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Formale oder materiale Topik? - KOPS - Universität Konstanz

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vorwissenschaftliche Problemerörterung, die Argumentation im „Bereich der Doxa, die<br />

umgangssprachliche Argumentationsstruktur bzw. die öffentliche Meinungsbildung<br />

[...]“ 83 .<br />

Die von Aristoteles im Eingangssatz als Operationsbasis des topischen Verfahrens<br />

angesprochenen herrschenden Meinungen (endoxa 84 ) seien laut Bornscheuer also als<br />

konstitutives Merkmal der <strong>Topik</strong> anzusehen. Sie seien:<br />

„sämtliche mündlichen und schriftlichen, bewußt <strong>oder</strong> unbewußt internalisierten Geltungsansprüche<br />

der Tradition und Konvention..., vom idealen gesamtgesellschaftlichen consensus<br />

omnium bzw. der herrschenden Vor-Urteils-Struktur über alle kanonisierten Bildungsgüter<br />

bis hin zu den dezidierten ‘Lehrmeinungen’ einzelner Autoritäten (poli-tischer, pädagogischer,<br />

wissenschaftlicher <strong>oder</strong> kultischer). Zu den endoxa ist mit dem Sententiösen, Sprichwörtlichen<br />

und Zitathaften der Bereich aller gesellschaftsgeschichtlichen Erfahrungen und<br />

Erinnerungen wie auch aller handlungsorientierenden, zukunftsweisenden Bedeutungsgehalte<br />

zu rechnen [...]“ 85 .<br />

Da jedoch auf der Grundlage der endoxa keine apodiktischen Schlüsse 86 möglich sei-<br />

en, Schlüsse also, die sich auf „absolute <strong>oder</strong> objektive Wahrheitspostulate“ 87 stützen,<br />

könne es sich bei der von Aristoteles gesuchten Methode nicht um Wissenschaft han-<br />

deln. Deshalb gelangt Bornscheuer zu der Auffassung, daß durch das topische Verfahren<br />

- von „Aristoteles durch das Stichwort ‘syllogizesthai’ angedeutet [...- die] vorwissen-<br />

schaftliche Problemreflexion, Argumentation, Urteilsbildung und Schlußfolgerung“ 88<br />

und so die „dialektische[...] Problemerörterung“ 89 ermöglicht werden soll.<br />

Das Ziel der aristotelischen <strong>Topik</strong>-Schrift sei es also, „die [...] umgangssprachliche<br />

Argumentationsstruktur genauer ins Bewußtsein zu heben und zu einem geschmeidigen<br />

Instrument zu profilieren“ 90 .<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang - und ein wesentlicher Grund für die charakteristi-<br />

sche Unschärfe - sei nun - wie Bornscheuer ausführt -, daß Aristoteles dieses Ziel mit<br />

den Mitteln seines Untersuchungsgegenstandes verfolge: denn „die im Bereich der Doxa<br />

beheimatete topische Dialektik [...sei] in Aristoteles’ Schrift gleichzeitig Interpretandum<br />

und Interpretament. [...] Die aristotelische <strong>Topik</strong> ließe sich bezeichnen als das ebenso<br />

83 ebd.<br />

84 Die „›endoxa‹ sind das, ›was allen <strong>oder</strong> den meisten <strong>oder</strong> den Gebildeten (sophoi) und unter diesen allen<br />

<strong>oder</strong> den meisten <strong>oder</strong> den am meisten Bekannten und Anerkannten (endoxoi) richtig scheint‹“<br />

(Aristoteles, Top. I, I 100b 21-23, zit.nach: Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 26).<br />

85 ebd., S. 95.<br />

86 vgl. Aristoteles, Top. I, 1 100a, 32 - 100b, 31 (zit. oben Kap. I (Die ‘formale <strong>Topik</strong>’), S. 17 [Anm. 6]).<br />

87 Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 27.<br />

88<br />

ebd, S. 26.<br />

89<br />

ebd.<br />

90<br />

ebd., S. 43.<br />

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