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PR0110 - Landesverband Paritätischer Niedersachsen e.V.

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20<br />

Parität Report 1-10 >> Einer für alle(s)<br />

Besuch in der Arbeitstherapeutischen Werkstatt Hannover<br />

Es sieht nach einem Arbeitstag in einer<br />

beliebigen Autowerkstatt aus.<br />

Mike Siegel, Auszubildender im 1.<br />

Lehrjahr, steht unter der Hebebühne<br />

und wechselt die Achsmanschette<br />

des Autos über ihm. Mit geübten<br />

Handgriffen schraubt der 22-Jährige<br />

an dem Wagen herum, der Spaß ist<br />

ihm deutlich anzusehen. Vielleicht<br />

liegt das auch daran, dass Mike besonders<br />

glücklich darüber ist, seinen<br />

Ausbildungsplatz ergattert zu habe,<br />

denn noch vor zwei Jahren standen<br />

seine Chancen dafür schlecht. Damals<br />

saß Mike eine Haftstrafe ab: „Ich<br />

habe viele Bewerbungen geschrieben<br />

und immer gleich angegeben,<br />

dass ich inhaftiert bin, aber ich bekam<br />

nur Absagen“, erzählt der 22-Jährige,<br />

der die Hoffnung schon fast aufgegeben<br />

hatte. Doch dann erhielt er eine<br />

Chance bei der Arbeitstherapeutischen<br />

Werkstatt Hannover (ATW),<br />

einer Mitgliedsorganisation im Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverband <strong>Niedersachsen</strong>.<br />

In der Autowerkstatt der<br />

ATW machte Mike zunächst ein einjähriges<br />

Praktikum und begann dann<br />

seine Ausbildung.<br />

Die ATW bietet Jugendlichen wie<br />

Mike, die mit besonderen sozialen<br />

Schwierigkeiten zu kämpfen haben,<br />

aber weit mehr als berufl iche Perspektiven.<br />

Das Besondere ist vielmehr<br />

der integrative, ganzheitliche<br />

Ansatz der Arbeit. Förderung lebenspraktischer<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

und soziales Training gehören<br />

ebenso dazu wie Hilfe im Umgang<br />

mit Ämtern, beim Ausfüllen von Anträgen<br />

oder bei der Wohnungssuche.<br />

Auch die gemeinsame Freizeitgestaltung,<br />

wie etwa Sportaktivitäten oder<br />

mehrtägige Fahrten, ist Teil des ganz-<br />

Mehr als nur ein besonderer Ausbildungsbetrieb<br />

Jugendliche bei der Arbeit in der Autowerkstatt der ATW.<br />

heitlichen Konzeptes, das in dieser<br />

vielfältigen, geballten Form einmalig<br />

in <strong>Niedersachsen</strong> ist. „Wir bieten<br />

nicht nur berufl iche, sondern auch<br />

soziale Perspektiven“, sagt Schulleiterin<br />

Friederike Riel. Die Jugendlichen<br />

zu begleiten und zu beobachten, ihnen<br />

eine Tagesstruktur zu bieten, gehört<br />

zum Verständnis der ATW.<br />

Die 1977 von Mitarbeitern der<br />

DROBS Hannover und der Therapeutischen<br />

Wohngemeinschaft für<br />

drogenabhängige junge Menschen in<br />

Hannover gegründete Einrichtung<br />

wendet sich in erster Linie an von<br />

Ausgrenzung bedrohte junge Menschen,<br />

deren Lebenslauf von vielfältigen<br />

Problemlagen wie wiederholte<br />

Straffälligkeit, zeitweiliger Obdachlosigkeit,<br />

vermehrten Scheitern in<br />

Schule und Beruf und/oder Drogenmissbrauch<br />

geprägt ist. In der<br />

ATW können sie ihren Hauptschulabschluss<br />

machen, an Förderunterricht<br />

teilnehmen, ein Praktikum absolvieren<br />

oder eine Ausbildung als<br />

Kfz-Mechatroniker/in, Maler/in und<br />

Lackierer/in oder Kauffrau für Bürokommunikation<br />

ergreifen. Neben der<br />

Autowerkstatt gehören eine Tischle-<br />

rei und eine Werkstatt für Metallbau<br />

sowie das nur für Frauen angebotene<br />

Büroprojekt „fe-mail“ zu den vier<br />

großen Arbeitsbereichen der ATW.<br />

„Unsere Jugendlichen hätten ohne<br />

uns draußen keine Chance“, sagt<br />

Detlef Wachowiak, Meister in der<br />

Metallwerkstatt und seit 19 Jahren<br />

für die ATW tätig. Er weiß, dass bei<br />

seiner täglichen Arbeit vor allem Geduld<br />

gefragt ist. „Zeit spielt keine<br />

Rolle. Der Weg ist oft lang, aber wir<br />

haben eine langen Atem und nehmen<br />

uns die Zeit.“ Wichtiger als schnelles,<br />

präzises Arbeiten sei, dass die Jugendlichen<br />

bereit seien, die Herausforderung<br />

eines geregelten Arbeitslebens<br />

anzunehmen. „Sie müssen es wollen“,<br />

sagte Meister Wachowiak.<br />

Viele haben schon gewollt – und haben<br />

dank der ATW erfolgreich eine Wiedereingliederung<br />

in die Gesellschaft<br />

vollzogen. Schulleiterin Riel hofft, dass<br />

das auch weiterhin so bleibt. „Denn<br />

das SGB II kann unsere Fälle nicht bedienen,<br />

wenn es uns nicht mehr gäbe,<br />

würden viele Jugendliche durchs Raster<br />

fallen und keine adäquate Hilfe<br />

mehr bekommen.“

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