Formale oder materiale Topik? - KOPS - Universität Konstanz
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pos hingewiesen, die es bei der Herausarbeitung der ‘Leistungsmomente der topischen<br />
inventio’ nicht zu vernachlässigen gelte. Es sei kein Zufall <strong>oder</strong> Mangel, daß es „keine<br />
präzise historische Definition des Topos“ 38 gebe: denn schon „[...] in der aristotelischen<br />
Erstlingsschrift Topica [...werde] die bloße ›Umrißhaftigkeit‹ [...] ausdrücklich in An-<br />
spruch genommen, und bei dieser Umrißhaftigkeit [...sei] es letztlich bis heute geblieben.<br />
Die Klagen der jüngeren Forschung über das Fehlen eines eindeutigen Topos-Begriffs<br />
[...würden] einem rationalistisch-positivistischen Mißverständnis des Charakters der<br />
<strong>Topik</strong>“ 39 entspringen.<br />
Deshalb beharrt Bornscheuer - auch gegenüber Wiedemann, der sich „mit dieser bis<br />
heute erhaltenen Unschärfe des Topos-Begriffs noch nicht abzufinden“ 40 vermöge -, dar-<br />
auf, daß ein „topos bzw. locus (communis) [...], in aller Kürze gesagt, sowohl ein (er-<br />
kenntnistheoretischer, logischer <strong>oder</strong> anderer) Kategoriebegriff <strong>oder</strong> eine Regel als auch<br />
ein bloßes Klischee <strong>oder</strong> ein Stichwort formaler <strong>oder</strong> <strong>materiale</strong>r Art“ 41 sein könne.<br />
Die Gründe dafür, weshalb dieser Charakter der Unschärfe für Bornscheuer kein<br />
Mangel, sondern Kennzeichen einer umfassenden <strong>Topik</strong>- bzw. Topos-Auffassung ist,<br />
weswegen es sich also seiner Auffassung nach bei der strikten Unterscheidung zwischen<br />
‘formaler’ und ‘<strong>materiale</strong>r’ <strong>Topik</strong> um eine „Scheinalternative“ 42 handelt, die die ‘ur-<br />
sprünglichen Leistungsmomente’ der <strong>Topik</strong> aus dem Blick verliert, sollen im folgenden<br />
anhand von Bornscheuers Darlegung der „beiden wichtigsten antiken Rhetorik- und<br />
T[...opik-] ‘Theoretiker’ Aristoteles und Cicero“ 43 aufgezeigt werden.<br />
Da ich den Schwerpunkt hier vor allem auf Bornscheuers Darlegung der aristoteli-<br />
schen <strong>Topik</strong>-Auffassung legen möchte, da die Problematik der topischen inventio laut<br />
Bornscheuer nach Aristoteles nie wieder so grundsätzlich reflektiert worden sei, möchte<br />
ich nun über- und zurückleitend zu Aristoteles’ <strong>Topik</strong>-Auffassung einige Aspekte anfüh-<br />
ren, die Bornscheuer anhand Ciceros Schriften herausgearbeitet hat, und die schon hier<br />
meiner Meinung nach deutlich machen, warum Bornscheuer die rein formale Auffassung<br />
von <strong>Topik</strong> ablehnt.<br />
38<br />
Bornscheuer, Zehn Thesen, S. 206.<br />
39<br />
ebd.<br />
40<br />
Bornscheuer, Lothar: Neue Dimensionen und Desiderata der <strong>Topik</strong>-Forschung, in: Mittellateinisches<br />
Jahrbuch, Bd. 22 (1987), hrsg. von Karl Langosch/Fritz Wagner, Stuttgart 1989, hier: S. 5. (nachfolgend<br />
zit. als: Bornscheuer, Neue Dimensionen)<br />
41<br />
ebd., S. 6.<br />
42<br />
ebd., S. 9.<br />
43<br />
Bornscheuer: <strong>Topik</strong>, in: Reallexikon der Deutschen Literaturgeschichte, Bd. IV, hrsg. von Klaus Kanzog/Achim<br />
Masser, Berlin/New York 1984, 2. Auflage, 454-475, hier: S. 462. (nachfolgend zit. als:<br />
Bornscheuer, <strong>Topik</strong> in Reallexikon)<br />
41