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06 REGION GENERATIONplus+<br />

besetzten Zone (SBZ) anprangerten, zog es<br />

den größeren Teil der Bevölkerung bei schönem<br />

Wetter z<strong>um</strong> Bier und ins Grüne.<br />

Für <strong>die</strong> „Brüder und Schwestern“ in der SBZ<br />

wurde mitgesprochen (Alleinvertretungsanspruch).<br />

Was wirklich vorging im Osten<br />

Deutschlands – z<strong>um</strong> Beispiel beim Protest<br />

von Arbeitern gegen Mehrarbeit, der z<strong>um</strong><br />

mit Sowjethilfe erstickten Aufstand eskalierte<br />

– wussten damals nur wenige Bundes -<br />

bürger.<br />

Das DDR-Regime hatte zwar mit Recht und<br />

Freiheit nichts im Sinn – mit einem kommunistisch<br />

ausgerichteten „einig Vaterland“<br />

aber zunächst schon. Eine Hymne musste<br />

her. <strong>Sie</strong> pries eine Vision von DDR, in der <strong>die</strong><br />

„Sonne schön wie nie“ schien. (Text Jo -<br />

hannes R. Becher, Musik Hanns Eisler).<br />

Entlehnt war der Hymnus ebenso wie das<br />

Deutschlandlied mit dem Text von Hoff -<br />

mann von Fallersleben den Klängen von<br />

„Gott erhalte Franz, den Kaiser“, des aus<br />

Österreich-Ungarn stammenden Joseph<br />

Haydn, der <strong>die</strong>se Melo<strong>die</strong> 1797 in einer<br />

Stimmung vaterländischer Verklärung komponierte.<br />

Wenn Nationalhymnen erklingen besteht<br />

auch heute noch – Roman Herzog musste<br />

das erleben – akute Verwechslungsgefahr.<br />

Als zu Ehren des damaligen Bundesprä -<br />

sidenten im brasilianischen Porto Alegre<br />

eine deutsche Hymne erklang, war es <strong>die</strong><br />

falsche – gleich mehrfach <strong>die</strong> der verblichenen<br />

DDR. Der Unfall wurde ignoriert.<br />

Mit den Reichen des Bösen ist es so eine<br />

Sache. Weder begann das Unrecht mit der<br />

Grün dung der DDR noch endete es mit<br />

deren Untergang. Bevor Mauern, reale und<br />

politische, stürzen, geraten sie meist vorher<br />

schon ins Wanken oder werden untergraben.<br />

Nicht weit von dort, wo der Schießbefehl<br />

galt, auf Hinweistafeln <strong>die</strong> Grausamkeit des<br />

Zonenregimes gegeißelt wurde, weht heute<br />

auf dem Innenhof eines Luxushotels unter<br />

französischer Leitung <strong>die</strong> Trikolore im Wind,<br />

nah vom früheren Grenzstreifen, wo Bau -<br />

ruinen mit der Wende ins Blickfeld gerieten.<br />

Es herrscht völlige Stille. Greifvögel ziehen<br />

ihre Kreise über dem „Grünen Band“. Als<br />

Niemandsland von einst soll es, vermutlich<br />

da und dort unterbrochen, Natur- und<br />

Erholungsra<strong>um</strong> zugleich sein. Hier hätten<br />

<strong>sich</strong> zwei nicht nur in Deutschland berühmte<br />

Grenzgänger begegnen können: ein wandernder<br />

junger Fontane dem viel älteren forschenden,<br />

deutsche Landschaft vermessenden<br />

Gauß.<br />

Lebten sie heute – sie wären <strong>sich</strong>er überrascht<br />

und würden vielleicht fragen, ob <strong>die</strong><br />

Verbindung von Hotelluxus und Natur,<br />

Invest und Storchennest grenzübergreifende<br />

Zukunft hat. Oder wird daraus, wo Mauer<br />

und „Eiserner Vorhang“ <strong>sich</strong> deckten, nur ein<br />

Gewinnspiel als geschichtlicher Tanz auf<br />

dem Vulkan und als Kontrastprogramm?<br />

Die beiden Wandernden halten <strong>sich</strong> mit<br />

ihrem Urteil zurück. Denn wie beseelt durch<br />

einen Friedenspakt gesellen <strong>sich</strong> Merkel und<br />

Gysi hinzu, begleitet von einem runderneuerten<br />

Westerwelle. Ihm folgt, gekonnt französisch<br />

parlierend, das Bruderpaar de<br />

Maizière.<br />

Die Hoteltore öffnen <strong>sich</strong> und Trittin, <strong>um</strong>geben<br />

von Ba<strong>um</strong>grün, empfängt <strong>die</strong> Gäste Die<br />

Marseillaise erklingt, vielleicht, weil Fontane<br />

und <strong>die</strong> beiden de Maizières hugenottischer<br />

Abstammung sind.<br />

Der Hotelchef tritt hervor und überreicht<br />

dem Ex-Orchestermusiker Lothar de Mai -<br />

zière eine Bratsche. Den hält es nicht mehr –<br />

er muss, nach seinem Bruder Tho mas äu -<br />

gend, ein Loblied anstimmen, eine Musik -<br />

vision vollenden. Denn er ahnt, dass Europa<br />

mehr Tra<strong>um</strong> als Wirklichkeit ist.<br />

Gauß und Fontane heben <strong>die</strong> Arme. Schon<br />

der Beginn soll zünden. Merkel und Gysi sind<br />

inzwischen Hand in Hand und so begeistert,<br />

dass sie mitsingen möchten. Auch Trittin, der<br />

auf Bruch-Landschaft getrimmt ist, stimmt<br />

<strong>sich</strong> ein. Es wird eine Uraufführung – ein<br />

positives verklärendes, an Schiller und<br />

Beethovens „Freude, schöner Götterfunke“,<br />

Haydns Kaiser Franz, Hoffmann von Fallers -<br />

leben, Becher und Eisler erinnerndes Lied.<br />

Eine für <strong>die</strong> Ewigkeit bestimmte, multifunktionale,<br />

von Lothar de Maizière leicht variierte,<br />

erhebende Weise erklingt:<br />

„Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft<br />

zugewandt / Glück und Frieden sei beschieden<br />

/ unserem Gauß-Fontane-Land“.

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