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Formale oder materiale Topik? - KOPS - Universität Konstanz

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Die Unschärfe<br />

des aristotelischen <strong>Topik</strong>- bzw. Topos-Begriffes<br />

Es ist vor allem der Eingangssatz der <strong>Topik</strong>-Schrift des Aristoteles’, in dem Bornscheuer<br />

den „fruchtbarste[n] Ausgangspunkt“ 67 für eine Neubestimmung des Topos-Begriffs<br />

erkennt. In Bornscheuers Übersetzung lautet er:<br />

„Das Ziel dieser Abhandlung ist, ein Verfahren (methodos) zu finden, mit dessen Hilfe wir<br />

gegenüber jeder Problemstellung (problema) auf der Grundlage der geltenden Meinungen<br />

(endoxa) zu einem schlüssigen Urteil kommen können (syllogizesthai) und, wenn wir selbst<br />

einer Argumentation standhalten sollen, in keine Widersprüche geraten“ 68 .<br />

Diese hier anvisierte Methode sei „als ›topische Methode‹ im engeren Sinne aufzufas-<br />

sen“ 69 . Dies sieht Bornscheuer durch den mit dem Eingangssatz der Schrift korrespon-<br />

dierenden Schlußsatz 70 des VII. Buches bestätigt: „›Die Topoi also, durch die wir befä-<br />

higt sein werden, jede Art von Problemen zu bewältigen, sind damit einigermaßen hin-<br />

reichend aufgezählt‹“ 71 . Die zur Problembewältigung allererst befähigende Methode<br />

bedeute demnach - wie Bornscheuer darlegt - „‘Verfügung über Topoi’“ 72 . Im Anschluß<br />

an die aristotelischen Topos-Formulierungen, die - so Bornscheuer - auf den Verben<br />

‘sehen’, ‘blicken’, ‘schauen’ im Sinne von ‘darauf achten’ basierten 73 , ließe sich „ein<br />

67<br />

Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 95.<br />

68<br />

Aristoteles, Top. I, 1 100a, zit. nach: Bornscheuer, <strong>Topik</strong> in Reallexikon, S. 455. Bornscheuer hat eine<br />

eigene Übersetzung des aristotelischen Textes angefertigt (zu den hierbei zugrundegelegten Textausgaben:<br />

vgl. Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 218 [Anm. 1 zu Kap.I]).<br />

Die im deutschen Sprachraum gängigste Übersetzung dieses Textes stammt wohl von Eugen Rolfes. Er<br />

übersetzt den Eingangssatz wie folgt: „Unsere Arbeit verfolgt die Aufgabe, eine Methode zu finden,<br />

nach der wir über jedes aufgestellte Problem aus wahrscheinlichen Sätzen Schlüsse bilden können und,<br />

wenn wir selbst Rede stehen sollen, in keine Widersprüche geraten“ (Aristoteles: <strong>Topik</strong>. Organon V,<br />

übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes, Hamburg 1968, unveränd. Nachdruck der<br />

2. Auflage 1922 [zuerst 1919], hier: S. 1. [nachfolgend zit. als: Übersetzung Rolfes]).<br />

Bornscheuers - von Rolfes’ abweichende - Übersetzung vor allem des Wortes éndoxa als den „geltenden<br />

Meinungen“ soll die spezifische Bedeutung dieses Wortes im Rahmen der <strong>Topik</strong> herausheben:<br />

„Zwar ist dem endoxa-Begriff der erkenntnistheoretische Aspekt im Sinne des ›Wahrscheinlichen‹ nicht<br />

abzusprechen, doch scheint es ebenso notwendig, auf seinen soziokulturellen Bedeutungsgehalt aufmerksam<br />

zu machen [...]“ (Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 49).<br />

69<br />

ebd., S. 28.<br />

70<br />

In der Übersetzung von Rolfes lautet er: „So sind denn die Örter, die uns helfen können, in bezug auf<br />

jedes Problem dialektische Schlüsse zu ziehen, annähernd vollständig aufgezählt“ (Aristoteles, Top. VII,<br />

5 155a, 37f., Übersetzung Rolfes, S. 172).<br />

71<br />

Aristoteles, Top. VII, 5 155a, 37f. Übersetzung Bornscheuer, vgl. Bornscheuer, <strong>Topik</strong>, S. 28.<br />

72<br />

ebd.<br />

73<br />

Bornscheuer verweist hier u.a. auf: Aristoteles, Top. II, 2 109a 34f: „Ein Ort nun ist, daß man zusieht<br />

[...]“ (Übersetzung Rolfes, S. 29), „Ein anderer Ort ist die Betrachtung [...]“ (Übersetzung Rolfes, S. 30),<br />

und auf einige Stellen in Aristoteles, Top. I, 15 106a ff.: „Ferner muß man zusehen [...]“ (Übersetzung<br />

Rolfes, S. 20), „muß man [...] achtgeben“ (Übersetzung Rolfes, S. 20), „Ferner sind [...] ins Auge zu fassen“<br />

(Übersetzung Rolfes, S. 21).<br />

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