TV-WERBUNG: DIE SCHWEIZ IST DAS SCHLUSSLICHT. Vom ...
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IMPACT ME<strong>DIE</strong>N MACHER<br />
GESCHICHTEN<br />
ERZÄHLEN <strong>IST</strong><br />
SEIN BIER Der<br />
Blick von Regisseur<br />
Ernst Wirz hinter die<br />
Kulissen eines guten<br />
Werbefilms.<br />
Ein amüsanter Kurzfilm der sich auf ein Product<br />
Placement zuspitzt: Das ist für Regisseur Ernst Wirz<br />
ein erfolgreicher <strong>TV</strong>-Spot.<br />
An die 700 Filme hat der 60-jährige Zürcher schon gedreht. Wirz<br />
ist in der Branche ein Garant für Qualität, gehört er doch zur<br />
internationalen Creme der Werbefilmer. Er hat unzählige Preise<br />
eingeheimst, zum Beispiel drei Cannes-Löwen, drei Clio Awards<br />
und sieben Mal ADC-Gold in den Neunzigern. Hier sein Rezept<br />
für einen guten Spot:<br />
<strong>DIE</strong> IDEE <strong>IST</strong> <strong>DAS</strong> SPOTGERÜST Am Anfang eines erfolgreichen<br />
Spots steht eine Idee. Und die bringt meist die Werbeagentur ins<br />
Studio Wirz & Fraefel an die Forchstrasse in Zürich. Beim Spot<br />
für Schlossgold von Feldschlösschen war das Contexta, die als<br />
Basis einbrachte, dass «sich ein Gegenstand in Bier verwandelt».<br />
Und so wird aus dem gelben Betonmischer, der gegen eine Wolke<br />
gehievt wird, und aus dem Badetuch über dem gelben Liegestuhl<br />
in der Vorstellung der Protagonisten ein Glas schäumendes Bier.<br />
<strong>DIE</strong> STORY <strong>IST</strong> DER SPOTINHALT Aus der Grundidee entwickelt<br />
Wirz – zusammen mit der Werbeagentur – eine Geschichte. Der<br />
Blickwinkel des Fernsehzuschauers ist der Blickwinkel des Ernst<br />
Wirz. «Der Zuschauer will etwas Neues sehen», davon ist Wirz<br />
überzeugt. Darum setzt der Regisseur auf den Überraschungseffekt.<br />
Nimmt die Story eine unerwartete Wendung, bringt dies die<br />
Zuschauer zum Lachen und hält sie bei der Stange. Beim Schlossgold-Spot<br />
gucken die drei Männer nicht wegen der attraktiven<br />
Blondine. Erst das weisse Badetuch auf dem gelben Stuhl weckt ihr<br />
Interesse und den Durst nach einem kühlen Bier.<br />
18 / 19 IMPACT SEPTEMBER 2002<br />
«Ich will immer etwas Neues sehen»:<br />
Ernst Wirz am Drehort (o.) und der erfolgreiche Spot<br />
für Schlossgold von Feldschlösschen.<br />
DER LOOK <strong>IST</strong> <strong>DIE</strong> SPOTSTIMMUNG «Ein <strong>TV</strong>-Spot ist», so Wirz,<br />
«ein Spielfilm in einer Kürzestfassung von 30 Sekunden.» Und<br />
wie jeder Film lebt auch der <strong>TV</strong>-Spot nicht von der Geschichte alleine.<br />
Farben, Kontraste, Helligkeit, die Schauspieler als Typen<br />
und Identifikationsfiguren, der Ort – das alles prägt den Look,<br />
die Stimmung des Films. Es ist diese Stimmung, die ein Markenimage<br />
transportiert. Sonne, harte Kontraste, die Farben Gelb,<br />
Weiss und Blau prägen den Look im Felschlösschen-Spot. Eine<br />
durstige Stimmung.<br />
Eine einzige Location, dieselben Requisiten, die gleichen Schauspieler<br />
sind von der ersten bis zur dreissigsten Filmsekunde mit<br />
von der Partie. Auf die Minimierung der Mittel legt Wirz grossen<br />
Wert. Die kurze Dauer eines Durchschnittsspots verlangt nach<br />
einer klaren Führung der Zuschauer: «Nur so können sie die<br />
Botschaft verstehen.» Hinzu kommt ein profaner Spargrund: Ein<br />
Drehtag kann je nach Story sehr teuer sein. «Da zählt jede Minute»,<br />
sagt Wirz. Je einfacher die Geschichte, je bescheidener die<br />
eingesetzten Mittel, desto kürzer die Drehzeit. Für die Schlossgold-Spots<br />
benötigte Wirz pro Sujet je einen Tag.<br />
UND WO BLEIBT <strong>DAS</strong> PRODUKT? Kein Feldschlösschen-Logo in<br />
Sicht, kein Schlossgold-Schriftzug im Bild, keine Bierflasche,<br />
kein Bierglas geistern durch den Spot. Die Idee, die Story und<br />
der Look sind es, die das Product Placement vorbereiten. Das<br />
Produkt kommt erst zum Schluss. Der Slogan «Das Leben macht<br />
durstig» fasst alles zusammen.<br />
«Life is short. Play more»:<br />
Xbox-Spot von Microsoft.<br />
<strong>DAS</strong> LEBEN <strong>IST</strong><br />
EINE SPIELWIESE<br />
Der Spot «Champagne»<br />
für Microsofts Xbox hat<br />
Aufregung verursacht –<br />
und sein Ziel erreicht.<br />
In England verboten, in Frankreich<br />
wegen Plagiats angefochten, im<br />
Internet heiss begehrt, in Cannes<br />
ausgezeichnet: Der Werbespot für<br />
eine Spielkonsole erhitzte die Gemüter.<br />
Den Einstieg ins Videogamegeschäft lässt<br />
sich die US-Softwareschmiede Microsoft<br />
etwas kosten. Rund 500 Millionen Dollar<br />
fliessen im ersten Jahr weltweit ins Marketing<br />
für das Computerspielgerät Xbox.<br />
Die grossen Kreativen machten sich ans<br />
Werk. So schuf zum Beispiel die Londoner<br />
Agentur Bartle Bogle Hegarty den <strong>TV</strong>-Spot<br />
«Champagne», der die potenziellen Kunden<br />
zum Spielen animieren soll. Die Zeit<br />
zwischen Geburt und Tod sei knapp, so die<br />
Botschaft, man soll sie doch für Unterhaltsames<br />
nutzen.<br />
Die Geschichte von «Champagne» ist<br />
schnell erzählt, der <strong>TV</strong>-Spot dauert<br />
schliesslich nur 30 Sekunden. Im Gebärsaal<br />
knallt ein Baby mit Getöse aus dem<br />
Mutterleib – wie ein Champagnerkorken<br />
eben. Der Säugling durchbricht auf seiner<br />
Flugbahn die Fensterscheibe des Spitals<br />
und düst dann über die Erde. Während<br />
der rasanten Luftfahrt mutiert er zum Buben,<br />
dann zum erwachsenen Mann und<br />
schliesslich zum Greis. Der stürzt auf einen<br />
Friedhof ab und landet zum Schluss<br />
– wieder mit Getöse – in einem Grab. Abspann:<br />
«Life is short. Play more.»<br />
Die Langversion des Films, Dauer 50 Sekunden,<br />
stand der Kundschaft bereits vor<br />
den Spots zur Verfügung. Im Internet liess<br />
sich unter www.playmore.com die rasante<br />
Lebensfahrt herunterladen. Das taten<br />
denn auch mehrere Millionen.<br />
Dass der Spot am diesjährigen International<br />
Advertising Festival von Cannes auch<br />
noch einen goldenen Löwen in der Kategorie<br />
«Best Creative Film» gewann und<br />
sich nur knapp hinter dem Sieger «Tag»<br />
von Nike klassierte, verlieh der Kampagne<br />
noch zusätzlichen Schwung. «Mosquito»,<br />
der zweite, harmlosere Xbox-Spot, bekam<br />
einen bronzenen Löwen.<br />
Kurz vor der Preisverleihung gabs einen<br />
weiteren Eclat. Die französische Regisseurin<br />
Audrey Schebat behauptete, Microsoft<br />
habe das Sujet bei einem ihrer Kurzfilme<br />
abgekupfert. Ihr Film «Live», der im<br />
Sommer 2001 Premiere feierte, zeigt<br />
ebenfalls ein vollständiges Menschenleben<br />
– in einer einzigen Einstellung und<br />
innerhalb von fünfeinhalb Minuten.<br />
Im Juni dann das Aus für «Champagne»<br />
in Grossbritannien. Nach massiven Protesten<br />
wurde die Ausstrahlung des Spot<br />
nach knapp drei Monaten Laufzeit von<br />
den Behörden verboten.<br />
GUTE RESONANZ IN DER <strong>SCHWEIZ</strong><br />
In der Schweiz flimmerte der Spot vor<br />
dem Launch der Spielkonsole am 14.<br />
März über die Bildschirme. Die Schweizer<br />
Niederlassung von Microsoft hatte ihn sowohl<br />
auf SF1 wie auf SF2 als auch in den<br />
Werbefenstern von Sat1 und ProSieben<br />
geschaltet. Der Film habe nur die Aufgabe<br />
gehabt, die Aufmerksamkeit der Kernzielgruppe<br />
der 16- bis 26-Jährigen innerhalb<br />
kurzer Zeit zu erreichen, sagt Daniel Hess,<br />
der Xbox-Marketing-Manager von Microsoft<br />
Schweiz. Das sei perfekt gelungen.<br />
Die Aufregung hielt sich hingegen hier zu<br />
Lande in Grenzen: Gerade zwei erboste<br />
Briefe habe er als Reaktion erhalten, sagt<br />
Hess. Das ganze Getöse rund um den Spot<br />
mit Absetzung und Prozessdrohung habe<br />
dem Produkt eher noch Auftrieb gegeben.<br />
Microsoft musste mit Xbox in der Schweiz<br />
erst einen Markt aufbauen. «Wir sind kein<br />
Land von Spielern», sagt Hess. Mit der <strong>TV</strong>-<br />
Kampagne sei es darum gegangen, den<br />
Schweizerinnen und Schweizern zu zeigen,<br />
dass so eine Spielkonsole «nicht nur<br />
etwas für Spinner» sei.<br />
newsline<br />
TEAM PRODUCT OPERATING: MANAGER<br />
DER WERBEBLÖCKE, KENNER DER SPOTS<br />
Donnerstagabends ist auf SF2 statt Rosamunde Pilchers<br />
«Der lange Weg zum Glück» das US-Open mit<br />
Martina Hinggis zu sehen. Das gibt Arbeit für die Product<br />
Operator (PO) der publisuisse. «Jeder Werbeblock<br />
gehört zu einer ganz bestimmten Sendung»,<br />
erklärt Martina Maeschi, die Chefin des fünfköpfigen<br />
Teams. Wenn also statt der mit Taschentücher bewaffneten<br />
Pilcher-Fans die «Hopp Martina»-Fraktion<br />
vor dem Fernseher sitzt, dann müssen die geplanten<br />
Werbeblöcke umdisponiert werden. Schliesslich hat<br />
der Kunde entweder im Umfeld einer Sendung oder<br />
aber eine bestimmte Leistung gebucht.<br />
Jeder Product Operator betreut seine Programme.<br />
Dort kennt er jeden Spot. Bei der Visionierung arbei-<br />
Das PO-Team<br />
von publisuisse<br />
(von oben links<br />
im Uhrzeigersinn):<br />
Martina Maeschi,<br />
Madeleine Ott,<br />
Paula Gerber,<br />
Regula Kobel,<br />
Yves Juker.<br />
ten die POs wie Detektive und untersuchen<br />
jeden Spot auf ihre Korrektheit gemäss den<br />
Werberichtlinien und gesetzlichen Vorgaben.<br />
Bei der Blockzusammenstellung sind andere<br />
Qualitäten gefragt: «Ein Werbeblock muss<br />
abwechslungsreich sein», sagt Martina<br />
Maeschi. Und sicher darf die Schoggiwerbung<br />
der Migros nicht gerade nach dem<br />
Maestrani-Film geschaltet werden, der<br />
Reminder nicht unmittelbar hinter dem<br />
Hauptspot. Und dann gilt es, die vorgeschriebenen<br />
Längen zu beachten. 6,5 Minuten Werbung<br />
sind vor der «Tagesschau» auf SF1<br />
erlaubt. Ist diese Zeit ausgebucht, heisst es:<br />
«Les jeux sont faits.» Der PO meldet den<br />
Werbeumfang mehrmals ins Studio, zum letzten<br />
Mal rund 24 Stunden vor Ausstrahlung.<br />
Als Simon Ammann in Salt Lake City zum<br />
zweiten Gold flog, wurde der Werbeblock<br />
verlängert, und es konnten bis wenige Stunden<br />
vor Ausstrahlung Spots gebucht werden.<br />
«Das muss möglich sein, schliesslich ist das<br />
Fernsehen ein dynamisches Medium», sagt<br />
Martina Maeschi. Da ist dann das Improvisationstalent<br />
in den Studios gefragt. Ist der<br />
Block zu kurz, müssen Trailers her, ist er restlos<br />
ausgebucht, wird auch schon mal in der<br />
Sendung ein bisschen auf Tempo gemacht.