreich<br />
und die Niederlande zu. Die WHO hat im Jahr 2000 (Website siehe 7.13) eine<br />
Rangliste der Qualität von 191 Gesundheitssystemen publiziert. Die Schweiz<br />
belegte den 20. Platz. Wesentlich zu dieser Beurteilung hat die regressive<br />
Belastung höherer Einkommen beigetragen.<br />
Eine abschliessende Bewertung unseres GW im Vergleich mit dem Ausland ist<br />
aufgrund der beschriebenen Komplexität der Beurteilungskriterien nicht<br />
möglich. Neben den USA „leisten“ wir uns das zweitteuerste <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
der Welt. Trotzdem sind uns einige “kostengünstigere“ Länder in Teilbereichen<br />
ebenbürtig oder sogar überlegen. So weisen nordeuropäische Staaten mit<br />
weniger kostspieligen Gesundheitssystemen (kaufkraftbereinigt am Anteil des<br />
BIP gemessen) bezüglich Mütter- und Säuglingssterblichkeit bessere Werte als<br />
die Schweiz auf. Andererseits steht unser Land in Bezug auf die<br />
Chancengleichheit relativ gut da. Dies gilt wohl auch in Bezug auf das Gefälle<br />
Stadt-Land, ein wichtiger Faktor, zu dem keine vergleichenden Daten<br />
vorliegen. Was die Regressivität der Finanzierung betrifft, so belegen wir in<br />
Europa den unrühmlichen Spitzenplatz.<br />
Bei Betrachtung der Bedarfsgerechtigkeit wird klar, dass ein Sparpotential<br />
vorliegt. Es wird dann gelingen, das Kostenwachstum in unserem<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> nachhaltig einzudämmen, wenn auf Seiten der<br />
Konsumenten und Anbieter die Anreize zur Mengenausweitung abnehmen und<br />
der Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen verbessert wird.<br />
7.11 Weiterführende Literatur<br />
Gerhard Kocher, Willy Oggier. <strong>Gesundheitswesen</strong> Schweiz 2004/2006: Eine aktuelle Übersicht.<br />
Verlag Hans Huber 2004<br />
Ch. Ludwig, R. Darioli, R. Schütz, U. Ackermann-Liebrich, F. Gutzwiller, T. Perneger, E.W.<br />
Ramseier, R. Westkämper Texte zur Versicherungsmedizin. Schweizerisches Skriptum<br />
Versicherungsmedizin zur medizinischen Ausbildung. 4. überarbeitete Auflage 2004.<br />
Der Preis der Gesundheit. NZZ Fokus Nr. 14, Feb. 2003 - Ein Schwerpunkt-Dossier der Neuen<br />
Zürcher Zeitung.<br />
39
7.12 Zitierte Literatur<br />
1. Stürchler D, Vorkauf, J. Meldung von Infektionskrankheiten – erste Erfahrungen mit<br />
dem neuen System. SAEZ 2000;81(18):934-36<br />
2. SPSU-Komitee. SPSU-Jahresbericht 2004. BAG Bulletin 2005<br />
http://www.bag.admin.ch/infekt/publ/bulletin/d/spsu_jb3805.pdf(38):660-67<br />
3. Rüefli CV, A. Kostendifferenzen im <strong>Gesundheitswesen</strong> zwischen den Kantonen 2001<br />
http://www.bsv.admin.ch/forschung/publikationen/d/<br />
4. Filippini MF, M. "Analyse der Effizienz und Produktivität in den Schweizer Spitälern".<br />
2005<br />
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/gesundheit/gesundheitsversorgu<br />
ng/einrichtungen/analysen__berichte/prod.html<br />
5. Silverman E, Skinner, JS, Fisher, ES. The association between for-profit hospital<br />
ownership and increased Medicare spending. N Engl J Med 1999;341(6):420-6<br />
6. Grether T. Hirslanden-Kliniken: Im Kreuzfeuer. Pulstipp 2003;Nr. 7/8, Juli/August<br />
7. Feuz P. Thema Gesundheitskosten. Der Bund 2004;211:1-3.<br />
8. Bisig B. Schulbildung/Sozialschicht und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen.<br />
Zürich, Verlag Rüegger 2004; Band 1: Gesamtübersicht:55-82.<br />
9. van Doorslaer EW, A. van der Burg, H. Christiansen, T. De Graeve, D. Duchesne, I., et<br />
al. Equity in the delivery of health care in Europe and the US. J Health Econ<br />
2000;19(5):553-83<br />
10. Domenighetti G. Zufriedenheit der Schweizer Bevölkerung mit ihrem<br />
Gesundheitssystem im Vergleich mit einer gleichartigen Erhebung in den Ländern der<br />
EU. Soziale Sicherheit 2001/2002; Nr. 5:279-281<br />
7.13 Wichtige Websites<br />
Bundesamt für Gesundheit (BAG) http://www.bag.admin.ch/<br />
BAG: A-Z der meldepflichtigen Infektionen http://www.bag.admin.ch/infreporting/index.htm<br />
BAG: Obligatorische Krankenversicherung<br />
nach KVG<br />
http://www.bag.admin.ch/kv/d/index.htm<br />
Bundesamt für Statistik (BfS) http://www.statistik.admin.ch/<br />
Gesundheitsobservatorium Neuenburg http://www.obsan.ch/<br />
Gesundheitsförderung Schweiz www.gesundheitsfoerderung.ch/<br />
santésuisse (Branchenverband der<br />
Krankenversicherer)<br />
www.santesuisse.ch<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> Schweiz. Pharma<br />
Information, 2004<br />
http://www.interpharma.ch/de/index.asp<br />
Schweizerische Konferenz kantonale<br />
SanitätsdirektorInnen<br />
http://www.gdk-cds.ch/<br />
The World Health Report 2000: Health<br />
systems<br />
www.who.int/whr/2000/en/<br />
Organisation for Economic Co-operation and http://www.oecd.org/<br />
Development OECD<br />
economiesuisse: Zahlenspiegel http://www.zahlenspiegel.ch/d/index.cfm<br />
Danksagung<br />
Wir bedanken uns für die hilfreichen Hinweise und Kommentare von Herrn Dr.<br />
Ekkehardt Altpeter (BAG), Herrn Dr. Martin Gebhardt (BAG), Herrn Herbert<br />
Känzig (BAG), Herrn Peter Bolliger (BFS) und Herrn Dr. A. Wirthner (MediX<br />
Bern).<br />
40