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Formale oder materiale Topik? - KOPS - Universität Konstanz

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Worin aber bestand nach Ansicht der Kritiker nun der „prominente[...] Irrtum“ 31 , der<br />

im Laufe der m<strong>oder</strong>nen Auseinandersetzung mit <strong>Topik</strong> von so vielen Kritikern „mit wün-<br />

schenswerter Klarheit korrigiert“ 32 worden wäre, ohne daß dies einen Einfluß auf die<br />

Karriere des Curtius’schen <strong>Topik</strong>- und Topos-Begriffs gehabt hätte?<br />

Ludwig Fischer ist der Auffassung, daß Curtius die <strong>Topik</strong> zwar korrekt als grundle-<br />

genden Abschnitt der rhetorischen Findungslehre beschreibt, die dann von der griechi-<br />

schen Antike bis zum Untergang der Rhetorik am Ende der Aufklärung einen entschei-<br />

denden Bestandteil des Normenkomplexes der Rhetorik mit all ihren Geltungsbereichen,<br />

also auch der Poetik, gebildet hätte. Wenn Curtius aber schreibe, <strong>Topik</strong> sei im antiken<br />

Lehrgebäude der Rhetorik das Vorratsmagazin gewesen, in welchem man Gedanken all-<br />

gemeinster Art finde, die bei allen Reden und Schriften angewandt werden könnten 33 ,<br />

dann sei dies falsch. <strong>Topik</strong> sei kein Vorratsmagazin mit den Topoi als fertigen Argumen-<br />

ten in seinen Schränken: „Die <strong>Topik</strong> ist eine Methode, zu Beweisen zu gelangen - die<br />

Topoi, die Loci sind nie die Argumente selbst, sondern die ›Örter‹, an denen man sie fin-<br />

den kann“ 34 .<br />

Auf „[...] Curtius’ Gleichsetzung von Topos/locus mit dem dadurch gebildeten Argu-<br />

ment selbst [...]“ 35 beruhe dann - so Jehn - „auch die falsche und von Curtius gar nicht<br />

bewiesene Behauptung, daß mit der Rhetorisierung der Literatur die Topoi ›Klischees‹<br />

werden, die ›literarisch allgemein verwendbar sind‹“ 36 . Wenn Curtius als Aufgabe der<br />

Toposforschung - wie Fischer weiter ausführt - also die „Untersuchung der Tradition lite-<br />

rarischer Klischees, Formeln, Bilder, Gedanken, Themen [ansehe...], da sich in der Kon-<br />

stanz und im historischen Wandel solcher Elemente die Kontinuität und ›Sinneinheit‹ 37<br />

der europäischen Literatur erkennen lasse“ 38 , dann sei es Etikettenschwindel, wenn er<br />

sich auf die antike <strong>Topik</strong> und den Begriff des Topos berufe 39 .<br />

31<br />

Wiedemann, <strong>Topik</strong> als Vorschule, S. 235.<br />

32<br />

ebd.<br />

33<br />

vgl. Curtius, Europäische Literatur, hier: S. 89.<br />

34<br />

Fischer, <strong>Topik</strong>, S. 159.<br />

35<br />

Jehn, Toposforschung als Restauration, S. LVI-LVII.<br />

36<br />

ebd., LVIII.<br />

37<br />

vgl. Veit, Toposforschung, S. 123.<br />

38<br />

Fischer, <strong>Topik</strong>, S. 157.<br />

39<br />

Diese „falsche Namensgebung“ (Wiedemann, <strong>Topik</strong> als Vorschule, S. 236) ist - laut Wiedemann - der<br />

„fruchtbare[...] Irrtum [...], denn auf unerklärliche Weise hat die falsche Namensgebung eine neue wissenschaftliche<br />

Identität hervorgebracht und den bis dahin wenig entwickelten und disparaten Sparten der<br />

sprachlichen, Motiv-, Metaphern- und Schlagwortforschung eine unerwartete Blüte beschert“ (ebd.).<br />

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