PR0110 - Landesverband Paritätischer Niedersachsen e.V.
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Liebe Leserinnen, liebe Leser<br />
was sind 120 Millionen Euro in einer Zeit, in der die Öffentlichkeit<br />
erst bei Milliardenbeträgen anfängt aufzumerken?<br />
120 Millionen Euro bekämen Sie oder ich, wenn man die 560<br />
Milliarden Euro, die die Bundesregierung<br />
derzeit für den Bankenrettungsschirm<br />
bereitgestellt hat, für eine Woche auf ein<br />
normales Sparbuch tun würde. 120 Millionen<br />
Euro sind aber auch der Betrag, der<br />
allein durch das niedersächsische Sozialministerium<br />
im kommenden Haushaltsjahr<br />
eingespart werden soll. Dieses Geld<br />
wird im kommenden Jahr in der sozialen<br />
Landschaft und bei dem Aufbau neuer<br />
Angebote fehlen, darüber hinaus steht<br />
zu befürchten, dass bewährte Strukturen<br />
zerstört werden.<br />
Welche Auswirkungen die Haushaltskrise<br />
auf den sozialen Bereich hat, lässt sich<br />
im kommunalen Bereich treffl ich beobachten<br />
und das schlimmste fürchten: Die Kommunen kürzen<br />
die sogenannten „Freiwilligen Leistungen“, streichen Zuschüsse<br />
an Vereine, soziale Initiativen, besonders im Kinder-, Frauen<br />
und Jugendbereich sowie an Beratungsstellen. Dabei stellen diese<br />
Zuschüsse oft nur wenige Prozentpunkte des gesamten<br />
Haushaltsvolumens dar, so dass ihre Streichung den Haushalt<br />
ohnehin nicht retten kann, aber ohne sie sind viele Bereiche<br />
bürgerschaftlichen Engagements nicht denkbar und die soziale<br />
Temperatur würde in vielen Städten und Gemeinden deutlich<br />
sinken. Neben den Kürzungen von Zuschüssen gehen die<br />
Kommunen auch andere Schritte, um ihre Ausgaben zu senken;<br />
Dies sind etwa die Kündigung von Rahmenverträgen, die – eigentlich<br />
nicht erforderliche – europaweite Ausschreibung von<br />
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, wie den Betrieb eines<br />
Kindergartens, oder aber die gezielte Steuerung der Belegung<br />
von stationären Altenpfl egeeinrichtungen, um die Ausgaben für<br />
die „Hilfe zur Pfl ege“ möglichst gering zu halten. Allen diesen<br />
Schritten gemeinsam ist das Ziel, die Kosten in Bereichen zu<br />
senken, bei denen sich die Betroffenen nicht wehren können.<br />
In einigen Bereichen kommen zum anhaltenden Kostendruck<br />
eine ebenso anhaltende Bürokratisierung und Dokumenta-<br />
Parität Report 1-10 >> Editorial<br />
tionsfl ut. Diese Entwicklung ist seit Ende des vergangenen<br />
Jahres auch deutlich im Bereich der Pfl ege durch den sogenannten<br />
„Pfl ege-TÜV“, die Pfl egetransparenzvereinbarung<br />
zu beobachten. Ziel dieser Vereinbarung ist es, durch<br />
ein sehr schematisiertes Prüfverfahren<br />
einmal jährlich in jedem Heim und<br />
in jedem ambulanten Pfl egedienst die<br />
Qualität der Pfl ege zu prüfen und das<br />
Prüfergebnis als Note im Internet öffentlich<br />
zu machen. Die ersten Reaktionen<br />
unserer Mitglieder zeigen aber,<br />
dass dieses System eine erhebliche<br />
Schiefl age hat, da vorrangig die Qualität<br />
der Pfl egedokumentation und nicht<br />
die Qualität der tatsächlichen Pfl ege<br />
bewertet wird. Die Bewertung der<br />
Kundenzufriedenheit fl ießt gar nicht in<br />
die Gesamtnote ein, da sich der Heimbewohner<br />
oder Pfl egekunde infolge<br />
seiner Abhängigkeit von der Pfl egeeinrichtung<br />
gar nicht traue, seine etwaige<br />
Unzufriedenheit zu äußern. Zu erklären ist auch nicht, warum<br />
bei angeblich identischen Prüfungsabläufen die Durchschnittsnoten<br />
der Einrichtungen zwischen 1,2 in Baden-<br />
Württemberg und 2,9 in Schleswig-Holstein schwanken.<br />
Hier ist aus unserer Sicht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf<br />
vorhanden, damit das Ziel der einfachen und<br />
verbrauchergerechten Darstellung der Qualität ambulanter<br />
und stationärer Pfl ege nicht dadurch diskreditiert wird, dass<br />
die Messmethode nicht den an sie zu stellenden Qualitätsanforderungen<br />
genügt.<br />
Herzlichst, Ihr<br />
Sebastian Böstel,<br />
Vorstand<br />
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