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Gegen den Trend 2001 - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen ...

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GEGEN DEN TREND ’<strong>2001</strong><br />

Faszinosum Gewalt<br />

ekstatische Element des Ichs, das das Ich begründet,<br />

tritt in <strong>den</strong> Hintergrund und verbeißt sich in<br />

eine sprachlichen Binnenwelt, die sich keiner<br />

sprachlichen Argumentation mehr zugänglich<br />

erweist. Doch das biblische Zitat weist gerade auf<br />

die Gleichzeitigkeit hin. „Wie dich selbst“ meint<br />

die Fähigkeit zur Antwort auf eine Auffor<strong>der</strong>ung<br />

des Außen. Das Innen will ja gerade nicht antworten.<br />

Aber im Nichtantworten würde es sich<br />

selbst verfehlen. Der bipolare Aspekt des Daseins<br />

würde verfehlt, würde man einer Seite <strong>der</strong> zweiteiligen<br />

Sphäre das Übergewicht zuerkennen. Der<br />

Mensch ist kein Wesen, das sich aus sich selbst<br />

erschafft.<br />

Je<strong>der</strong> wird zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit<br />

durch an<strong>der</strong>e. Den an<strong>der</strong>en geht es nicht<br />

an<strong>der</strong>s. Dann sind wir alle einan<strong>der</strong> Spiegel und<br />

Hilfe zur Persönlichkeitswerdung. Dies drückt Mt<br />

22,39 aus: Liebe <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en (zur gleichen Zeit)<br />

wie dich selbst. Wer liebt, nimmt an. Wer annimmt,<br />

muss Person sein. Ein verwaschenes, dumpfes Ich<br />

Gaby ist unglücklich. Gaby hat stets an sich selbst<br />

zuletzt gedacht. Nie hat sie sich in <strong>den</strong> Vor<strong>der</strong>grund<br />

gestellt, geschweige <strong>den</strong>n gedrängelt. Hieß<br />

es: wer will in diesem Theaterstück die Hauptrolle<br />

übernehmen, schlug sie an<strong>der</strong>e statt sich vor.<br />

Hieß es: Wer hilft bei diesem Projekt? O<strong>der</strong>: Wer<br />

kann jene Aufgabe übernehmen? Tat sie es. Sie<br />

wurde rot, wenn sie gelobt wurde. Und wurde sie<br />

einmal selbst vorgeschlagen, in vor<strong>der</strong>ster Reihe<br />

zu stehen, wehrte sie verlegen, ja fast ängstlich<br />

ab. Einige Jungen hänselten sie wegen ihrer Beschei<strong>den</strong>heit.<br />

Dann weinte sie schnell. Und ihre<br />

Freundin beschwerte sich dann lauthals beim<br />

Lehrer über die Jungen. Aber auch da wehrte Gaby<br />

verlegen ab. Und dann kümmerte sich plötzlich<br />

Jens um sie. Ausgerechnet Jens. Er war nicht aufdringlich.<br />

Gewiss nicht. Aber zuversichtlich. Und<br />

ihrer Freundin vertraute sie an, sie sei überglücklich,<br />

dass Jens sich um ihre Zuneigung bemühe.<br />

Doch wisse sie gar nicht, was Jens eigentlich an ihr<br />

24_ZWISCHEN BEGEISTERUNG UND GEWALT …<br />

kann nieman<strong>den</strong> annehmen. Höchstens kann es<br />

bewun<strong>der</strong>n. Wer sich nicht selbst zu würdigen<br />

weiß, wie sollte er an<strong>der</strong>e würdigen können?<br />

Hinter Bewun<strong>der</strong>ung versteckt sich die Aufgabe,<br />

sich zu gestalten und gleichzeitig Spiegel für<br />

an<strong>der</strong>e zu sein.<br />

Vom Frem<strong>den</strong> zum Eigenen<br />

„Die Seele gibt dem Druck <strong>der</strong> ersten Überzeugung<br />

um so leichter nach, je weniger sie über<br />

einen eigenen Inhalt und ein inneres Gleichgewicht<br />

verfügt.“ 14 Dieser Satz aus Montaignes Essay<br />

über die Torheit, spricht sich gegen die Suggestion<br />

aus, dass unser Geist beurteilen könne, was<br />

wahr und falsch ist. Mit diesem Glauben nähert<br />

man sich oft rechtsradikalen Jugendlichen. Man<br />

traut <strong>der</strong> Vernunft zu, sie könne irrige Vorstellungen<br />

korrigieren und dann wür<strong>den</strong> mehr und mehr<br />

die Gewaltentäußerungen schwin<strong>den</strong>. Thomas<br />

Assheuer betont in seinem Zeit-Artikel 15 , dass<br />

gewaltwillige Gedanken in Jugendlichen sehr früh<br />

finde. Er, <strong>der</strong> so geliebt würde von allen, <strong>der</strong> so im<br />

Mittelpunkt des Interesses aller stände, könne sie<br />

doch gar nicht attraktiv fin<strong>den</strong>. Sie, so sagte später<br />

ihre Freundin, sei ganz hilflos. Sie glaube, Jens<br />

wolle sich im Grunde nur über sie lustig machen.<br />

Und als Jens merkte, dass Gaby weiterhin, trotz<br />

aller seiner Bemühungen, scheu und zurückgezogen<br />

blieb, ließ er von ihr ab. Nun ist Gaby unglücklich.<br />

Und, so sagte sie zu ihrer Freundin, sie fände<br />

das gar nicht gerecht, weil sie doch an sich selbst<br />

immer zuletzt <strong>den</strong>ke.<br />

Fragen zur Geschichte:<br />

Anscheinend liebt Gaby an<strong>der</strong>e mehr als sich<br />

selbst. O<strong>der</strong> liebt sie an<strong>der</strong>e gar nicht mehr als<br />

sich? Was hin<strong>der</strong>t sie <strong>den</strong>n, sich selbst zu lieben?<br />

Mt. 22,39 meint, wenn man an<strong>der</strong>e liebt, liebt man<br />

sich auch selbst und umgekehrt. Was meint ihr?

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